Autor Thema: Laufzeitverkürzung §17  (Read 11134 times)

schlumpf

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Laufzeitverkürzung §17
« am: 12.02.2019 08:56 »
Hallo,
mir wurde neulich mitgeteilt, dass bei uns im Hause keine Laufzeitverkürzung nach §17 TV-L durchgeführt wird.

Es wird angeblich damit begründet, dass es nicht rechtssicher durchgeführt werden kann.

Was heißt hier rechtssicher?
Wenn der Vorgesetzte eine erheblich überdurchschnittliche Leistung bescheinigt, dann reicht das nicht?
Welches Recht würde da gebrochen? Wenn da ein Mitarbeiter die Verkürzung bekommt. Könnte da jemand gegen Klagen, auf welcher Grundlage, es ist doch eh eine kann Regelung.
Unabhängig, dass dann "alle" anderen es auch haben wollen......
Ich kann hier im Hause nicht konkret nachfragen, da es nur "Flurfunk" ist.


Spid

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #1 am: 12.02.2019 09:08 »
Nun, ich war mal bei einem AG beschäftigt, der grundsätzlich die Stufenlaufzeit verkürzte - bis der BR wegen persönlicher Befindlichkeiten in einem Einzelfall widersprach. Er führte aus, daß es zur Feststellung überdurchschnittlicher Leistung zunächst der Feststellung der durchschnittlichen Leistung bedürfe und dies nur durch Instrumente zur Leistungsbewertung aller Mitarbeiter machbar sei, dies dem AG jedoch verwehrt sei, weil es an einer entsprechenden Vereinbarung fehle, man aber bereit sei, über eine solche zu verhandeln. Die Rechtsauffassung des BR war nicht grundsätzlich abwegig und in der Theorie durchaus nachvollziehbar - in der Praxis aber mutmaßlich nicht im Interesse der Belegschaft, zumal der AG aus ebenso nachvollziehbaren Gründen eine entsprechende Vereinbarung nicht treffen wollte.

D-x

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #2 am: 12.02.2019 09:14 »
Eine derartige, grundsätzliche Verkürzung der Stufenlaufzeit dürfte aber auch nahezu einzigartig sein.
Dass nach einer solchen Vereinbarung mit dem BR natürlich nur noch maximal für die Hälfte der TB eine Verkürzung der Stufenlaufzeit in Frage kommt, dürfte somit in der Tat zumindest nicht im Interesse der anderen Hälfte der Belegschaft sein.

schlumpf

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #3 am: 12.02.2019 09:33 »
Nun, ich war mal bei einem AG beschäftigt, der grundsätzlich die Stufenlaufzeit verkürzte - bis der BR wegen persönlicher Befindlichkeiten in einem Einzelfall widersprach.
Auf welcher Rechtsbasis muss der BR beteiligt werden?
Zitat
Er führte aus, daß es zur Feststellung überdurchschnittlicher Leistung zunächst der Feststellung der durchschnittlichen Leistung bedürfe und dies nur durch Instrumente zur Leistungsbewertung aller Mitarbeiter machbar sei, dies dem AG jedoch verwehrt sei, weil es an einer entsprechenden Vereinbarung fehle, man aber bereit sei, über eine solche zu verhandeln. Die Rechtsauffassung des BR war nicht grundsätzlich abwegig und in der Theorie durchaus nachvollziehbar - in der Praxis aber mutmaßlich nicht im Interesse der Belegschaft, zumal der AG aus ebenso nachvollziehbaren Gründen eine entsprechende Vereinbarung nicht treffen wollte.
Ist doch in der Theorie etwas "unlogisch". Was hat die persönliche Leistung mit der andere Mitarbeiter zu tun
z.B. wenn der eine E11 ist und der andere E13 darf man die ja eh nicht miteinander vergleichen.
Was wenn einer der Einzige in dem Laden ist der diese EG hat, dann gibt es ja keine "Vergleichsgruppe" und er wird somit ausgeschlossen von dieser Möglichkeit?
Falls ja, wie würde man dann eine Minderleistung feststellen können, wenn man nur via Leistungsbewertung aller Mitarbeiter (der gleichen EG) eine unter-/überdurchschnittliche Leistung ermitteln könnte?
Das würde ja heissen, dass man E**schaukeln könnte, weil niemand einem eine Minderleistung nachweisen "kann", daran mag ich nicht glauben.


