Ich finde es sehr viel, dass 4 von 10 Klagen (teilweise) erfolgreich sind. Keine zivile Firma könnte es sich leisten soviele Klagen zu verlieren. Mir stellt sich jetzt die Frage: Warum ist das so?
Finde ich nicht sonderlich viel. Zum einen unterscheidet die Statistik nicht, in welchem Grad eine Klage erfolgreich ist. Ein Vergleich, auf den das Gericht ja zu jeder Zeit hinwirken soll, zählt genauso als Erfolg wie eine 100%ige Stattgabe.
Zum andere muss man sich die Materie angucken, um die es geht. In den meisten anderen Bereichen des öffentlichen Rechts ist viel mit Ermessen zu arbeiten. Selbst in der Sozialhilfe (SGB XII) ist die Ausgestaltet der Leistungen viel mit Ermessensausübung verbunden. Der verwaltungsseitige Vorteil von Ermessen ist, dass es gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann. Im SGB II reden wir aber fast vollständig von unbestimmten Rechtsbegriffen, die der vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegen. Ich nehme mal als Beispiel Sanktionen. Von der mir bekannten Rechtsprechung zum Thema Sanktionen befasst sich der größte Teil damit, ob die Rechtsfolgenbelehrung individuell und konkret genug ist. Etwas, was unterschiedlich beurteilt werden kann, je nach dem an welche Kammer man gerät. Das SG Berlin hat schon einmal eine Sanktion aufgehoben, weil ich der Rechtsfolgenbelehrung zu wenige Absätze enthalten waren.
Noch ein Thema: Kosten der Unterkunft. Ein Thema, das in eigentlich jedem Fall aktuell ist. Der Höhe begrenzt das Gesetz die zu übernehmenden Aufwendungen wie folgt: Angemessen. Fragt man zehn Leute danach, was "angemessen" ist, bekommt man zehn verschiedene Antworten. Nicht nur das, RiBSG Knickrehm hat es auch noch geschafft, diesen unbestimmten Rechtsbegriff mit einem halben Dutzend weiteren unbestimmten Rechtsbegriffen zu definieren. Kein Wunder, dass m.W.n. bislang nur die Mietobergrenzen der Städte München und Essen vor dem BSG Bestand hatten. Zumal das BSG selbst es sich einfach macht und bei "Erkenntnisausfall" die Werte der Wohngeldtabelle + 10% Sicherheitsaufschlag anwendet. Als Sozialamtsleiter würde ich ebenfalls die Wohntabelle + 10% nutzen und dem BSG mit seiner Ansicht zur Pflicht der Kommunen, ein "schlüssiges Konzept" aufzustellen, im Übrigen sagen es könne mich mal kreuzweise.
Zu guter Letzt kommt für mich als Praktiker auch ein letzter Punkt hinzu: Die Rechnungsprüfung. Als Budgetverantwortlicher möchte ich mir nicht nachsagen lassen, ich würde meine Mittel verschleudern. § 31 SGB I ist da insoweit eindeutig: Geleistet werden darf nur, wenn es dafür eine Rechtsgrundlage gibt. Ist das strittig, dann lehne ich im Zweifel ab. Leiste ich einfach, dann kann mir dann in einer Rechnungsprüfung auf die Füße fallen. Verurteilt mich das SG zur Leistung, dann kann mir seitens der Aufsicht nicht entgegengehalten werden, ich würde ohne Rechtsgrundlage Gelder auszahlen.
Also angesichts der Unkonkretheit der Gesetze, deren Ausführung des Jobcentern anvertraut ist, finde ich 40% (Teil-)Erfolgsquote nicht viel.