Autor Thema: Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?  (Read 9121 times)

Hansi1

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Hallo in die Runde,

als Leiter einer selbstständigen Organisationseinheit einer Kommune wurde ich (Meisterausbildung) in der Lohngruppe 9 eingestellt. Da die Organisationseinheit nach meiner Einstellung im Gegensatz zu vorher relativ reibungslos funktionierte wurde mir nach ein paar Jahren vom Bürgermeister die Verantwortung für 2 zusätzliche Bereiche angeboten. Zunächst habe ich das abgelehnt, als mir dann aber die Lohngruppe 10 angeboten wurde habe ich das Angebot angenommen und betreue seither die drei Bereiche als Vorgesetzter.
Jetzt, nach 5 Jahren, werden Aufgaben in der Verwaltung neu organisiert und in diesem Zuge gebe ich den Verantwortungsbereich von einem der zusätzlichen Aufgabengebieten an eine neue Stelle ab.
Eine Stellenbeschreibung / Stellenbewertung wurde seither bei mir nicht gemacht, soll jetzt aber im Zuge der Neuorganisation in der gesamten Verwaltung durchgeführt werden.
Meine Höhergruppierung wurde damals im Gemeinderat einstimmig beschlossen "ab Übernahme dieser Aufgaben wird Herrn Hansi1 in Entgeltgruppe 10 höher gruppiert. Abweichend von den tariflichen Regeln erfolgt die Eingruppierung sofort in Stufe5."
Jetzt fällt ein Aufgabenbereich weg und ob meine Stelle mit der Lohngruppe 10 bewertet wird kann ich nicht sagen. Kann mich der AG auch rückgruppieren oder gibt es da einen Bestandsschutz?

Spid

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #1 am: 15.01.2020 16:37 »
Es gibt keine Lohngruppen. Sofern Deine auszuübende Tätigkeit zu Deiner Eingruppierung in E10 führt, ist es dem AG verwehrt, Dir einseitig Tätigkeiten zu übertragen, die zu einer anderen Eingruppierung führen. Dies bedarf Deines mindestens impliziten Einverständnisses. Erteilst Du es, bist Du entsprechend der neuen auszuübenden Tätigkeit eingruppiert, das kann auch eine niedrigere Entgeltgruppe sein. Die Rechtsmeinung des AG im allgemeinen und Gemeinderatsbeschlüsse im besonderen berühren die Eingruppierung nicht.

Hansi1

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #2 am: 15.01.2020 18:14 »
Es mag ja sein das die Rechtsmeinung des AG unerheblich ist, aber die überweisen mir halt das Gehalt.
Bei der Höhergruppierung wurde ein Änderungsvertrag aufgesetzt, in dem die Entgeltstufe 10 genannt wird. Damit müsste ich doch eigentlich auf der sicheren Seite sein, oder?

Lars73

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #3 am: 15.01.2020 18:21 »
Entscheidend ist ob es tatsächlich Aufgaben nach E10 waren. Soweit der Arbeitgeber behauptet dies war ein Irrtum wird es kompliziert. Aber da wäre der Arbeitgeber im Streitfall erstmal in der Darlegungspflicht.

Soweit die bisherigen Aufgaben nach E10 zu bewerten waren hast du Anspruch weiterhin Aufgaben nach E10 zu bekommen. Abweichungen davon sind nur einvernehmlich oder als Änderungskündigung möglich.

Als solches sollte betont werden, dass man weiterhin Aufgaben nach E10 haben möchte und den neuen Zuschnitt nur dann akzeptiert, wenn es weiterhin eine E10 ist. Ansonsten kann erstmal abgewartet werden was der Arbeitsgeber macht.

Spid

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #4 am: 15.01.2020 18:23 »
Es mag ja sein das die Rechtsmeinung des AG unerheblich ist, aber die überweisen mir halt das Gehalt.
Bei der Höhergruppierung wurde ein Änderungsvertrag aufgesetzt, in dem die Entgeltstufe 10 genannt wird. Damit müsste ich doch eigentlich auf der sicheren Seite sein, oder?

Nein. Der Angabe der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag kommt regelmäßig nur deklaratorische Bedeutung zu. Es ist lediglich Ausdruck der unbeachtlichen Rechtsmeinung der Arbeitsvertragsparteien, zu deren Disposition die Eingruppierung nicht steht. Wenn das nie eine E10 war, kann der AG grundsätzlich seine irrige Rechtsmeinung auch rückwirkend noch nach Jahren korrigieren - und sein Direktionsrecht innerhalb der tatsächlichen Entgeltgruppe ausüben.

Tagelöhner

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #5 am: 15.01.2020 18:59 »
Interessantes Thema, bei dem ich auch noch dazulernen möchte.

Inwiefern entsteht durch ein Eingruppierungsirrtum, der eindeutig langjährig rein arbeitgeberseitig verschuldet ist, eine Art Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so dass eine korrigierende Rückgruppierung ggf. ein Verstoß gegen Treu und Glauben nach BGB wäre?

