Autor Thema: [NI] Günstigkeitsprüfung nach §72 NBesG für Einstellung zw. 2011 und 2016  (Read 49678 times)

_restore

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Hallo zusammen,

es geht um die Günstigkeitsprüfung, die laut §72 Abs. 2 NBesG (neu ab 01.01.2017; in wesentlichen Teilen jedoch rückwirkend ab 2011 gültig) für alle durchgeführt wird, die zwischen Sep 2011 und Dez 2016 eingestellt wurden. Es wird überprüft, ob die Einstufung nach altem Recht (Lebensalter) oder neuem Recht (Erfahrungszeit) besser für einen ist.

Zum Fall:
Einstellung Sep 2012 im Alter von 27,5 Jahren in A13
Anrechenbare Erfahrungszeit 1,5 Jahre

Nach altem Recht ist klar, dass die Erfahrungszeit egal ist, und die Einstellung im Sep 2012 in Stufe 4 erfolgt. Stufe 5 folgt dann 1,5 Jahre später mit dem 29 Geburtstag usw.

Nach neuem Recht gibt es jetzt verschiedene Ansichten.
Entscheidend hier §25 Abs. 1 Satz 2 (rückwirkend gültig ab 2011, also hier anzuwenden!). Dort heißt es:
"Die Beamtin oder der Beamte ist zu Beginn des Beamtenverhältnisses mit einem der in § 1 genannten Dienstherren der ersten Erfahrungsstufe zugeordnet, in der für ihre oder seine Besoldungsgruppe in Anlage 5 ein Grundgehaltssatz ausgewiesen ist, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt."
Anlage 5 ist die aktuelle Besoldungstabelle. Die Eingangsstufe für A13 ist dort die Stufe 4.

Die Frage:
In welche Erfahrungsstufe wird der o.g. Beamte mit Einstellung zum Sep 2012 gesteckt? 3 oder 4?

für Stufe 3:
- die Besoldungstabelle hatte 2012 noch Stufe 3 bei A13.

für Stufe 4:
- die Günstigkeitsprüfung wird jetzt durchgeführt und steht im aktuellem Gesetz, also ist - wie im Gesetzestext zu lesen - nur Anlage 5 des aktuellen Gesetzes anzuwenden
- Änderung der neuen Tabelle ab diesem Gesetz: Erfahrungsstufen + Einstieg in Stufe 4 für A13 (und A12, A14); also geht beides Hand in Hand; ist das eine anzuwenden, dann auch das andere

Die 1,5 Jahre an Erfahrungszeit werden nach neuem Recht noch addiert. Somit wäre eine Einstufung in Stufe 4 (+1,5 Jahre Erfahrung) nach der neue Regelung günstiger für den o.g. Beamten; bei Einstufung in Stufe 3 (+1,5J) natürlich die alte Lebensalterregelung. (altes Recht: Stufe 4+0,5J)

Was sagt ihr? Welche Einstiegsstufe hat der o.g. Beamte rückwirkend nach neuem Recht?
« Last Edit: 14.01.2019 21:30 von _restore »

Buccaneer

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Vielleicht täusche ich mich ja, aber die Person wäre 2012 mit 27,5 Lenzen doch qua Alter ohnehin in Stufe 4 verortet worden, oder nicht? Damit müsste sich doch die Günstigerprüfung von ganz alleine erübrigt haben...

_restore

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Die Günstigkeitsprüfung wird in jedem Fall durchgeführt. Falls er nach neuem Recht in Stufe 4 startet, wäre er mit den 1,5 Jahren zusätzlicher Erfahrungszeit ja besser gestellt (Stufe 4+1,5J) als mit dem halben Jahr Lebensalter (Stufe 4+0,5J), welches er mit in Stufe 4 bringt. Jede Stufe würde dann ein Jahr eher erreicht werden.
Somit stellt sich schon die Frage, ob Stufe 3 oder 4 die korrekte Einstiegsstufe ist.

Tyrion

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Aus § 71 NBesG ergibt sich, dass für die Bestimmung der Grundgehaltssätze für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 die bisherigen Besoldungstabellen anzuwenden sind. Bei A 13 war in 2012 die Stufe 3 die erste Stufe, in der ein Grundgehaltssatz ausgewiesen worden war. Daher wird bei der Günstigkeitsprüfung nach § 72 auch die Stufe 3 Ausgangspunkt für die Erfahrungsstufe nach neuem Recht sein.

