Autor Thema: Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16  (Read 15042 times)

steffen

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Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« am: 03.04.2019 11:18 »
Mit dem oben genannten Urteil wurde einer Geschäfststellenmitarbeiterin die E9 zugesprochen.

In allen Bundesländern liegen nunmehr Anträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor auf eine Höhergruppierung. Bisher hat kein Bundesland solch einem Antrag statt gegeben, mit dem Verweis, dass die Tarifparteien dies klären wollen.

Kennt jemand diesbezüglich den Sachstand, oder ist alles nur eine Hinhaltetaktik der Länder


Gruß

Micha1974

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #1 am: 03.04.2019 11:57 »
Mit dem oben genannten Urteil wurde einer Geschäfststellenmitarbeiterin die E9 zugesprochen.

In allen Bundesländern liegen nunmehr Anträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor auf eine Höhergruppierung. Bisher hat kein Bundesland solch einem Antrag statt gegeben, mit dem Verweis, dass die Tarifparteien dies klären wollen.

Kennt jemand diesbezüglich den Sachstand, oder ist alles nur eine Hinhaltetaktik der Länder


Gruß

Hallo.

Laut einem Schreiben von Ver.di laufen erste Klagen.

Hier ist einmal ein Zitat aus dem Schreiben:

"Im Übrigen sind nach dem ergangenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts in dem Anlass gebenden Fall einer Justizbeschäftigten beim Bundesverwaltungsgericht im Nachgang dort bereits alle Service-/Geschäftsstellenkräfte bis Ende des Jahres 2018 entsprechend in die „kleine“ Entgeltgruppe 9 TV-L höhergruppiert worden."

Warten wir einmal ab was passiert.....

Grüße der
Micha

Wastelandwarrior

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #2 am: 04.04.2019 12:04 »
Das inhaltlich dazu passende Zitat aus dem Einigungspapier der Tarifrunde lautet:

"II. Eingruppierung
1. Arbeitsvorgang (§ 12 TV-L)
Zur Sicherstellung einer differenzierten Eingruppierung anhand des zeitlichen
Umfangs, in dem eine bestimmte Anforderung (z. B. Schwierigkeit, Verantwortung)
innerhalb der auszuübenden Tätigkeiten erfüllt sein muss (Hierarchisierung),
werden die Tarifvertragsparteien unmittelbar nach der Redaktion Gespräche
aufnehmen."


steffen

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #3 am: 04.04.2019 16:49 »
Diese schwammige Aussage kenne ich. Die Frage ist nun wie lange es dauert. In MV wurde die Parole ausgeben mindestens bis zum Ende des Jahrs zu warten bevor man selbst Klage einreicht.

Ich verstehe nicht was an dem Urteil nicht eindeutig ist.

Micha1974

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #4 am: 05.04.2019 06:49 »
Mit dem oben genannten Urteil wurde einer Geschäfststellenmitarbeiterin die E9 zugesprochen.

In allen Bundesländern liegen nunmehr Anträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor auf eine Höhergruppierung. Bisher hat kein Bundesland solch einem Antrag statt gegeben, mit dem Verweis, dass die Tarifparteien dies klären wollen.

Kennt jemand diesbezüglich den Sachstand, oder ist alles nur eine Hinhaltetaktik der Länder


Gruß

Hallo.

Laut einem Schreiben von Ver.di laufen erste Klagen.

Hier ist einmal ein Zitat aus dem Schreiben:

"Im Übrigen sind nach dem ergangenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts in dem Anlass gebenden Fall einer Justizbeschäftigten beim Bundesverwaltungsgericht im Nachgang dort bereits alle Service-/Geschäftsstellenkräfte bis Ende des Jahres 2018 entsprechend in die „kleine“ Entgeltgruppe 9 TV-L höhergruppiert worden."

Quelle: Auszug aus ver.di-Bundesverwaltung 19. März 2019
Tarifsekretariat für den öffentlichen Dienst


Warten wir einmal ab was passiert.....

Grüße der
Micha

Wastelandwarrior

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #5 am: 05.04.2019 08:42 »
Ich verstehe nicht was an dem Urteil nicht eindeutig ist.
Das BAG definiert den Begriff "Arbeitsvorgang" anders, als die Tarifvertragsparteien (ja, auch die Gewerkschaften, auch wenn sie das aktuell ausblenden) beabsichtigt haben. Das darf es aber nicht. Als Beispiele für Arbeitsvorgänge sind in der Protokollerklärung (die geltendes Tarifrecht ist) z.B. "Erstellung eines EKG" genannt. Im Rahmen der Rechtsprechung des BAG würde das bei einer MTA z.B. aber regelmäßig in einem großen Arbeitsvorgang aufgehen. Was gegen den Willen der Tarifvertragsparteien wäre. Im Kern geht es darum, das die TV-Parteien einen konkreten Vorgang als Arbeitsvorgang definieren wollten, das BAG aber rechtswidrig einen abstrakten zu Grunde legt.

Spid

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #6 am: 05.04.2019 09:05 »
Natürlich darf es das! Ist eine tarifliche Bestimmung auslegungsbedürftig, muß es den Willen der Tarifvertragsparteien erforschen, und zwar nicht etwa anhand derer anderweitiger Verlautbarungen, sondern anhand des Tarifvertrages selbst. Dazu gehört auch die genannte Protokollerklärung, in der aber sowohl konkrete als auch abstrakte (Bearbeitung Aktenvorgang bis Unterschriftsreife, Pflege einer Person) Tätigkeiten als Arbeitsvorgang genannt werden.

