Nun gut, so wie gestern angekündigt, erfolgt hier jetzt die Auflistung der realen Bruttobesoldungsentwicklung eines niedersächsischen Landesbeamten analog dem von MoinMoin und mir bislang als Beispiel herangezogenen A13Z‘ler, der die letzte Erfahrungsstufe (der Stufe 12) erreicht hat und keine weiteren Zuschläge erhält (das Faktum, dass es praktisch unmöglich ist, dass ein Kollege 17 Jahre in der letzten Dienstalters- bzw. Erfahrungsstufe verbliebe, ohne zwischenzeitlich pensioniert worden zu sein, wird nachfolgend vernachlässigt; um die Entwicklung statistisch zu erfassen, benötigt man ein unverändertes Datum). Ich werde zur Berechnung und historischen Entwicklung – sofern nötig – hier jeweils ein paar Zeilen schreiben (wodurch der Beitrag recht lang wird). Wen vor allem das reine Ergebnis interessiert, der betrachtet den letzten Absatz dieses Beitrags oder überspringe einfach diesen Beitrag und betrachte den nächsten, in welchem ich ohne weitere Kommentare die monetäre und prozentuale Entwicklung der realen Bruttobesoldung seit 2002 aufliste.
Nun gut, zunächst zum Zeitraum: Das Jahr 2002 sollte die Grundlage sein, weil es das letzte war, in dem noch die sogenannte Besoldungseinheit gegolten hatte. Denn im Sommer 2003 kündigte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), die Arbeitgebervertretung der Länder, einseitig die Sonderzahlungstarife (also: die bundeseinheitlichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldsgeldtarife) für Landesbeamte. Die Kündigung war möglich, weil Sonderzahlungen als punktuelle Beiträge nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählen.
Mit der einseitigen Kündigung der Sonderzahlungstarife machten es die Arbeitgebervertreter den Arbeitnehmervertretungen unmöglich (das war das Ziel der Arbeitgeber), weiterhin über bundeseinheitliche Tarife zu verhandeln. Dadurch konnten die Länder jeweils selbstständig über die Sonderzahlungen in ihrem Land entscheiden, was ab 2003 ausnahmslos alle (genauso wie der Bund zunächst auch) zur Entlastung ihres jeweiligen Haushalts nutzten (hier liegt übrigens ein gewichtiger weiterer historischer Grund für gewachsene Ängste der Gewerkschaften und Verbände, die TdL zeigte 2003, dass sie die Salamitaktik beherrscht und dass sie sie zukünftig erneut anwenden könnte; nicht umsonst scherte Hessen bereits 2003 aus der TdL aus, Niedersachsen hat zwischen 2014 und 2018 die Besoldungsgesetze ohne Beachtung der Tarifergebnisse beschlossen; die Gewerkschaften und Verbände wollen unter allen Umständen weitere Vereinzelungen verhindern, das dürfte richtig sein, schränkt allerdings ihre Verhandlungsposition nicht unerheblich ein).
2002 betrug das sogenannte Weihnachtsgeld bundeseinheitlich 86,31 Prozent eines Monatsgehalts (1994 war es bundeseinheitlich auf den Wert von 1993 eingefroren worden; der gleiche Prozess, der durch die aktuelle Tarifeinigung bei den Tarifbeschäftigten nun zur (versteckten) Absenkung der Entlohnung erfolgt). Das sogenannte Urlaubsgeld betrug für die Besoldungsgruppe A13 bundeseinheitlich 255,65 Euro. Unser niedersächsischer Beamter dieser Besoldungsgruppe wurde 2002 in der letzten Dienstaltersstufe brutto mit nominal 49.352,12 Euro besoldet. Nominal bedeutet, dass der Verbraucherpreisindex – also vereinfacht: die Inflationsrate, also die jährliche Geldentwertung – nicht beachtet wird. Im Jahr 2018 wurde der gleiche niedersächsische Landesbeamte brutto mit nominal 61.472,21 Euro besoldet. Die Besoldung stieg in den 17 Jahren zwischen 2002 und 2018 nominal also um 24,56 Prozent, also um rund 1,5 Prozent pro Jahr, was sich erst einmal erfreulich anhört.
Die Betrachtung der Nominalwerte hat aber, betrachtet man die Realität, keinen großen Wert, da sie ja die Geldentwertung vernachlässigt. Die Inflationsrate betrug im Jahr 2002 1,4 Prozent (hier wie im folgenden benutze ich die Werte für die gesamte Bundesrepublik, da ich nicht für alle Jahre den niedersächsischen Verbraucherpreisindex gefunden habe). Die reale Bruttobesoldung unseres Beamten betrug also im Jahr 2002 98,62 Prozent der Nominalbesoldung (100 x 100 / 101,4), also 48.670,73 Euro. Dieser reale Bruttobesoldungswert wird nun zur Grundlage der weiteren Betrachtung herangezogen. Er ist die Basis, der Ausgangspunkt, der weiteren Berechnungen, wird also als Prozentwert 100 gesetzt.
