Beamte und Soldaten > Beamte der Länder und Kommunen
[NI] Günstigkeitsprüfung nach §72 NBesG für Einstellung zw. 2011 und 2016
Studienrat:
Was sagst du und was sagt dein Anwalt zu der Begründung?
_restore:
Naja.. das hört sich für so an, als ob die reine Existenz der Paragraphen 71 und 73 als Hauptargument für die NLBV-Sichtweise reicht. Aber beide Paragraphen sind völlig unabhängig vom aktuellen Rechtsstreit und müssten auch ohne Günstigkeitsprüfung existieren, also kann man in die reine Existenz in meinen Augen auf keinen Fall einen Willen des Gesetzgebers hineininterpretieren. Wenn man also die Aspekte aus der Urteilsbegründung rausnimmt, bleibt nicht mehr viel übrig.
Kurz zur Begründung, warum die Paragraphen völlig unabhängig vom Rechtsstreit sind:
Paragraph 71 regelt rückwirkend das Grundgehalt für alle (!) Beamten zwischen 2011 und 2016, damit auch rückwirkend nach Erfahrungszeit statt Lebensalter bezahlt werden. Es ist also nicht extra für die geschrieben, bei denen eine Günstigkeitsprüfung durchgeführt wird. So umgeht das Land ja die Entschädigungszahlungen. Dass laut des Paragraphen die alten Besoldungstabellen genommen werden und dort auch Stufe 3 existiert, macht auch Sinn. Sonst hätte man im aktuellen Besoldungsgesetz ja nochmal alle Tabellen abdrucken müssen. Stufe 3 brauchte man zum Beispiel, wenn jemand jung 2010 angefangen hat und dann bis 2012 in Stufe 3 war, ohne von der Günstigkeitsprüfung zu profitieren. (Dass das monatliche Ablesen des Grundgehalts sowieso nichts mit der einmaligen Stufenfestsetzung zu tun hat, habe ich ja schon vorher erklärt...)
Paragraph 73 braucht man zum Beispiel für Beamte, die nicht in A12, A13 oder A14 begonnen haben, sondern dorthin aus dem gehobenen Dienst befördert wurden. Die hatten eine entsprechend andere Einstiegsstufe, die in Anlage 5 noch immer existiert, sind aber aufgrund des Alters vielleicht noch in Stufe 3 bei A12. Die profitieren dann von der Stichtagsregelung in Paragraph 73.
Was sagt ihr?
SwenTanortsch:
Es tut mir leid, restore, dass die Entscheidung diesen Weg genommen hat. Wenn ich es richtig sehe, ist sie allerdings juristisch schlüssig, weil das VG die Rechtslage zu prüfen hat und jene hat der Gesetzgeber mit dem Ziel entsprechend formuliert (oder soll man sagen, konstruiert), dass Widersprüche zurückzuweisen sind. Auf Grundlage der gültigen Gesetzeslage blieb dem VG letztlich nichts anderes übrig, als so zu entscheiden (vgl. das, was ich am 06.03. letzten Jahres zum Gesetzesvorbehalt geschrieben habe). Eventuell besteht noch der Angriffspunkt der Rückdatierung, wie ich das am 08.03.19 darzulegen versucht habe. Ich befürchte aber, dass selbst jener nicht greifen wird, da die Schlechterstellung innerhalb der geschaffenen Rechtsnormen wohl nicht als gegeben nachzuweisen ist - und falls doch, wärest Du mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst gezwungen, den gesamten Instanzenweg von der Berufung über die Revision zu durchschreiten, um am Ende eine Verfassungsbeschwerde mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG mit der Begründung zu erheben, dass die Rückdatierung Dich in Deinen grundrechtsgleichen Rechten verletzt.
Wie damals gesagt, wenn es Dir und Deinem Anwalt gelingt, die Schlechterstellung auch nur eines Betroffenen nachzuweisen, wäre die Rückdatierung eventuell nicht statthaft - denn sie basiert auf der formulierten Rechtsnorm, das niemand schlechtergestellt wird. In diesem Sinne formuliert das NLBV: "Die Einführung von Erfahrungsstufen führt für die am 31.12.2016 vorhandenen Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger in keinem Fall zu einer Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Recht der Stufeneinteilung." (https://www.nlbv.niedersachsen.de/bezuege_versorgung/besoldung/information-zum-neuen-niedersaechsischen-besoldungsgesetz-149797.html; Hervorhebungen wie im Original)
Studienrat:
Für mich klingt die Begründung nach dem unbedingten Ziel, sich bloß nicht mit der Behörde anzulegen.
Dafür ist jedes Mittel recht, und wenn man sich irgendetwas hanebüchenes aus den Fingern saugen muss!
Bei einem Urteil vor Gericht hängt es ganz stark von der richtenden Person ab.
Wieviele Lehrer kenne ich, die Angst vor den Folgen einer schlechten (aber gerechneten) Benotung haben und es sich mit Durchwinken leicht machen - und deren Begründungen sind nicht weniger hanebüchen!
Im Übrigen existieren diverse, für Rechtswissenschaftler unliebsame, Studien darüber, nach welchen absurden subjektiven Kriterien Richter in der Majorität aller Fälle entscheiden. Und die Hauptsache dabei ist, dass sie selbst gut dabei wegkommen. In unserem Fall ist es wahrscheinlich die Tatsache, dass ein Konflikt mit der Behörde nicht gewünscht ist.
Studienrat:
Was werden dein Anwalt und du nun tun, Restore?
Geht ihr in Revision?
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