Autor Thema: VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage  (Read 10639 times)

öfföff

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VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« am: 29.11.2019 21:30 »
Die VBL Klassik basiert ja auf einem Umlageverfahren (zumindest in West). Inwiefern sind die Ansprüche die man bei der VBL erwirbt gesetzlich garantiert? Was wäre zB. wenn in 20 Jahren eine Regierung die Anzahl der Mitarbeiter im öD abspeckt und zum Beispiel halbiert. Dann stünden ja viel (!) weniger "Einzahler" für das Umlageverfahren zur Verfügung. Wie würden/könnten dann die Rentenansprüche der VBL-Rentner befriedigt werden? Rechtsanpruch? Springt der Staat ein?
« Last Edit: 29.11.2019 21:38 von öfföff »

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #1 am: 30.11.2019 08:40 »
Die VBL Klassik basiert ja auf einem Umlageverfahren (zumindest in West). Inwiefern sind die Ansprüche die man bei der VBL erwirbt gesetzlich garantiert? Was wäre zB. wenn in 20 Jahren eine Regierung die Anzahl der Mitarbeiter im öD abspeckt und zum Beispiel halbiert. Dann stünden ja viel (!) weniger "Einzahler" für das Umlageverfahren zur Verfügung. Wie würden/könnten dann die Rentenansprüche der VBL-Rentner befriedigt werden? Rechtsanpruch? Springt der Staat ein?
Bis Ende 2001 basierte die Zusatzversorgung/VBL auf einem gänzlich anderen System.
In den Jahren davor gab es Klagen gegen das bestehende System, da sich eine bestimmte (zahlenmäßig völlig unbedeutende) Klientel von Hochverdienern durch ebendieses System benachteiligt sah. Letztlich urteilte das Bundesverfassungsgericht, das das bestehende System so nicht weitergeführt werden dürfe.
Zeitgleich wurde von Seiten der Zusatzversorgungskassen und der beteiligten öffentlichen Arbeitgeber ein zukünftiger finanzieller Notstand behauptet, der auf eine drastische Erhöhung der Umlagesätze hinauslaufen würde, wenn das bestehende System nicht nur gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts reformiert, sondern bei dieser Gelegenheit nicht auch gleich auf der Leistungsseite drastisch beschnitten würde.

Dies ist mit der Systemumstellung auf das heutige Punktesystem geschehen (über die entsprechenden Tarifverträge, d.h. die Gewerkschaften haben dem zugestimmt). Die im bisherigen System der sog. „dynamischen Gesamtversorgung“ bis 2001 erworbenen Rentenanwartschaften wurden über eine Startgutschrift ins neue Punktesystem übertragen. Durch diverse „Tricks“ ist die Höhe dieser Startgutschrift kleingerechnet worden. Eine Dynamisierung dieser Startgutschrift findet nicht statt, d.h. wer bspw. 2026 in Rente geht, dessen bereits kleingerechnete Startgutschrift von 2001 wurde 25 Jahre lang per Inflation weiter entwertet...

Eine Flut von Klagen seit 2002 hat letztlich bis zum heutigen Tag nicht wirklich viel gebracht. Punktuell hat es für einen begrenzten Kreis von Versicherten eine gewisse Aufbesserung der Startgutschriften gegeben. Mehr ist nicht bei herausgekommen, die Systemumstellung wurde grundsätzlich jedoch gebilligt.

Wer nun allerdings durchgängig dem neuen Punktesystem unterliegt, d.h ab 2002 in den öD eingetreten ist, der erwirbt hier bei Verbleib im öD bis zur Rente auch recht erhebliche Ansprüche.
Zwischenzeitlich haben die öffentlichen Arbeitgeber aber auch wieder gejammert und zukünftige finanzielle Schwierigkeiten behauptet. Daraufhin haben die Gewerkschaften der Erhöhung des Eigenanteils der Versicherten an der Umlage zugestimmt. Bis ca. 2025 ist die derzeitige Höhe des Eigenanteils festgeschrieben, dann wird man weitersehen...