Im Jahr 2003 gewährte das Land Niedersachsen unserem Beamten eine um sechs Monate verzögerte Besoldungserhöhung von 2,4 Prozent (also eine, auf‘s Jahr gesehen, tatsächliche Erhöhung um 1,2 Prozent). Zugleich wurde weiterhin das Urlaubsgeld gewährt, das Weihnachtsgeld wurde allerdings auf 65 Prozent eines Monatsgehalts verringert (unter Beibehaltung des Referenzjahrs 1993 hätte es 2003 84,29 Prozent eines Monatsgehalts betragen; es wurde also de facto um rund 20 Prozentpunkte gekürzt). Da die Inflationsrate 1,1 Prozent betrug, verringerte sich die reale Bruttobesoldung gegenüber dem Basisjahr 2002 auf 98,53 Prozent.
2004 erfolgten zwei Besoldungsanpassungen, zum April und August wurde die Besoldung um jeweils ein Prozentpunkt erhöht, gleichzeitig fiel das Urlaubsgeld, und zwar fortgeführt bis heute endgültig weg und wurde das Weihnachtsgeld als feste Pauschale mit 4,17 Prozent in das Monatsgehalt mit eingerechnet (es wurde also de facto auf rund 50 Prozent eines Monatsgehalts gekürzt, also gegenüber 2003 noch einmal um rund 15 Prozentpunkte). Die Geldentwertung stieg ganzjährig um 1,6 Prozent. Die reale Bruttobesoldung verringerte sich nun gegenüber 2002 auf 97,54 Prozent.
Im Jahr 2005 erfolgte keine Besoldungserhöhung und wurde unserem Beamten (bis heute fortgeführt) kein Weihnachtsgeld mehr gezahlt. Da die Inflationsrate 1,6 Prozent betrug, sank die reale Bruttobesoldung auf 93,01 Prozent.
2006 erhielten die Bundesländer im Zuge der Föderalismusreform I die vollständige Gesetzgebungskompetenz über das Besoldungs- und Versorgungsrecht zurück. Es war 1970 mittels Verfassungsänderung auf den Bund übertragen worden, da die vormalige Zuständigkeit im Landesrecht zu einem immer extremeren Wettbewerbsföderalismus zwischen Ländern geführt hatte, der den öffentlichen Dienst zum Teil in schweres Fahrwasser brachte. Ab 1970 galt dann die Tarifeinheit mit ihrer kooperationsföderalistisch befriedenden Wirkung (1975 und 1978 war die bundesweite Vereinheitlichung der Besoldung vollzogen worden).
2006 stellte man nun allerdings den Zustand von vor 1970 wieder her; Wettbewerbsföderalismus war (und ist bis heute) das Credo des Zeitgeists, der öffentliche Dienst geriet von daher wie auch vor 1970 mehr oder minder zwangsläufig in schwere Fahrwasser: Konkurrenz, Qualitäts- und Motivationsverluste, Fachkräftemangel und Verschleiß sind die sichtbaren Folgen, die jedem 2006 als zukünftige Folgen vor Augen stehen mussten, der nicht geschichtsvergessen war – damit schwächte man zugleich auch die Positionen der Gewerkschaften und Verbände noch einmal, da nun jedes einzelne Land mit Blick auf die Besoldung die Macht in eigenen Händen hält. Im gleichen Jahr erfolgte in Niedersachsen erneut keine Besoldungserhöhung, die Geldentwertung vollzog sich mit 1,5 Prozent, die reale Bruttobesoldung fiel gegenüber 2002 auf 91,6 Prozent.
Im Jahr 2007 erfolgte ein weiteres Mal keine Besoldungserhöhung, wenige Wochen vor der Landtagswahl wurde unserem Beamten allerdings von der schwarz-gelben Regierungsmehrheit im Landtag eine einmalige Sonderzahlung von 860 Euro gewährt; sie hellte den Verfall der realen Bruttobesoldung etwas auf, konnte allerdings nicht verhindern, dass diese bei einer Inflationsrate von 2,3 Prozent auf 91,18 Prozent gegenüber dem Basiswert von 2002 fiel.