Die Anlage 5 (Besoldungstabelle) des neuen NBesG ist ja auch zum 01.01.2017 und nicht rückwirkend zum 01.09.2011 in Kraft getreten.

_restore

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Die Grundgehaltssätze ergeben sich tatsächlich durch Paragraph 71. Aber die Einstiegsstufe?
Dann müssten die  alten Tabellen auch rückwirkend der Anlage 5 entsprechen. Anlage 5 wird im Gesetz (Paragraph 25) ja explizit genannt. Ich bin der Auffassung, dass die Einstiegsstufe dementsprechend auch aus dieser Anlage abzulesen ist. Also bin ich trotz Paragraph 71 für Stufe 4 als Beginn. Paragraph 71 regelt dann nur die weiteren Stufenaufstiege und das Geld, welches man rückwirkend bekommt.
Außerdem regelt Paragraph 7 Abs. 2 den Grundgehaltssatz mit Verweis auf Anlage 5. Dieser Absatz ist nicht rückwirkend ab 2011 gültig. Absatz 1, in dem es um die Erfahrungsstufen geht, schon. Wären die alten Tabellen rückwirkend  als Anlage 5 anzusehen, hätte man beide Absätze ab 2011 für gültig erklären können/sollen/müssen.
Was sagen die anderen?
« Last Edit: 16.01.2019 08:04 von _restore »

_restore

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Habe jetzt Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Mal schauen, was das gibt.
Ebenfalls Betroffene können sich gerne mal melden...

_restore

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Weiß zufällig jemand, wer die Durchführungshinweise zu Gesetzen schreibt bzw. formuliert? Verwaltungsbeamte? Juristen?

Im speziellen geht hierum:

Durchführungshinweise zu den §§ 25 bis 27, 72 und 73 NBesG
RdErl. d. MF v. 1.2.2018 - VD4-03602/1/§25-§27, §72, §73(VV) - (Nds. MBl. Nr. 8/2018 S. 141) - VORIS 20441 -

Gajus

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Entschuldigt bitte, die vielleicht dumme Frage. Um welche Stellen geht es hier? Bin ebenfalls in diesem Zeitraum eingestellt worden und bin mit Stufe 3 eingestiegen. (Obwohl ich vom Alter her höher hätte eingestuft werden müssen) bisher dachte ich, das wäre jetzt Usus, dass es einzig und allein nach Dienstalter geht- stimmt das nicht? Oder geht es hier um etwas ganz anderes?

Edit: sehe grade, dass es hier um Niedersachsen geht, betrifft andere Bundesländer dann wohl eh nicht

ME

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Hallo _restore,

ich bin genauso betroffen wie du. Bei meiner Günstigerprüfung wurde als Einstiegsstufe die 3 angesetzt anstatt der 4. Nun überlege ich, erstmal einen Widerspruch einzulegen und mich dann ggf. juristisch beraten zu lassen. Außer mir ist mir leider kein weiterer Fall bekannt, aber es wird evtl. noch einen weiteren Kollegen betreffen. Ich würde mich gerne über diese Problematik austauschen. Kann ich dich irgendwie per Mail kontaktieren?

Viele Grüße
ME

SwenTanortsch

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Das Thema ist leider so kompliziert, dass ich immer einen Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht bzw., sofern Du gewerkschaftlich organisiert bist, deren Rechtsberatung einschalten würde. Entsprechende Anwälte findest Du z.B. unter: https://www.anwalt.de/fachanwalt/verwaltungsrecht.php

AS23

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Meiner Meinung nach ist hier zunächst nur der § 71 NBesG zu beachten. Dieser ist für alle zwischen den Jahren 2011 - 2016 eingestellten Beamtinnen und Beamten die Grundlage für die Zuordnung zu den Grundgehaltssätze n, also auch zur Erfahrungsstufe (Spezialvorschrift!)
Nach § 71 Abs. 1 gilt für die Jahre 2011 - 2016 die Anlage 2 des NBesG in der jeweils geltenden Fassung. Also auch der Einstieg bei A 13 mit Stufe 3. Stufe 4 ist ja erst Eingangsstufe ab dem Jahr 2017. Die Zuordnung der Erfahrungsstufe wirkt ja immer rückwirkend auf den Beginn des Beamtenverhältnisses. Das heißt man wird so gestellt, als wenn die Zuordnung schon in der Vergangenheit stattgefunden hätte und somit der Beginn in Stufe 3.