Lange Rede, kurzer Sinn:
Angesichts dieser Historie würde ich keinen müden Cent darauf wetten, das in Sachen Zusatzversorgung des öD irgendetwas auch nur ansatzweise als sicher bzw. gesichert gelten kann.
Spätestens wenn die ersten Beschäftigten, die komplett dem Punktesystem unterworfen waren, in Rentennähe kommen, wird es wieder unangenehm teuer und es wird sich dann wieder ein Dreh finden lassen, die erworbenen Anwartschaften brutalstmöglich abzuwerten. Die Gewerkschaften werden in dieser Angelegenheit wie immer als Komplizen der öffentlichen Arbeitgeber fungieren ...

Welcher Staat sollte einspringen? Weil der deutsche Staat in seiner Rolle als Arbeitgeber Kosten drücken will, springt er in seiner Rolle als Gesetzgeber ein und hat dann am Ende nichts gespart?

Falls dich mehr als meine grobe, holzschnittartige Darstellung interessiert, kannst du dich hier wochenlang ins Thema einlesen:

http://www.startgutschriften-arge.de/


 

öfföff

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #2 am: 30.11.2019 13:30 »
Danke für die ausführliche Antwort. Die Startgutschriftproblematik kenne ich in der Tat auch. Mir geht es primär um das "reformierte" System.

In deinem Posting bist du offenbar recht sauer auf die öff.Arbeitgeber. Darum gehts mir nicht, die können ja auch nichts für die Demografie und auch nicht für ein eventuelles politisch bedingtes Abspecken der Mitarbeiterzahl. Die können die fehlenden "Einzahler" dann ja auch nicht herzaubern, die Gewerkschaften auch nicht..

D.h. es gibt keinerlei "Garantiebetrag" oder ähnliches, und die Rentenbezüge könnten dann auch zb. einfach mal halbiert werden ohne dass man was dagegen tun kann? Bei Betriebsrenten in Privatunternehmen geht das doch auch nicht so einfach oder? Könnte die VBL auch einfach aufgelöst werden und alle Ansprüche werden gestrichen?
« Last Edit: 30.11.2019 13:43 von öfföff »

TV-Ler

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #3 am: 30.11.2019 17:15 »
In deinem Posting bist du offenbar recht sauer auf die öff.Arbeitgeber. Darum gehts mir nicht, die können ja auch nichts für die Demografie und auch nicht für ein eventuelles politisch bedingtes Abspecken der Mitarbeiterzahl. Die können die fehlenden "Einzahler" dann ja auch nicht herzaubern, die Gewerkschaften auch nicht..
Sauer macht mich die Abwertung der im alten System erarbeiteten Anwartschaft.
Wie geschrieben, zunächst durch das runterrechnen der Höhe der Startgutschrift und dann durch die Nichtdynamisierung derselben über Jahrzehnte.

Die Systemumstellung als solche mag ja noch angehen, da - wie gesagt - auch dort eine (anfänglich) recht ordentliche Zusatzrente bei herausspringen kann. Das diese dann durch die festgeschriebene Dynamisierung von nur 1% über die Jahre gnadenlos ausgezehrt wird, lassen wir hier mal großzügig beiseite. Es ist jedenfalls ein weiteres Mosaiksteinchen hinsichtlich der Einschätzung der Seriosität des Zusatzversorgungsversprechens des öD.

D.h. es gibt keinerlei "Garantiebetrag" oder ähnliches, und die Rentenbezüge könnten dann auch zb. einfach mal halbiert werden ohne dass man was dagegen tun kann? Bei Betriebsrenten in Privatunternehmen geht das doch auch nicht so einfach oder? Könnte die VBL auch einfach aufgelöst werden und alle Ansprüche werden gestrichen?
Der BGH hat im ersten Urteil von 2007 bereits festgestellt, das die erworbenen Anwartschaften des alten Systems „eigentumsgleich“ bzw. „eigentumsähnlich“ sind. Das wird für das neue System vermutlich nicht anders sein.