Mir ist schon bewußt, dass es schwierig ist, da objektive Kriterien anzubringen, aber immer noch unklar, wo der "Rechtsbruch" wäre.

schlumpf

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #4 am: 12.02.2019 09:36 »
Eine derartige, grundsätzliche Verkürzung der Stufenlaufzeit dürfte aber auch nahezu einzigartig sein.
Dass nach einer solchen Vereinbarung mit dem BR natürlich nur noch maximal für die Hälfte der TB eine Verkürzung der Stufenlaufzeit in Frage kommt, dürfte somit in der Tat zumindest nicht im Interesse der anderen Hälfte der Belegschaft sein.
Wieso hälfte, weniger als die Hälfte, da doch erheblich überdurschnittlich gefordert ist.

Spid

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #5 am: 12.02.2019 09:42 »
Nun, ich war mal bei einem AG beschäftigt, der grundsätzlich die Stufenlaufzeit verkürzte - bis der BR wegen persönlicher Befindlichkeiten in einem Einzelfall widersprach.
Auf welcher Rechtsbasis muss der BR beteiligt werden?

Stufenaufstiege - ob verkürzt, verlängert oder regulär - sind Eingruppierungstatbestände und somit mitbestimmungspflichtig.


Zitat
Zitat
Er führte aus, daß es zur Feststellung überdurchschnittlicher Leistung zunächst der Feststellung der durchschnittlichen Leistung bedürfe und dies nur durch Instrumente zur Leistungsbewertung aller Mitarbeiter machbar sei, dies dem AG jedoch verwehrt sei, weil es an einer entsprechenden Vereinbarung fehle, man aber bereit sei, über eine solche zu verhandeln. Die Rechtsauffassung des BR war nicht grundsätzlich abwegig und in der Theorie durchaus nachvollziehbar - in der Praxis aber mutmaßlich nicht im Interesse der Belegschaft, zumal der AG aus ebenso nachvollziehbaren Gründen eine entsprechende Vereinbarung nicht treffen wollte.
Ist doch in der Theorie etwas "unlogisch". Was hat die persönliche Leistung mit der andere Mitarbeiter zu tun
z.B. wenn der eine E11 ist und der andere E13 darf man die ja eh nicht miteinander vergleichen.
Was wenn einer der Einzige in dem Laden ist der diese EG hat, dann gibt es ja keine "Vergleichsgruppe" und er wird somit ausgeschlossen von dieser Möglichkeit?
Falls ja, wie würde man dann eine Minderleistung feststellen können, wenn man nur via Leistungsbewertung aller Mitarbeiter (der gleichen EG) eine unter-/überdurchschnittliche Leistung ermitteln könnte?
Das würde ja heissen, dass man E**schaukeln könnte, weil niemand einem eine Minderleistung nachweisen "kann", daran mag ich nicht glauben.


Mir ist schon bewußt, dass es schwierig ist, da objektive Kriterien anzubringen, aber immer noch unklar, wo der "Rechtsbruch" wäre.

Über- und unterdurchschnittlich sind relative Begriffe, die einer Bezugsgröße bedürfen: des Durchschnitts.

schlumpf

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #6 am: 12.02.2019 10:11 »
Stufenaufstiege - ob verkürzt, verlängert oder regulär - sind Eingruppierungstatbestände und somit mitbestimmungspflichtig.
Das heißt also, dass auch die Stufenansteige nach §16 Abs. 3 mitbestimmungspflichtig sind? Und es werden auch bei diesen regelmäßigen Stufenaufstiegen die Mitbestimmung eingehalten? Cool.... Ist mir neu, muss ich mal unseren PR fragen, ob sich der AG daran hält.
Zitat
Über- und unterdurchschnittlich sind relative Begriffe, die einer Bezugsgröße bedürfen: des Durchschnitts.
Fein, also kann man sich hinsetzten, Minderleistung erbringen und dem AG die im (gefühlte) geschuldete Leistung nicht erbringen, da er ja nicht ermitteln kann was eine durchschnittliche Leistung ist?
Oder anderes gefragt: Woher weiß der AG, was eine zu erwartende Leistung ist, wenn er keinen Durchschnitt bilden kann?
Klingt lustig.

