Nun wäre zu diskutieren, was "Praxis" in diesem Kontext bedeutet. Als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsfähig und -bedürftig. Die Annahme, dass eine bislang hervorragende praktische Ausübung der auf dem Dienstposten zu erledigenden Aufgaben diesen Ausnahmetatbestand erfüllt, halte ich nicht für fernliegend.
Was soll ich dazu nun sagen? Ich gebe auf, manche Leute wollen es einfach nicht verstehen …
Der im Sachverhalt genannte Bewerber hätte diese Rechtsauffassung gerichtlich im Rahmen einer Konkurrentenklage überprüfen lassen können. Dieser Möglichkeit hat er sich durch Rücknahme seiner Bewerber natürlich selbst beraubt.
Sind Sie auch schon einmal auf die Idee gekommen, dass besagter Bewerber gar nicht egoistisch motiviert handeln könnte, sondern dass es ihm lediglich darum geht, auf allgemeine Missstände hinzuweisen? Vielleicht liegt es ja überhaupt gar nicht in seinem Interesse, sich auf irgendeinen Posten zu klagen, sondern vielleicht will er ja bestimmten federführenden Akteuren in besagter Kommission einfach nur ein Zeichen setzen: So nicht, liebe Leute, auch Ihr müsst Euch an bestehendes Recht und Gesetz halten!!!
Wobei wir wieder bei dem moralischen Aspekt sind …
Eine Bewerbung auf eine Professur ist nicht zu vergleichen mit der Bewerbung auf die Stelle eines Pizzabäckers oder Frisörs. Allein ein gutes Forschungskonzept sowie ein gutes Lehrkonzept zu entwickeln ist mit einem beträchtlichen Zeitaufwand verbunden. Hinzu kommt eine Lehrveranstaltung vorzubereiten, inkl. anschließender Diskussion mit Studenten und Kommissionsmitgliedern, ggf. einen anschließenden Fachvortrag … und das häufig mit speziellen und durch die Kommission vorgegebenen Themen. Dann das eigentliche Bewerbungsgespräch, ...
Sie können da ja gerne mal eine Umfrage starten bei Professoren oder Leuten, die es werden wollen, macht man das richtig und ohne Vitamin B, dann sind mehrere Wochen Vollzeit (mindestens 2, aber durchaus auch 3, 4 oder mehr …) da keine Seltenheit!!!
So, und nun zum Punkt: Wenn man da nun noch so ca. 4-8 Leute zum „Vorsingen“ einlädt und diese die oben genannte Zeit investieren, weil sie sich eine reelle Chance ausrechnen, in Wahrheit die Stelle aber schon unter der Hand vergeben ist, dann ist das meiner ganz persönlichen Meinung nach eine RIESIGE SAUEREI den 4-8 anderen Bewerben gegenüber … und dazu stehe ich auch!!!
Und wer das nicht erkennt, der hat in der Tat ein moralisches Problem!!!
Und auch wenn hier argumentiert wird, dass es völlig legitim ist, auf diese Weise Bestandspersonal weiterzuqualifizieren oder auf eine bestimmte Stelle hinzuentwickeln, dann impliziert das letztlich dennoch, dass die bestehende Stelle bereits effektiv vergeben ist und somit bleibt es auch immer noch eine riesige Ungerechtigkeit den 4-8 anderen Bewerben gegenüber.
Einige erkennen das Spiel und ziehen die entsprechenden Konsequenzen, andere verschwenden eben ein paar Wochen ihrer Zeit … wer sonst nichts zu tun hat …