Autor Thema: Nebentätigkeit  (Read 4591 times)

mawo

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Nebentätigkeit
« am: 27.03.2019 05:43 »
Hallo!

Ich arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni (TV-L 13/3, 100%) und habe nun ein Angebot für eine Nebentätigkeit in einer Firma bekommen. Geplant sind 4-6 Stunden/Woche über ca. 6 Monate. Die Nebentätigkeit habe ich bereits beim Arbeitgeber angezeigt und wurde auch genehmigt.

Die Arbeit in der Firma bekomme ich vergütet und wird über 450€ liegen. Ich gehe davon aus, dass ich damit in der Steuerklasse 6 bin? Wird mein TV-L Gehalt mit den >450€ zusammengerechnet oder wie muss ich mir das vorstellen? Was wäre steuerlich mit dem zusätzlichen Einkommen am besten? Die Firma ist hinsichtlich der Art des Vertrages (z.B. weniger Stunden pro Monat über einen längeren Zeitraum) recht flexible und überlässt mir die Entscheidung.
Hat jemand damit bereits Erfahrungen gemacht ?

Spid

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #1 am: 27.03.2019 08:37 »
Neben dem Umstand, daß eine Genehmigung des AG überhaupt nicht erforderlich ist, wo genau soll bei der Fragestellung der Bezug zum TV-L gegeben sein?

MoinMoin

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #2 am: 27.03.2019 09:01 »
Hat jemand damit bereits Erfahrungen gemacht ?
Ist schon lange her, aber hier mein Halbwissen:
Du kannst das ganz als 450€ Job machen, darfst durchaus in ein paar Monaten drüber liegen, aber im jahresgesamt halt nicht. (Damit sparst du und dein zweit AG Steuern und Sozialabgaben)

Du kannst es kannst es mit "zweiter Steuerkarte" machen, also ganz normal als Lst 6 anmelden, dann werden Sozialabgaben etc. ganz normal abgezogen. Hast dann halt was für die Rente.
Nur die Lst scheint extrem hoch, gleicht sich dann aber via Est ERklärung aus.

Du kannst einen Werkvertag machen, dann biste halt "selbstständig" und kannst die Aufwände (Fahrtkosten, Material, etc. steuerlich geltend machen.)

TheITGuy

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #3 am: 27.03.2019 09:22 »
Du kannst einen Werkvertag machen, dann biste halt "selbstständig" und kannst die Aufwände (Fahrtkosten, Material, etc. steuerlich geltend machen.)

Hier wäre zu prüfen, um welche Tätigkeit es sich eigentlich handelt. Falls es sich nicht um einen Katalogberuf handelt und die Tätigkeit daher nicht als "freiberuflich" zu werten ist, müdet das in einem Gewerbe und den damit recht aufwendig Extraarbeiten.

Unabhängig von der Rechtsform und der einkommenssteuerlichen Betrachtung ist aber immer auch eine umsatzssteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Betrachtung notwendig.

Alle drei Themen können zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ich war als Freiberufler jahrelang in der Rentenversicherung "pflichtversichert auf Antrag" und nach der Gründung einer GmbH als geschäftsführender Gesellschafter plötzlich zwar im Einkommenssteuerrecht Arbeitnehmer, aber im Sozialrecht wieder ein Selbstständiger ohne Versicherungspflicht.

Die örtliche IHK bietet hierzu meist kostenlose Gründerberatungen an.

Vermutlich ist nach meinen Ausführungen aber das Interesse an einer Selbstständigkeit eher gering.... :)

MoinMoin

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #4 am: 27.03.2019 09:32 »
Unabhängig von der Rechtsform und der einkommenssteuerlichen Betrachtung ist aber immer auch eine umsatzssteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Betrachtung notwendig.
Nun, bei den geringen Umsätzen eher irrelevant.
Natürlich käme da noch die Scheinselbstständigkeit als Thema, aber auch erst nach einer gewissen Zeit.

TheITGuy

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #5 am: 27.03.2019 09:50 »
Nun, bei den geringen Umsätzen eher irrelevant.

Das kann man leider so pauschal nicht sagen. Wer kommt schon auf die Idee, dass ein freiberuflicher Dozent an der VHS und ein freiberuflicher Physiotherapeut Rentenversicherungspflicht ist, ein freiberuflicher Sachverständiger aber nicht. Und da diese RV-Last vom AN in voller Höhe getragen werden muss, sind das dann mal eben 20 % weniger Einkommen.

Auch umsatzssteuerrechtlich geht das FA erstmal von einer normalen Usteuer-Pflicht aus. Sollte die nicht vorliegen (z.B. weil mein steuerbefreite Leistungen erbringt) oder die Kleinunternehmer-Regelung angewendet werden, muss man dies vorher dem FA mitteilen.

Die DRV ist zu Außenprüfungen verpflichtet und führt diese aus gnadenlos durch. Innerhalb meiner 7 Jahre GmbH wurde ich dreimal (!!!) geprüft. Zweimal auf Abgaben zur Künstersozialkasse (die sind übrigens auch Freuberufler) und einmal nach Arbeitnehmerüberlassung und Mindestlohn. Sollte die DRV hier Probleme feststellen, muss sie das auch gegen die anderen verfolgen.

Ein befreunde Dozentin von mir musste FÜNF Jahre Rentenversicherung nachzahlen, nach dem die DRV eine VHS geprüft hat und danach jeden einzelnen Dozenten, von denen sie Rechnungen gefunden hat, noch mal einzeln überprüft hat.

Mein Steuerberater hat mir erklärt, dass die DRV in einem Jahr bei ihm strenger prüft, mehr findet und mehr verfolgt als das FA es in 10 Jahren tut.