Vielleicht kann Spid hier nochmal etwas ins Detail gehen.

Spid

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #6 am: 15.01.2020 19:05 »
Zeitablauf selber ist nicht dazu geeignet, entsprechende Vertrauenstatbestände zu schaffen. Dazu müssen weitere Aspekte hinzutreten, z.B. wiederholte Eingruppierungsmitteilungen anlässlich von Überleitungen.

Tagelöhner

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #7 am: 15.01.2020 19:33 »
Wäre es denkbar, dass die Nennungen der Entgeltgruppe im Ausschreibungstext, im Arbeitsvertrag und fortlaufend auf Lohnbescheinigungen einen Tatbestand des Vertrauensschutzes schaffen?

Inwiefern entfalten Formulierungen in Vertragsvorlagen wie z.B. "Die Einstellung erfolgt für Tätigkeiten der Entgeltgruppe E X TVöD" einen arbeitsvertraglichen Schutz vor korrigierenden Rückgruppierungen? Eine derartige Formulierung hat für mich eine größere als eine reine deklaratorische Bedeutung.

Hieraus könnte man ja ableiten, dass die Entgeltgruppe zugesichert ist, und der Arbeitgeber nur noch berechtigt ist, Aufgabenveränderungen im Rahmen der genannten Entgeltgruppe zu vollziehen.

Spid

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #8 am: 15.01.2020 19:49 »
Wäre es denkbar, dass die Nennungen der Entgeltgruppe im Ausschreibungstext, im Arbeitsvertrag und fortlaufend auf Lohnbescheinigungen einen Tatbestand des Vertrauensschutzes schaffen?

Nein, das ist nicht denkbar. Die Nennung in der Ausschreibung ist unbeachtlich, die automatisierte Ausgabe auf Gehaltsmitteilungen ist eben keine Eingruppierungsmitteilung. Eine Mitteilung anläßlich bspw. einer Überleitung in der Art „Sie waren bis tt.mm.jjjj in E9 eingruppiert und wurden zum tt.mm.jjjj in E9b übergeleitet.“ wäre hingegen eine solche und ist wohl am häufigsten für das Schaffen von Vertrauenstatbeständen ursächlich - weshalb ich ja auch von derlei abrate.

Zitat
Inwiefern entfalten Formulierungen in Vertragsvorlagen wie z.B. "Die Einstellung erfolgt für Tätigkeiten der Entgeltgruppe E X TVöD" einen arbeitsvertraglichen Schutz vor korrigierenden Rückgruppierungen? Eine derartige Formulierung hat für mich eine größere als eine reine deklaratorische Bedeutung.

Hieraus könnte man ja ableiten, dass die Entgeltgruppe zugesichert ist, und der Arbeitgeber nur noch berechtigt ist, Aufgabenveränderungen im Rahmen der genannten Entgeltgruppe zu vollziehen.

Nein. Das ist auch nicht anders als die Standardformulierung „Der Beschäftigte ist in Ex eingruppiert.“

Hansi1

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #9 am: 15.01.2020 20:06 »
In meinem Änderungsvertrag steht:
Wird in Abänderung des Arbeitsvertrags vom xxx folgender Änderungsvertrag geschlossen: Die Vergütung erfolgt ab dem xxx in Entgeltgruppe 10 Stufe 5.

Kann das der AG durch andere Aufgaben ändern?

Spid

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #10 am: 15.01.2020 20:12 »
Ja. Das hat nur deklaratorische Bedeutung, d.h. daß die Arbeitsvertragsparteien lediglich der Auffassung sind, die auszuübende Tätigkeit sei dergestalt zu vergüten, und dies damit kundtun.

nichts_tun

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #11 am: 19.01.2020 15:20 »
Unabhängig von den rechtlichen Ausführungen, ist es auch möglich, bevor Änderungskündigungen ausgesprochen werden müssen oder du dein Einverständnis zu einer solchen Änderung deiner auszuübenden Tätigkeiten gibst, dass dir dein AG andere gleich vergütete auszuübende Tätigkeiten / Stellen anbietet.

Spid

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #12 am: 19.01.2020 17:01 »
Besser keine gleich vergütete, sondern eine, die zur Eingruppierung in E10 führt.

nichts_tun

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #13 am: 19.01.2020 21:06 »
Dies sollte die Voraussetzung sein, bevor man dem TE diese Tätigkeiten anbietet...

KakPuh

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Antw:Stellenbewertung, Rückgruppierung möglich?
« Antwort #14 am: 07.02.2020 14:30 »
Wenn das nie eine E10 war, kann der AG grundsätzlich seine irrige Rechtsmeinung auch rückwirkend noch nach Jahren korrigieren […]


Kann er dann auch rückwirkend das jahrelang zu viel gezahlte Entgelt nachfordern? Oder nur die letzten 6 Monate? Gar nicht?

Was ist die Folge der Korrektur?