_restore

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Hallo,

kompliziert... ja, irgendwie schon, zumindest nicht superklar im ersten Moment.
Zum Widerspruch rate ich aber auf jeden Fall. Bitte dran denken, dass man hat nur einen Monat Zeit dafür hat!! Ansonsten wird es rechtskräftig.
Begründung habe ich im ersten Beitrag ja geliefert. Anlage 5 weist als Einstiegsstufe die 4 aus. Das NLBV nimmt die 3 und vermischt in meinen Augen das Ablesen der Eingangsstufe mit dem Ablesen des jeweiligen Grundgehalts. Sind aber ganz klar zwei verschiedene Paar Schuhe (vgl. §7 vs. §25).
Mein Anwalt sieht es genauso ;-) vielleicht kann man sich im Widerspruch auch auf mein Verfahren berufen? Keine Ahnung, nehme aber gern Provision im Erfolgsfall 😜
Ausführliche Klagebegründung ist erst letzte Woche raus, so dass ein Verhandlungstermin o.ä. noch nicht feststeht. Wird aber sicherlich dauern. Das NLBV wird bestimmt viele Bescheide in der Zwischenzeit rausschicken und viele werden das Ergebnis ungeprüft akzeptieren... also gerne alle, die zwischen 2011 und 2016 (relativ jung oder mit viel anrechenbarer Erfahrungszeit) eingestellt wurden, mal auf die Problematik hinweisen!

Die zwei großen Lehrerverbände habe ich über den Fall informiert, aber keine Rückmeldung bekommen. Bin halt kein Mitglied (oder zu kompliziert?). Traurig dieses Desinteresse eigentlich, weil der betroffene Anteil unter den Mitgliedern ja ähnlich hoch sein wird, wie bei uns im Haus. Da betrifft es fünf Personen, die alle so zwischen 3 und 17 Monaten besser gestellt wären, wenn meine/unsere Rechtsauslegung passt. Das macht auf das Leben gerechnet schon einiges mehr aus, als eine evtl. um fünf Monate zeitverzögert Übernahme vom aktuellen Tarifergebnis. Gibt ja immerhin neun Stufenaufstiege, die jeweils mehrere Monate (=mehrere hundert Euro) früher stattfänden. Naja.

_restore

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Meiner Meinung nach ist hier zunächst nur der § 71 NBesG zu beachten. Dieser ist für alle zwischen den Jahren 2011 - 2016 eingestellten Beamtinnen und Beamten die Grundlage für die Zuordnung zu den Grundgehaltssätze n, also auch zur Erfahrungsstufe (Spezialvorschrift!)
Nach § 71 Abs. 1 gilt für die Jahre 2011 - 2016 die Anlage 2 des NBesG in der jeweils geltenden Fassung. Also auch der Einstieg bei A 13 mit Stufe 3. Stufe 4 ist ja erst Eingangsstufe ab dem Jahr 2017. Die Zuordnung der Erfahrungsstufe wirkt ja immer rückwirkend auf den Beginn des Beamtenverhältnisses. Das heißt man wird so gestellt, als wenn die Zuordnung schon in der Vergangenheit stattgefunden hätte und somit der Beginn in Stufe 3.

§71 beginnt mit: "Für die Bestimmung der Grundgehaltssätze"
Das ist für mich was anderes als die Zuordnung zur ersten Erfahrungsstufe laut §25, wo klar Anlage 5 genannt wird. Dass die alten Tabellen in meinen Augen rückwirkend nicht als Anlage 5 zu werten sind, habe ich ja oben bereits erläutert (unterschiedliches Inkrafttreten der Absätze in §7).

