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[NI] amtsangemessene Alimentation

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SwenTanortsch:
Heute hat das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil vom 30.10.2018 in der ausgeführten schriftlichen Form vorgelegt (Az. 2 C 32.17 und 2 C 34.17; https://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/301018B2C34.17.0.pdf). Damit liegen nun die vom Gericht berechneten Werte in dem seit 2009 laufenden Verfahren vor. Bereits mit der Urteilsverkündung hatte der Vorsitzende des zuständigen Zweiten Senats hervorgehoben, dass nach Ansicht des Gerichts die niedersächsische Besoldung seit 2005 „in erschreckender Weise“ verfassungswidrig gewesen sei (vgl. http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Der-Norden/Bundesgerichtshof-entscheidet-am-Dienstag-Verdienen-Beamte-in-Niedersachsen-bald-mehr).

Dieses Erschrecken bezog sich insbesondere darauf, dass nach Ansicht des Gerichts die absolute Untergrenze der Mindestalimentation in der niedrigsten Besoldungsgruppe A 2 in den betrachteten Jahren bis 2016 nicht eingehalten worden ist. Diese muss, um verfassungsgemäß zu sein, 15 Prozent über dem Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung liegen. Tatsächlich lag sie aber nach den nun vorliegenden Berechnungen des Gerichts in acht von zwölf Jahren sogar unter der sozialrechtlichen Grundsicherung (2016, als Tiefpunkt, lag sie bei 96,01 % der Grundsicherung, war also um mindestens 18,99 Prozentpunkte zu gering bemessen). Da nicht nur die Alimentation, sondern auch das Abstandsgebot – die Staffelung zwischen den Besoldungsgruppe – ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ist, muss eine Anhebung der untersten Besoldungsgruppe zwangsläufig zu einer Anhebung des gesamten Gefüges führen. Das Bundesverfassungsgericht muss nun als Letztinstanz entscheiden, ob der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts rechtswirksam ist, ob also die Alimentation seit 2005 tatsächlich nicht amtsangemessen war.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts war die niedersächsische A 2-Besoldung in den Jahren 2005 bis 2016 im Durchschnitt um 3.588 Euro pro Jahr zu gering bemessen, was insgesamt einer in zwölf Jahren um rund 43.000 Euro zu geringen Besoldung entspricht. Der Tiefstwert lag – wie eben schon angemerkt – im letzten vom Gericht behandelten Jahr, also im Jahr 2016, in dem die A 2-Besoldung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts um 5.314,43 Euro zu niedrig ausgefallen war.

elCaputo:
Was hält die niedersächsische Landesregierung davon ab, am Gesamtgefüge gar nichts zu machen, sondern schlicht und ergreifend diejenigen Besoldungsgruppen zu kappen, die nicht amtsangemessen besoldet werden?
Deren Inhaber würden "hochgestuft" und fertig ist der Lack.
In NRW z.B. ist dies geschehen, sodass nunmehr A5 die unterste Besoldungsgruppe darstellt. Freilich wurden nach oben keine Besoldungsgruppen hinzugefügt. In Kombination mit einer insgesamt hinterherhinkenden Besoldung durch alle Gruppen ist es nicht verwunderlich, dass schon nicht einmal mehr ernsthaft nach Spitzenkräften (Amtsärzten z.B.) im Beamtenverhältnis gesucht wird.

Am Ende ist es wie mit dem Abi. Alle bekommen A16 auf niedrigem Niveau. Und die Hauptschule - Entschuldigung, der einfache Dienst, der den Hauptschulabschluss voraussetzt, ist bald gänzlich abgeschafft.