schlumpf

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #7 am: 12.02.2019 10:17 »
Ergänzende Frage: Was heißt eigentlich "Eingruppierungstatbestände sind mitbestimmungspflichtig"
wo es doch andererseits die Tarifautomatik gibt.
Über die EG kann doch der PR nicht mitbestimmen, da er sich ja automatisch aus den übertragenden Tätigkeiten ergibt.
Und über die Stufenzuordnung bei Einstellung? Bei einschlägige BE kann der PR doch auch nichts mitbestimmen.
Oder, verstehen ich diesen mitbestimmungsakt falsch?
(Sorry wenn ich mal so doof frage)

Spid

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #8 am: 12.02.2019 11:06 »
Ich empfehle dazu BAG, Urteil  v. 6.4.2011 – 7 ABR 136/09.

schlumpf

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #9 am: 12.02.2019 14:32 »
Ah, danke interessante Info /Urteil.

Bleibt nur noch die Frage wie ein AG eine Minderleistung feststellen kann, wenn er keine durchschnittliche Leistung feststellen kann.

Spid

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #10 am: 12.02.2019 14:41 »
Eine Minderleistung ist ja etwas anderes als eine unterdurchschnittliche Leistung - mit ggfs. völlig anderen Konsequenzen.

schlumpf

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #11 am: 12.02.2019 15:50 »
Ok, Spid, da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt.
(Mit nem Jurastudium wirds so wohl nichts  :P)

Ich meine die Tätigkeit, die man dem AG ja arbeitsrechtlich schuldet ist ja eine "Leistung mittlerer Art und Güte"
"Leistung mittlere Art" ist ungleich "durchschnittliche Leistung" ?
Wenn ja: Wie wird sie spezifiziert.
Wenn Nein: wie wird eine durchschnittliche Leistung ermittelt?

(Sorry ich könnte natürlich googlen, aber mir scheints, als ob du so was aus dem Ärmel schütteln kannst)
« Last Edit: 12.02.2019 15:54 von schlumpf »

Spid

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #12 am: 12.02.2019 16:18 »
Die geschuldete Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte ist ein subjektiv auf den jeweiligen AN anzulegendes Maß, das grundsätzlich meint, daß dieser „unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet“ (BAG, Urteil v. 17.01.2008 - 2 AZR 536/06). Die Nichterbringung ist eine Minder-/Schlechtleistung.

Bei der über-/unterdurchschnittlichen Leistung zur Stufenlaufzeitverkürzung/-verlängerung geht die Kommentarliteratur (u.a. Haufe) hingegen vom gleichen Leistungsbegriff wie bei den Instrumenten zur leistungsorientierten Bezahlung aus. Mithin ist nicht subjektiv auf das Leistungsvermögen des AN abzustellen, sondern vielmehr auf seine erbrachte Leistung in Relation zur Vergleichsgruppe - wobei der Begriff der über-/unterdurchschnittlichen Leistung nur bei Stufenlaufzeitverkürzung/-verlängerung vorkommt und somit nur dieser auf eine durchschnittliche Leistung rekurriert, die naheliegend nur durch flächendeckende Instrumente zur Leistungsbewertung zu ermitteln ist.

marco.berlin

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #13 am: 12.02.2019 17:36 »
Mehr geht ja immer. Dieser Quatsch mit Verkürzen oder Vorweggewähren wäre sicherlich entbehrlich, wenn zum einen die Eingruppierungen verbessert würden (in Teilbereichen) und zum anderen die Anzahl der Stufen verringert würde. Was nützt mir ein System von Verkürzen und Vorweggewähren, wenn am Ende die Hürden so hoch sind, dass die Instrumente nicht mehr angewandt werden (können).

TV-Ler

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Antw:Laufzeitverkürzung §17
« Antwort #14 am: 13.02.2019 07:14 »
Was nützt mir ein System von Verkürzen und Vorweggewähren, wenn am Ende die Hürden so hoch sind, dass die Instrumente nicht mehr angewandt werden (können).
Diese Regelungen nützen erkennbar den Arbeitgebern:
Indem diese Regelungen getroffen wurden, konnte in den Verhandlungen zur Erarbeitung des TV-L den gewerkschaftlichen Forderungen nach einer geringeren Stufenanzahl erfolgreich entgegen getreten werden.
Auch das war ein Ausfluss der damals so stark propagierten Leistungsorientierung - wer sich ins Zeug legt, hat kein Problem mit der Vielzahl an Stufen ...
... und es versteht sich, das die Arbeitgeber nicht die Absicht hatten und haben, diese Regelungen - von Einzelfällen abgesehen - zur Anwendung kommen zu lassen.