Was das letztlich Wert ist, kann man aber doch recht gut am Umgang mit der Startgutschriftenproblematik durch Gerichte und Tarifparteien sehen ...

öfföff

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #4 am: 01.12.2019 12:26 »
Naja, aber nehmen wir mal an Gerichte/BGH würden nun anders entscheiden und die Startgutschriften so aufwerten, dass niemand mehr benachteiligt wäre. Das würde enorme Mehrausgaben seitens VBL bedeuten. Wo würde das Geld dafür herkommen bei einer nicht steigenden Mitarbeiterzahl? Wer würde die Finanzierungslücke schließen müssen? Der Staat? Ein Rückversicherer? Was würde passieren wenn die VBL weniger Geld hat als sie auszahlen muss?

nichts_tun

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #5 am: 01.12.2019 14:16 »
Das ist eine Frage, die dann zur Disposition der Tarifvertragsparteien steht, da diese die entsprechenden tariflichen Normen geschlossen haben und diese abändern bzw. fortentwickeln können.

Zusatzversorgungskassen wie die VBL setzen die tarifliche Regelungen nur um.

TV-Ler

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #6 am: 01.12.2019 20:23 »
Wer würde die Finanzierungslücke schließen müssen? Der Staat? Ein Rückversicherer? Was würde passieren wenn die VBL weniger Geld hat als sie auszahlen muss?
Der Staat ist nicht rückversichert. Finanzielle Engpässe der VBL müssten über eine Erhöhung der Umlagen (und evtl. Eigenbeteiligungen) ausgeglichen werden. Wie @nichts_tun schrieb, wäre es Aufgabe der Tarifparteien die entsprechenden Tarifverträge anzupassen.

Pseudonym

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #7 am: 01.12.2019 20:31 »
Zusatzversorgungskassen wie die VBL setzen die tarifliche Regelungen nur um.

Wie verhält es sich denn eigentlich mit den Leistungen der einzelnen Kassen? Nehmen wir z.B. mal die VBL und die KVBW: der AN-Anteil ist bei der KVBW erheblich geringer.

Sind die Leistungen der Kassen denn schlußendlich mehr oder weniger identisch?

nichts_tun

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #8 am: 01.12.2019 21:07 »
Die Leistungen der Kassen richten sich nach den Verfahren, die in jeweiligen Tarifverträgen vorgegeben sind, in der Gestaltung der konkreten Satzung der Kasse.

Kryne

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #9 am: 02.12.2019 09:02 »


In deinem Posting bist du offenbar recht sauer auf die öff.Arbeitgeber. Darum gehts mir nicht, die können ja auch nichts für die Demografie und auch nicht für ein eventuelles politisch bedingtes Abspecken der Mitarbeiterzahl. Die können die fehlenden "Einzahler" dann ja auch nicht herzaubern, die Gewerkschaften auch nicht..


Wieso können öff. Arbeitgeber (im Endeffekt politische Gremien) nichts für ein eventuelles politisch bedingtes Abspecken der Mitarbeiterzahl ? Die Arbeitgeber würden dieses ja beschließen.

Davon abgesehen, wäre es angesichts immer weiter wachsender Aufgaben und Bürokratie eher unlogisch Mitarbeiter abzubauen. Aber gut wir sprechen hier über Politiker, das dort viel unlogisches passiert ist ja auch bekannt.

öfföff

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #10 am: 15.12.2019 22:51 »
War ja nur ein theoretisches Szenario. Anderes Szenario wäre extrem miese Finanzlage der Länder?

Max

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #11 am: 15.12.2019 23:55 »

Wieso können öff. Arbeitgeber (im Endeffekt politische Gremien) nichts für ein eventuelles politisch bedingtes Abspecken der Mitarbeiterzahl ? Die Arbeitgeber würden dieses ja beschließen.