2008 erfolgte zum Januar eine Besoldungserhöhung von drei Prozent, welche den Verfall der realen Bruttobesoldung in Niedersachsen deutlich verlangsamte, jedoch noch nicht zur Umkehr des Verfallsprozesses führte. Die reale Bruttobesoldung lag mit 89,92 Prozent gegenüber 2002 um mehr als zehn Prozentpunkte niedriger als noch sechs Jahre zuvor. Die reale (also die Inflationsrate mit einbeziehende) Bruttobesoldung war vergleichend von 48.670,73 Euro auf 43.763,44 Euro, also um knapp 5.000 Euro, gesunken (nominal war sie von 49.352,12 Euro 2002 auf 49.338,72 Euro gesunken). Damit war die Talsohle erreicht.
Denn 2009 erfolgte eine – wenn auch um zwei Monate zeitverzögerte – Besoldungserhöhung um weitere drei Prozent (auf‘s ganze Jahr gesehen also um 2,5 Prozent), die insofern deutlichere Wirkung zeigte, weil die Inflationsrate nur bei 0,3 Prozent lag. Die reale Bruttobesoldung stieg auf 92,27 Prozent, einem Wert, bei dem sie in den nächsten vier Jahren weitgehend verharrte. Denn die erneut um zwei Monate zeitverzögerte Besoldungserhöhung um 1,2 Prozent ließ sie 2010 bei einer Inflationsrate von 1,1 Prozent auf 92,69 Prozent steigen; während die wiederum um zwei Monate zeitverzögerte Besoldungserhöhung 2011 mitsamt einer Einmalzahlung von 360 Euro die reale Bruttobesoldung weiterhin bei 92,63 Prozent stagnieren ließ (sie lag nun nominal knapp 3.600 Euro höher, real – also tatsächlich – allerdings knapp 3.600 Euro niedriger als 2002), was sich auch 2012 trotz einer nicht zeitverzögerten Besoldungsanpassung von 1,9 Prozent nicht änderte, da die Inflationsrate bei 2,0 Prozent lag. Die reale Bruttobesoldung fiel gegenüber 2002 auf 92,6 Prozent.
Seitdem ist sie nun – mehr oder minder kontinuierlich – angestiegen. 2013 lag sie nach einer Besoldungserhöhung von 2,65 und einer Inflationsrate von 1,5 Prozent real um noch rund 3.100 Euro niedriger als 2002 (93,64 Prozent). 2014, als die Zeitverzögerung der Besoldungserhöhung wie auch in den nächsten Jahren bis einschließlich 2018 fünf Monate betrug, erfolgte eine nominale Besoldungserhöhung um 2,95 Prozent (auf‘s ganze Jahr gesehen also um 1,72 Prozent), während die Inflationsrate nur 0,9 Prozent betrug. Die reale Bruttobesoldung lag nun bei 94,41 Prozent gegenüber 2002. Auch 2015 und 2016 lag die Inflationsrate mit 0,3 und 0,5 Prozent sehr niedrig, während die Besoldung nominal um 2,5 und 2,0 (real also um 1,46 und 1,17) Prozent stieg, sodass sich der Abstand zur realen Bruttobesoldung von 2002 weiter verringerte, nämlich auf 96,65 und 98,29 Prozent. 2016 lag sie real noch gut 1.400 Euro niedriger als 2002.
2017 und 2018 stieg die Inflationsrate wieder, nämlich auf 1,5 und 1,8 Prozent, gleichzeitig wurde die Bruttobesoldung nominal erneut um 2,5 und 2,0 Prozent erhöht, die reale Bruttobesoldung näherte sich noch einmal dem Wert von 2002 an, sie lag ihm gegenüber nun bei 99,05 bzw. 99,45 Prozent. Im Moment liegt die reale Jahresbruttobesoldung also noch um knapp 270 Euro niedriger als 2002. Es gilt insofern weiterhin das aktuelle Färber-Zitat, das ich gerne benutze, weil es die Realität schlagend auf den Punkt bringt, nämlich dass „die Beamtenbezüge und hier insbesondere die höheren Besoldungsgruppen noch nicht oder gerade erst wieder auf dem Reallohnniveau von 2003“ angelangt seien.
Fasst man die Ergebnisse zusammen, indem man nun berechnet, um welchen Gesamtbetrag die Besoldung höher gelegen hätte, wenn die reale Bruttobesoldung von 2002 bis 2018 mit einem Inflationsausgleich (also ohne reale Bruttoerhöhung) fortgeführt worden wäre, dann kommt man auf einen Wert von: 42.095,95 Euro. Das entspricht in etwa 86,5 Prozent der realen Bruttobesoldung des Jahrs 2002 von 48.670,73 Euro – oder anders ausgedrückt: Die Einsparung beträgt in den 16 Jahren jährlich durchschnittlich 5,4 Prozent – oder noch einmal anders ausgedrückt: Das Gehalt unseres Beamten ist seit 2002 bis 2018 pro Jahr im Durchschnitt um 5,4 Prozentpunkte gekürzt worden.