Beamte und Soldaten > Beamte der Länder und Kommunen
[NW] Besoldung von Beamten mit zwei Kindern
Krazykrizz:
--- Zitat von: MoinMoin am 31.01.2019 10:09 ---Ist ja anders geregelt als bei Angestellten.
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--- Zitat von: LehrerInNRW am 31.01.2019 11:54 ---Nein, kann man nicht! Steuerrecht und Besoldung sind nunmal zwei unterschiedliche Dinge und das eine hat mit dem anderen nix zu tun.
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Sehr richtig. Im "alten" Forum hatte jemand mal gemeint, Besoldung sei im Grunde eine Art "bessere Sozialhilfe für Staatsdiener". Und da ist viel Wahres dran. Maßstab ist einerseits das soziokulturelle Existenzminimum, andererseits die Wertigkeit des Amtes.
Sozialhilfe beruht auf der staatlichen Schutzpflicht für Bedürftige (Sozialstaat). Der Beamte ist mit seinem Dienstherrn durch ein besonderes Band der Dienst- und Treuepflichten verbunden. Dafür gewährt der Dienstherr ihm und seiner Familie Fürsorge und Unterhalt.
Für beide Systeme gibt es "Warenkörbe", die definieren, was sich der Fürsorgeempfänger leisten können muss:
BVerfG 125, 127 [223]:
Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (vgl. BVerfGE 120, 125 [155 f.]), als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl. BVerfGE 80, 367 [374]; 109, 279 [319]; auch BVerwGE 87, 212 [214]).
BVerfGE 44, 249 [265]:
Der Gesetzgeber, der die Angemessenheit der Dienstbezüge einschließlich Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu konkretisieren hat, muß dabei außer den schon genannten Gesichtspunkten -- Bedeutung der Institution des Berufsbeamtentums, Rücksicht darauf, daß das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte anziehend sein muß, Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung, Verantwortung des Amtes, Beanspruchung des Amtsinhabers (häufig als "Leistung" bezeichnet) -- auch berücksichtigen, daß heute nach allgemeiner Anschauung zu den Bedürfnissen, die der arbeitende Mensch soll befriedigen können, nicht nur die Grundbedürfnisse des Menschen nach Nahrung, Kleidung und Unterkunft, sondern im Hinblick auf den allgemeinen Lebensstandard BVerfGE 44, 240 (265)BVerfGE 44, 240 (266)und die allgemeinen Verbrauchs- und Lebensgewohnheiten auch ein Minimum an "Lebenskomfort" gehört: z. B. Ausstattung des Haushalts mit dem üblichen elektrischen Gerät einschließlich seiner Unterhaltung, Radio- und Fernsehgerät samt laufenden Kosten, Zeitungs- und Zeitschriftenbezug, Theaterbesuch und Besuch ähnlicher Veranstaltungen, Kraftwagen, Urlaubsreise, Bausparvertrag, Lebensversicherung und Krankenversicherung, Ausgaben für Fortbildung, soziale und politische Aktivitäten und vernünftige Freizeitbeschäftigung.
Also kurz gefasst: Besoldung ist Unterhalt, nicht Arbeitslohn. :)
TonyBox:
Aber was bedeutet das für den Einzelnen Beamten, wenn Sie den Rechtsstreit gewinnen?
Muss dann jeder sein "Recht" einklagen oder muss man es beantragen oder bekommt man das dann ohne weiteres tun?
Die Thematik ist für mich auch interessant Beamter NRW 2 Kinder
Krazykrizz:
Jede/r muss sich selbst um sein Recht kümmern. Sollte die Besoldung für verfassungswidrig erklärt werden, muss der Gesetzgeber diese anheben. Erst die Rechtsänderung gilt für alle. Rückwirkend kommen nur die in Genuss der Neuregelung, die sich rechtzeitig gewehrt haben.
Siehe dazu BVerfGE 99, 300 [331]:
"Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die in dieser Entscheidung als verfassungswidrig beanstandete Rechtslage mit der Verfassung in Übereinstimmung zu bringen. Eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes ist mit Blick auf die bereits im Beschluß vom 22. März 1990 näher erläuterten Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht geboten. Eine rückwirkende Behebung ist jedoch - jeweils soweit der Anspruch auf amtsangemessene Alimentation zeitnah gerichtlich geltend gemacht worden ist - sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch solcher Kläger, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist, erforderlich. Eine später eintretende Rechtshängigkeit ist unschädlich, wenn die Klage wegen der für ein erforderliches Vorverfahren benötigten Zeit nicht rechtzeitig erhoben werden konnte."
LehrerInNRW:
Viel Erfolg heute!
Krazykrizz:
@LehrerInNRW: Danke!
So, Verhandlung ist gelaufen und ich möchte meine Erfahrungen und Eindrücke mit Euch teilen:
Die Klage wurde abgewiesen. Aber...
Die mündliche Verhandlung hat etwa 50 Minuten gedauert, die Kammer (drei Berufrichter und zwei ehrenamtliche) hat im Anschluss daran über eine halbe Stunde beraten.
Der Vorsitzende hat mich ernst genommen und respektvoll behandelt. Er hat zugestanden, dass meine Argumente was für sich haben und meine Schriftsätze sorgfältig ausgearbeitet waren. Er hat auch gemeint, dass meine beiden Verzögerungsrügen (über zwei Jahre ist dem Verfahren gar nichts passiert) durchaus angebracht waren. Es hat halt am Ende nicht ganz gereicht, die Kammer vollends zu überzeugen.
Neben der professionellen Atmosphäre während der Verhandlung für mich der messbar große Erfolg: Die Berufung wurde zugelassen. Das allein ist eine Hürde, die oft nicht einmal Rechtsanwälte überwinden.
Unterm Strich bin ich nicht enttäuscht. Ich habe beim Landesamt für Besoldung einige gutbezahlte Volljuristen (das Land war heute mit drei Leuten vertreten, auch vom Finanzministerium) herausgefordert und das Gericht hat sich umfassend und gewissenhaft mit meinen Argumenten befasst. Für 438 EUR Gerichtskosten war das eine gute Erfahrung.
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