Und nicht vergessen, dass es auch noch andere Stolperstellen gibt. Die Nebentätigkeit als Selbständiger ist natürlich nicht von der Privat-Haftplicht gedeckt, meist auch nicht von der eigenen BU (Anzeige von Änderung von Berufstätigkeit kann eine Obliegenheitspflicht sein!) oder Unfallversicherung. Eine betriebliche Unfallversicherung muss man extra abschließen, sonst gibt es bei diesen Dingen auch keinen anderen Versicherungsschutz. Das sind Dinge, die muss natürlich jeder selbst wissen und bewerten, aber sie werden oft übersehen.


Ich will auch nicht sagen, dass das alles nicht geht oder sich irgendwie lösen lässt. Aber ein Laie ist da mit faktisch so überfordert, dass er ohne einen teuren Berater schnell in böse Fallen läuft.

Der Bürokratiewahnsinn war einer der beiden Gründe, der mich am Ende zur Aufgabe meiner selbständigen Tätigkeit gebracht hat.

MoinMoin

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #6 am: 27.03.2019 10:46 »
Nun, bei den geringen Umsätzen eher irrelevant.

Das kann man leider so pauschal nicht sagen. Wer kommt schon auf die Idee, dass ein freiberuflicher Dozent an der VHS und ein freiberuflicher Physiotherapeut Rentenversicherungspflicht ist, ein freiberuflicher Sachverständiger aber nicht. Und da diese RV-Last vom AN in voller Höhe getragen werden muss, sind das dann mal eben 20 % weniger Einkommen.
Daher mein Aussage Werkvertrag. Das geht mEn nicht bei den von dir genannten Tätigkeiten und scheint mir da einfacher zu sein.

TheITGuy

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #7 am: 27.03.2019 11:23 »
Die Vertragsform dürfte für die rechtliche Betrachung des Auftragsnehmers am Ende nur eine untergeordnete Rolle spielen, sonst würde das ja einfach jeder so machen.

Ich habe im Privatbereich im Sportverein gerade einen Fall eines Dienstvertrags, den die DRV anzweifelt und von einer Arbeitnehmer-Tätigkeit ausgeht. Mit so hanebüschenen Begründungen, dass sie sogar vom Richter der ersten Instanz "ausgelacht" worden sind. Trotzdem wird das demnächst vorm Landessozialbericht verhandelt, weil die DRV nicht aufgibt.


DiVO

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #8 am: 27.03.2019 12:28 »
Wir hatten kürzlich eine Überprüfung der DRV bei einer Erzieherin, die auf eigenen Wunsch auf selbstständiger Basis drei Wochen lang mit wenigen Stunden in einer unserer Einrichtungen im Einsatz war.

Punkte, die gegen eine Selbstständigkeit sprechen sind z.B.:
- Integration in Betriebsablauf
- Weisungsgebundenheit durch Vorgesetzten (Arbeitgeber)
- Schulden der Arbeitskraft
- Vorgaben zum Arbeitsort
- Verpflichtung der Ausführung der Tätigkeit
- Nutzung/ Beschaffung eigener Arbeitsmittel
- Ablehnen von Aufträgen möglich

MoinMoin

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #9 am: 27.03.2019 14:49 »
Die Vertragsform dürfte für die rechtliche Betrachung des Auftragsnehmers am Ende nur eine untergeordnete Rolle spielen, sonst würde das ja einfach jeder so machen.

Ich habe im Privatbereich im Sportverein gerade einen Fall eines Dienstvertrags, den die DRV anzweifelt und von einer Arbeitnehmer-Tätigkeit ausgeht. Mit so hanebüschenen Begründungen, dass sie sogar vom Richter der ersten Instanz "ausgelacht" worden sind. Trotzdem wird das demnächst vorm Landessozialbericht verhandelt, weil die DRV nicht aufgibt.
Werkvertrag ungleich Dienstvertrag dachte ich bisher. Aber wie gesagt, habe ich mich darum schon lange nicht mehr gekümmert. Und wahrscheinlich früher alles Falsch gemacht und keiner hat es bemerkt :-X

Und DRV scheint ja genug Geld zu haben für solche Klamotten.

TheITGuy

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Antw:Nebentätigkeit
« Antwort #10 am: 28.03.2019 11:04 »
Klar sind Werkvertrag und Dienstvertrag zwei unterschiedliche Dinge - aber nur im Vertragsrecht. Der Werkvertrag schuldet ein Ergebnis (= das fertige Programm), der Dienstvertrag nur eine Leistung ohne Ergebnis (=die Fehlersuche im defekten Programmcode, ohne verpflichtende Lösung).

Die DRV interessiert sich aber immer für die praktische Ausgestaltung und die tatsächliche Umsetzung der Beschäftigungsverhältnisses. Dabei geht sie mit der Interpretation bis rein in die unternehmerische Freiheit.

So unterstellt sie bei einem Unternehmer, der nur einen Kunden hat gerne mal Scheinselbständigkeit. Dabei ist es das unternehmerische Risiko und die Freiheit, sich nur einem einem Kunden abhängig zu machen. Bei diesem Vertragsverhältnis ist es dabei sehr wichtig, möglichts keine anderen Kriterien zu erfüllen - siehe Liste von DiVO.

Aber ja, die DRV prüft mittlerweile deutlich strenger, hat mein Steuerberater auch bestätigt. Meine GmbH wollten sie sogar nach Löschung noch prüfen. Erst der dezente Hinweis, dass sie gerne prüfen können, aber niemanden mehr finden werden, der das Ergebnis in Empfang nimmt und umsetzt, brachte sie davon ab. Na ja, und mein Steuerberater (den ich auch privat kenne) hat ihnen verklickert, dass sie dann natürlich auch seine Rechnung bezahlten müssten, die GmbH kann das nicht mehr.