MoinMoin:
Hier die Zahlen für den gesamten Landesbereich (also nicht nur NI):
A5     4 380
A4     910
A3, A2     205

SwenTanortsch:
Zukünftig kann die niedersächsische Landesregierung das Besoldungsgefüge im Rahmen der besoldungsrechtlichen Möglichkeiten ändern - und wird das wohl auch tun, da sie seit 2017 darauf pocht, dass es in Niedersachsen keine nach A2 und A3 sowie nur wenige nach A4 besoldeten Stellen mehr gibt. Nachträglich dürfte das nicht möglich sein; das hat die Landesregierung sowohl 2017 vor dem OVG Lüneburg als auch 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht mit der gerade genannten Argumentation versucht: Da ein solche Argumentation aber fadenscheinig ist, haben beide Gerichte sie vom Ton her recht brüsk und formal mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass der Gesetzgeber es seit jeher selbst in der Hand habe, aktuell verfassungskonforme (und damit für den Landeshaushalt kostspieligere) Besoldungsgesetze zu beschließen, was letztlich ja auch die Aufgabe von Gesetzgebern ist, nämlich verfassungskonform zu handeln.

Eine zukünftige Änderung des Besoldungsgefüges müsste, um verfassungsgemäß zu sein, die Ämterprofile, die Abgrenzung gegenüber den jeweils höheren und tieferen Besoldungsgruppen und das Abstandsgebot beachten. Eine solche Neuregelung dürfte, um zu einer dann amtsangemessenen Alimentation zu gelangen, nicht ganz einfach sein, sonst hätte sie die Landesregierung spätestens 2017 in Angriff genommen, sodass der Landtag sie dann mit der Regierungsmehrheit beschlossen hätte. Vermutlich wird die aktuelle Landesregierung entsprechend vorgehen, also das Besoldungsgefüge ändern, sofern sich das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts anschließt - so, wie man die Landesregierungen der letzten anderthalb Jahrzehnte kennt (da braucht man keine ausnehmen; ausnahmslos alle nehmen vielmehr seit 2005 ihre Beschäftigten aus), wird auch das wieder zu einer Klagewelle führen.

Die Grundbesoldung in Stufe 1 betrug ab den 01.06.2016 in A 2 1.851,75, in A 3 1.927,21, in A 4 1.970,01 und in A7 2.119,01 Euro. Aktuelle Berechnungen kommen länderübergreifend zu dem Ergebnis, dass der „Abstand zum sozialrechtlichen Existenzminimum […] in sehr vielen Fällen insbesondere in Ballungsräumen z.T. bis hoch in den mittleren Dienst nicht erfüllt“ sei. Es ergäben sich in „allen bislang untersuchten Fällen systematische Probleme, die […] schwerwiegenden Reformbedarf in erheblichem Ausmaß“ andeuteten (Gisela Färber: Ökonomische Aspekte einer verfassungskonformen Gestaltung von Besoldung und Versorgung, in: Zeitschrift für Beamtenrecht, 66 (2018, S. 228-238, hier S. 237). In Anbetracht der zur Zeit beim Bundesverfassungsgericht liegenden Entscheidungen werden die nächsten Jahre, so ist zu vermuten, noch recht interessant (und für das eine oder andere Bundesland eher teurer) werden.

Tyrion:
Das letzte Wort wird hier ja das Bundesverfassungsgericht haben. Man darf gespannt sein, ob dieses hierzu die gleiche Ansicht wie das Bundesverwaltungsgericht vertritt.

Die Größenordnungen der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Unteralimentation würde Niedersachsen und auch andere Länder finanziell erheblich belasten, so dass diese bei einer weiten Nachzahlungsverpflichtung sicherlich mit der Schuldenbremse nach Art. 109 GG in Konflikt geraten würden. Bezüglich etwaiger Nachzahlungsansprüche dürfte dann auch abzuwiegen sein, ob der Verstoß des Landes gegen den Alimentationsgrundsatz letztendlich schwerer wiegt, als der Verstoß gegen die Schuldenbremse aufgrund von auferlegten Nachzahlungsansprüchen und der hierdurch bedingten Auswirkungen auf die staatliche Finanzlage.

Die Anhebung der Grundgehälter für die Zukunft würde sicherlich mit Personaleinsparungen und anderen Maßnahmen, wie z. B. Verlängerung der Arbeitszeiten, verbunden werden. Mit zu hohen Erwartungen sollte man daher nicht in die Zukunft schauen.

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