Hier die Daten:
Das Bundesverfassungsgericht legt regelmäßig die Nettoalimentation einer vierköpfigen Familie mit einem verbeamteten Alleinverdiener zugrunde. Die Netto-Einstiegsbesoldung eines bayerischen Landesbeamten der Besoldungsgruppe A 6 beträgt inklusive Sonderzahlungen sowie Familien- und Kinderzuschläge 32.200,42 € (vgl.
http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern-2019&g=A_6&s=1&f=3&z=100&zulageid=10.1&zulage=&stj=2019&stkl=3&r=0&zkf=0). Amts- und Stellenzulagen werden nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Betrachtung nicht hinzugezogen, da es um den Ausweis als Mindestalimentation geht. Von dieser Grundbesoldung sind nach der Methodik des Bundesverwaltungsgerichts 5.092,56 Euro für die PKV abzuziehen sowie 4.776,- Euro Kindergeld hinzuzuaddieren. Als Ergebnis liegt also eine Mindestalimentation von 31.883,86 Euro vor.
Die sozialhilferechtliche Regelleistung für zwei Erwachsene beträgt 9.168,- Euro, für zwei Kinder 6.912 Euro, die Bedarfspauschale für Bildung und Teilhabe 456,- Euro. Diese Werte sind unstrittig. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts müssen Unterkunftskosten der Mietenstufe VI hinzuaddiert werden, was einem Gegenwert von 10.548,- Euro entspricht, sowie der Ausgleich von jährlichen Heizkosten in Höhe von 1.870,- Euro. Das Grundsicherungsniveau beträgt innerhalb der Bundesverwaltungsgerichtsmethodik folglich 28.954,- Euro. Die Vergleichsschwelle von 115 Prozent läge demnach bei 33.297,10 Euro.
Innerhalb der vom Bundesverwaltungsgericht dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegten Berechnungsmethodik liegt die Netto-Einstiegsbesoldung eines bayerischen Landesbeamten der Besoldungsgruppe A 6 folglich nur rund 10,1 Prozent oberhalb des sozialhilferechtlichen Existenzminimums – oder als monetärer Wert: Der entsprechende bayerische Beamte müsste – sofern man diese Besoldungsgruppe und nicht die Besoldungsgruppe A 3, die m.E. tatsächlich zugrundegelegt werden müsste – jährlich netto um mindestens 1.413, 24 höher besoldet werden. Legte man die Besoldungsgruppe A 3 zugrunde, würde sich dieser Werte noch einmal recht deutlich erhöhen.
Da das Abstandsgebot als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums unabdingbar einzuhalten ist, müsste sich – sofern das Bundesverfassungsgericht die Methodik des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt – folglich die Alimentation der höheren Besoldungsgruppen weitgehend entsprechend den heutigen prozentualen Abständen erhöhen.
Auf Grundlage dieser Werte wird verständlich, weshalb dem noch für dieses Jahr angekündigten, aber noch nicht terminierten Verfahren 2 BvL 4/18 die allenthalben spürbare Sprengkraft zukommt. Denn zwar behandelt das Verfahren vordergründig die Berliner R-Besoldung der Jahre 2009 bis 2015. Innerhalb des Verfahrens wird das Bundesverfassungsgericht aber – etwas vereinfacht ausgedrückt – unter Betrachtung des Abstandsgebot einen Quervergleich zur A-Besoldung anstellen und damit dann, so ist zu erwarten, über die Berechnungsmethodik des Bundesverwaltungsgerichts befinden. Als Folge sollte dann der zweite Teil des vierten Prüfparameters, den das Bundesverfassungsgericht im November 2015 noch unoperationalisiert einführte, konkret ausgestaltet werden. Danach sollte dann mit Blick auf den Vergleich von Grundsicherung und Besoldung klar sein, wohin die Reise ökonomisch geht.
Langer Rede kurzer Sinn: Aus den oben genannten Daten wird ersichtlich, wie sehr die anderen Länder einer amtsangemessenen Alimentation hinterherhinkten, sofern das Bundesverfassungsgericht die Methodik des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte – denn wenn schon der Primus Bayern nicht ansatzweise verfassungskonform alimentierte, kann man sich vorstellen, wie es in allen anderen Ländern aussieht: übrigens (nun sind wir wieder beim Thema) gerade deshalb, weil 2003/06 die bundeseinheitliche Besoldungspraxis von den Ländern gezielt zur Haushaltssanierung zerstört wurde.
Denn erst die Reföderalisierung des Besoldungsrechts hat langfristig die beschriebenen Verwerfungen ermöglicht. Hätte es nach 2003/06 weiterhin eine bundeseinheitliche Alimentation gegeben, wäre es nicht zu diesen 16 + 1-fachen Verfransungen gekommen, die die juristische Überprüfung so komplex und unübersichtlich gemacht hat, wie sie es aktuell ist – mit allen zeitlichen Folgen; denn wie schon gesagt, hier in Niedersachsen warten wir seit der ersten juristischen Prüfung auf Verwaltungsgerichtsebene im Jahre 2009 darauf, dass die Frage geklärt wird, ob nun unsere Besoldung seit 2005 amtsangemessen war oder nicht. In der Zwischenzeit hat das Land fröhlich den Haushalt saniert und freut sich weiterhin, dass bislang noch immer nur rund 50 Prozent der Kollegen Widerspruch eingelegt haben (und jene 50 Prozent auch nicht gleich 2005). Die Reföderalisierung des Besoldungsrechts ist in diesem Sinne der Jackpot der Haushaltskonsolidierungslotterie: Die Bank gewinnt immer...
Was folgt aus allem, unabhängig von der Frage, ob nun die Petition sinnvoll sei oder nicht? Man kann nur jedem Beamten in Deutschland dringend raten, Widerspruch gegen seine Besoldung einzulegen, sofern das bislang nicht geschehen ist.
Und PS. Um‘s noch deutlicher zu machen: Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts lag die niedersächsisches Alimentation der damals im Gesetz als niedrigste Besoldungsgruppe ausgewiesenen A 2-Besoldung 2016 rund 3,99 Prozent unterhalb des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus; sie wäre folglich um 19 Prozent zu gering bemessen gewesen. Wären die Beamten der unteren Besoldungsgruppen zu Hause geblieben und hätten sich nicht in ein Dienstverhältnis begeben und hier dann Tag für Tag die Knochen hingehalten (Mayday weist zurecht auf die Kollegen im Justizdienst hin), hätten sie mehr Geld zur Verfügung gehabt...