Wastelandwarrior

  • Gast
Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #7 am: 05.04.2019 09:26 »
Bearbeitung EINES Aktenvorgangs... (Zahlwort, kein unbestimmter Artikel)

Aber korrekt: die Pflege einer Person ist mißverständlich.

Im Kontext mit den Zeitanteils-Merkmalen macht eine abstrakte Denkweise auch keinen Sinn.

Spid

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #8 am: 05.04.2019 09:32 »
Neben dem Umstand, daß nichts darauf hindeutet, daß es sich um ein Zahlwort handelt, wäre dies ohnehin unbeachtlich. Aktenvorgang ist bereits an sich abstrakt. Zudem sind wiederkehrende gleichartige Arbeiten, die die gleichen Einzeltätigkeiten umfassen und das gleiche Arbeitsziel haben, bei gleicher rechtlicher Wertigkeit ohnehin jeweils grundsätzlich zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen.

Wastelandwarrior

  • Gast
Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #9 am: 05.04.2019 09:51 »
Der Unterschied der Sichtweise wird in folgendem Beispiel klar:

Jemand in der Wohngeldsachbearbeitung hat 400 Fälle pro Jahr. Davon sollen unstrittig 50 Fälle mit "selbständigen Leistungen" einhergehen. Für diese Fälle wird die doppelte Bearbeitungszeit benötigt.

Das BAG würde daraus in der Regel ableiten: 1 Arbeitsvorgang (100% mit 400 Fällen, unter denen im rechtserheblichen Umfang ausreichende selbständige Leistungen vorkommen) = EG 9a (neu)

Bei echter organisatorischer Trennung möglicherweise 2 Arbeitsvorgänge, wobei der erste die 350 "einfachen" beinhaltet und der zweite die 50 "schwierigen". Zeitanteile wären 8/9 und 1/9. Ergebnis EG 6

Richtig ist aber: es sind 400 Arbeitsvorgänge. wobei die einfachen "350" und die schwierigen "50" für die Gesamtbetrachtung (!!) zeitanteilsmäßig zu addieren sind. Ergebnis EG 6. Die Zusammenziehung VOR Feststellung der Wertigkeit ist dagegen unsystematisch, weil diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht und bei der eigentlichen Bildung der Arbeitsvorgänge außen vor zu bleiben hat.

Wastelandwarrior

  • Gast
Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #10 am: 05.04.2019 10:29 »
Zeitanteile müssen natürlich 7/9 und 2/9 heissen. (350/450 und 100/450)  :)
Scheinbar benötigt mein Gehirn für Kopfrechnen erst Kaffee.

Ergebnis bleibt aber.

Spid

  • Gast
Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #11 am: 05.04.2019 10:42 »
Daran ist nichts unsystematisch. Das BAG nimmt lediglich eine ex-ante-Perspektive auf den Arbeitsvorgang mit dem Ziel eines spezifischen Arbeitsergebnisses ein. So zwischen Beginn des Arbeitsvorgangs und dessen Arbeitsergebnis als natürlichem Ende Einzeltätigkeiten unterschiedlicher Schwierigkeit liegen können, sind diese für die Gesamtheit anzunehmen. Daß eine Tarifpartei darüber tieftraurig ist, ist mir klar - das ist aber tariflich unbeachtlich.

Wastelandwarrior

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #12 am: 05.04.2019 10:50 »
Wir werden das Ergebnis dieses unheimlich spannenden Vorgnags beobachten können. Wobei 2 der Richter des 4. Senats, die diese Sichtweise geprägt haben, nicht mehr im Dienst sind und gerade erst ein anderer Senat vom BVerfG zurückgepfiffen wurde. ;)

Spid

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #13 am: 05.04.2019 10:57 »
Ich würde angesichts der aktuellen Besetzung nicht von einer Änderung der Rechtsprechung ausgehen.

marco.berlin

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Antw:Urteil Bundesarbeitsgericht 4 AZR 816/16
« Antwort #14 am: 05.04.2019 22:32 »
Der Unterschied der Sichtweise wird in folgendem Beispiel klar:

Jemand in der Wohngeldsachbearbeitung hat 400 Fälle pro Jahr. Davon sollen unstrittig 50 Fälle mit "selbständigen Leistungen" einhergehen. Für diese Fälle wird die doppelte Bearbeitungszeit benötigt.

Das BAG würde daraus in der Regel ableiten: 1 Arbeitsvorgang (100% mit 400 Fällen, unter denen im rechtserheblichen Umfang ausreichende selbständige Leistungen vorkommen) = EG 9a (neu)

Bei echter organisatorischer Trennung möglicherweise 2 Arbeitsvorgänge, wobei der erste die 350 "einfachen" beinhaltet und der zweite die 50 "schwierigen". Zeitanteile wären 8/9 und 1/9. Ergebnis EG 6

Richtig ist aber: es sind 400 Arbeitsvorgänge. wobei die einfachen "350" und die schwierigen "50" für die Gesamtbetrachtung (!!) zeitanteilsmäßig zu addieren sind. Ergebnis EG 6. Die Zusammenziehung VOR Feststellung der Wertigkeit ist dagegen unsystematisch, weil diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht und bei der eigentlichen Bildung der Arbeitsvorgänge außen vor zu bleiben hat.

Ich sehe keine Entscheidung des BAG die zum Thema Wohngeldsachbearbeiter aktueller und vorallem abweichend zur Endscheidung Urteil des BAG vom 23.09.2009 – 4 AZR 308/08 – wäre. In derEntscheidung hatte das BAG festgestellt, dass eine Trennung zwischen einfachen und schweren Vorgängen gerade nicht möglich ist und demnach (neu) nach E9a eingruppiert ist. Oder hab ich da was verpasst.