Aber das ist halt das komplizierte. Lassen wir einen Richter entscheiden. Noch sehe ich mich im Recht 😊

SwenTanortsch

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Es ist genauso, wie Du schreibst, _restore, der Zeitpunkt der Einstufung macht auf jeden Fall mit Blick auf die über 30 Jahre, die Du regulär noch im Dienst sein wirst, deutlich mehr aus als eine jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach zeitverzögerte Anpassung der Besoldung. Was AS23 schreibt, hört sich für mich allerdings (leider) schlüssig an: Eine Verwaltung ist an das zu der entsprechenden Zeit geltende Recht gebunden; beim Fehlen eines Gesetzes ist Verwaltungshandeln ausgeschlossen (Prinzip des Gesetzesvorbehalts).

Da die Eingruppierung im September 2012 nach dem Dienstalter erfolgte, die Überleitung für die Zeit von 2011 bis zum 31.12.2016 gilt und das zu diesem Zeitpunkt geltende Besoldungsgesetz (es galt bis zum 31.05.2017) weiterhin noch keine Stufe 4 als Eingangsstufe kannte, kann sich die anzurechnende Erfahrungszeit m.E. nur auf die Stufe 3 beziehen, d.h., hätte 2012 bereits ein Erfahrungsstufensystem gegolten, wärst Du der Stufe 3 zugeordnet worden. Die Günstigkeitsprüfung ergibt nun die Überleitung in die Stufe 4 (weil Du dieser 2012 nach dem Dienstalter mit 27 Jahren bereits zugeordnet worden warst); damit allerdings sollte m.E. im Sinne des Gesetzesvorbehalt die Günstigkeitsprüfung verwaltungsrechtlich enden, d.h., eine Übertragung der Erfahrungszeit von anderthalb Jahren auf die Erfahrungsstufe 4 sollte nicht möglich sein, weil diese eben erst zum 01.06.2017 zur Eingangsstufe geworden ist, also im Zeitraum nach dem Überleitungsverfahren, auf das sie dann im Sinne des Gesetzesvorbehalt nicht mehr angewendet werden könnte.

Ergo sollte - leider! - die Überleitung unter Fortwirkung des halben Jahres des vormaligen Dienstalters vollzogen worden sein, was wiederum im Sinne der Günstigkeitsprüfung erfolgte. Denn ohne Günstigkeitsprüfung könnte man argumentieren, dass diese verfallen müssten, da von der Erfahrungszeit her noch keine Zuordnung zur Stufe 4 erfolgt wäre und das Lebensalter zugleich in einem Erfahrungsstufensystem juristisch keine Rolle mehr spielte. Die Anerkennung des halben Jahres Lebensalter als Äquivalent eines halben Jahres Berufserfahrung stellte so verstanden die Anwendung einer günstigeren Regelung für Dich dar.

So jedenfalls würde ich den Fall interpretieren (ich bin allerdings kein Jurist, nur ein juristisch interessierter Laie, der sich seit rund elf Jahren immer wieder mit Personal- und Verwaltungsrecht rumschlägt). So oder so finde ich es richtig, dass Du den Rechtsweg gehst. Denn die Sachlage ist offensichtlich komplex und darüber hinaus sollte man nie vergessen: zwei Juristen, drei Meinungen.

_restore

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Nein, die Stufe 3 ist direkt zum 01.01.2017 wegegefallen (vgl. Gesetz, Fassung von 20.12.2016 & NLBV-Homepage). Daher gab es zum tatsächlichen Zeitpunkt der Durchführung der Günstigkeitsprüfung (nach 01.01.2017) nie eine Stufe 3 in der Anlage 5.
Wenn man sich zeitlich zurückversetzt in das Jahr 2012, hätte man ja wirklich das Problem, dass man damals keine Anlage 5 hatte, obwohl die Stufeneinteilung laut Paragraph das ja fordert.
Dass man dann nicht als beste Alternativ die alten Tabellen von damals zur Hand nehmen soll, wird für mich - wie gesagt - mit Paragraph 7 deutlich...
Aber man gucken, ob ein Richter das auch so sieht...

Das beste wäre gewesen, sie hätten eine zweite Tabelle für die jeweils Einstiegsstufe als zusätzliche Anlage reingepackt und nicht zwei Verwaltungsakte (Einstiegsstufenablesung und Grundgehaltsablesung) auf eine Tabelle bezogen.