Davon abgesehen, wäre es angesichts immer weiter wachsender Aufgaben und Bürokratie eher unlogisch Mitarbeiter abzubauen. Aber gut wir sprechen hier über Politiker, das dort viel unlogisches passiert ist ja auch bekannt.
Im Interesse des Steuerzahlers hoffe ich doch sehr,  dass die Digitalisierung, Automatisierung und Zentralisierung zügig bei den Behörden ankommt und in besserem Service bei signifikant reduziertem Personal resultiert.

WasDennNun

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #12 am: 16.12.2019 08:32 »
Dazu müssen sie aber erstmal in IT Fachkräfte investieren 😁

Feidl

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #13 am: 16.12.2019 09:26 »
die Digitalisierung, Automatisierung und Zentralisierung zügig bei den Behörden ankommt und in besserem Service bei signifikant reduziertem Personal resultiert.
;D ::)

D-x

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Antw:VBL Klassik im öD - grundsätzliche Frage
« Antwort #14 am: 23.12.2019 11:59 »
Die Fragestellung finde ich interessant, da ich ob meiner Vergangenheit zwar auf der Beitrags-Seite nicht unbewandert bin, mich auf der Leistungs-Seite nicht weiter auskenne.

Insgesamt bin ich, wenn auch nicht sofort frühestmöglich, recht jung in den öD eingestiegen und habe noch eine große Anzahl Jahre meines Arbeitslebens vor mir. Was das Gesetz zum Renteneintrittsalter sagt, wenn ich in diese Regionen komme, vermag ich noch nicht einzuschätzen.

Derzeit bekomme ich von meiner ZVK (nicht VBL) jährlich einen Bescheid, der meine Anwartschaft nennt. Das sieht erstmal nicht schlecht aus, wenn da pro Jahr 30-40€ zukommen, aber soweit ich das verstanden habe findet erst in der Leistungsphase eine Dynamisierung statt, d.h. bsp. 35€ in ebensovielen Jahren ziemlich exakt halb so viel wert sind, wenn man mit durchschnittlich 2% Inflation rechnet (und ich mich nicht verrechnet habe: 35€ * 1,0235 = 70€).

Aber was ist, wenn wie von @öfföff angenommen etwa die Anzahl der Umlagezahler stark einbricht oder warum auch sonst immer Reformen angestrengt werden? (Wie lange lief eigentlich dieses Alt-System, bis es für unzulässig erklärt wurde?)

Nun, die Zahl der Umlagezahler (Beschäftigte im Erwerbsleben) dürfte nicht abrupt sinken. Wenn es so kommt, dass Aufgaben wegfallen oder durch die fortschreitende Digitalisierung eine Verlagerung verbunden mit einem Abbau von Arbeitsplätzen stattfindet, wird das nicht von heute auf morgen passieren.

Zudem sind die ZVKs ja nicht reine Weiterleitungsinstitute, sondern sie legen die Gelder ja auch an. Wie ich hier (oder war es im alten Forum?) schon einmal berichtet habe, hat auf einer VBL-Herbsttagung (2015 oder 2016 würde ich vermuten) der dortige Anlagechef einen recht illustren Vortrag darüber gehalten.
Und auch "meine" ZVK investiert unter anderem in Immobilien und hatte vor einigen Jahren bereits einige Tausend Wohnungen, die umlagezahlerunabhängige Erträge abwerfen.

Wie die Lage sein wird, wenn wir das (dann geltende) Renteneintrittsalter erreichen, steht je nach unserem heutigen Alter halt mehr oder weniger in den Sternen. Selbst 45- bis 50-Jährige können aus meiner Sicht nur bedingt sicher sein, einmal das zu erhalten, wonach es heute aussieht. Sowohl in Hinsicht auf die Gesetzliche RV, als auch auf die Zusatzversorgung. Dass ein System gekippt werden kann, haben wir wie bereits erwähnt ja schon gesehen. Wie viel diese Mitteilungen wert sind, auf denen unsere ZVKs uns jährlich unsere Anwartschaften mitteilen, wird sich irgendwann zeigen :-)