Autor Thema: Rufbereitschaft wie oft?  (Read 12838 times)

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #30 am: 18.02.2020 10:39 »

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.

Der AN ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei, es darf nur eine solche Zeitspanne zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit liegen, die den Einsatz nicht gefährdet und noch gewährleistet, daß die Arbeit im Bedarfsfall noch aufgenommen werden kann, diese Bewertung kann auch vom AG vorgenommen werden, BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 6 AZR 592/89.

Garfield

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #31 am: 18.02.2020 10:52 »

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.

Der AN ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei, es darf nur eine solche Zeitspanne zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit liegen, die den Einsatz nicht gefährdet und noch gewährleistet, daß die Arbeit im Bedarfsfall noch aufgenommen werden kann, diese Bewertung kann auch vom AG vorgenommen werden, BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 6 AZR 592/89.

Da es beim TE um "Haustechik (Klima, Heizung) geht und die Rufbereitschaft sogar nachts erfolgt würde ich die Anordnung trotzdem rechtlich anfechten. Oder den Arbeitgeber zumindest auffordern die 45 Minuten ausführlich zu begründen und diese Begründung dann zusammen mit der Personalvertretung prüfen.
Beim zitierten Urteil geht es um Notfallversorgung von Patienten, das ist hier mE nicht anwendbar.

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #32 am: 18.02.2020 10:55 »


Nein, ist sie nicht. Hat der AG durch Veröffentlichung des Dienstplanes sein Direktionsrecht zur Lage der Arbeitszeit ausgeübt, ist er daran gebunden und kann es grundsätzlich nicht erneut ausüben. In den Fällen, in denen er das kann, hat er die Ankündigungsfrist von 4 Tagen einzuhalten.

Wo kann man denn die Regelung der Ankündigungsfrist von 4 Tagen nachlesen? Diese wird in unserem Betrieb regelmäßig unterschritten. Gibt es hiervon wieder Ausnahmen wonach eine Unterschreitung zulässig ist?

Es gibt keine unmittelbare gesetzliche oder tarifliche Regel, der eine angemessene Vorankündigungsfrist für Angestellte aller Art regelt, jedoch gilt das Urteil vom Arbeitsgericht Berlin hier als wegweisend (Urteil vom 5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12). Dort wird eine Vorankündigungsfrist von vier Tagen als angemessen betrachtet und bezieht sich dabei auf die gesetzliche Vorwarnfrist für Teilzeitangestellte, die „Arbeit auf Abruf“ leisten (§ 12 Abs. 2 Gesetz für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge). Das ist in sich schlüssig und wurde bislang nicht weiter infrage gestellt.

Es sei noch darauf hingewiesen, daß dem AG grundsätzlich sogar verwehrt ist, von seinem einmal ausgeübten Direktionsrecht erneut Gebrauch zu machen.

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #33 am: 18.02.2020 10:57 »

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.

Der AN ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei, es darf nur eine solche Zeitspanne zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit liegen, die den Einsatz nicht gefährdet und noch gewährleistet, daß die Arbeit im Bedarfsfall noch aufgenommen werden kann, diese Bewertung kann auch vom AG vorgenommen werden, BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 6 AZR 592/89.

Da es beim TE um "Haustechik (Klima, Heizung) geht und die Rufbereitschaft sogar nachts erfolgt würde ich die Anordnung trotzdem rechtlich anfechten. Oder den Arbeitgeber zumindest auffordern die 45 Minuten ausführlich zu begründen und diese Begründung dann zusammen mit der Personalvertretung prüfen.
Beim zitierten Urteil geht es um Notfallversorgung von Patienten, das ist hier mE nicht anwendbar.

Es geht nicht um die Art des Rechtsgutes, das durch die Rufbereitschaft vor Schaden bewahrt werden soll, sondern alleine um die betriebliche Notwendigkeit.

wap

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #34 am: 18.02.2020 11:05 »


Nein, ist sie nicht. Hat der AG durch Veröffentlichung des Dienstplanes sein Direktionsrecht zur Lage der Arbeitszeit ausgeübt, ist er daran gebunden und kann es grundsätzlich nicht erneut ausüben. In den Fällen, in denen er das kann, hat er die Ankündigungsfrist von 4 Tagen einzuhalten.

Wo kann man denn die Regelung der Ankündigungsfrist von 4 Tagen nachlesen? Diese wird in unserem Betrieb regelmäßig unterschritten. Gibt es hiervon wieder Ausnahmen wonach eine Unterschreitung zulässig ist?

Es gibt keine unmittelbare gesetzliche oder tarifliche Regel, der eine angemessene Vorankündigungsfrist für Angestellte aller Art regelt, jedoch gilt das Urteil vom Arbeitsgericht Berlin hier als wegweisend (Urteil vom 5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12). Dort wird eine Vorankündigungsfrist von vier Tagen als angemessen betrachtet und bezieht sich dabei auf die gesetzliche Vorwarnfrist für Teilzeitangestellte, die „Arbeit auf Abruf“ leisten (§ 12 Abs. 2 Gesetz für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge). Das ist in sich schlüssig und wurde bislang nicht weiter infrage gestellt.

Es sei noch darauf hingewiesen, daß dem AG grundsätzlich sogar verwehrt ist, von seinem einmal ausgeübten Direktionsrecht erneut Gebrauch zu machen.

Danke für die Information.

WasDennNun

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #35 am: 18.02.2020 12:57 »
Es geht nicht um die Art des Rechtsgutes, das durch die Rufbereitschaft vor Schaden bewahrt werden soll, sondern alleine um die betriebliche Notwendigkeit.
Also wenn man wg. Heizung/Klima in Rufbereitschaft ist
und die Heizung nachts ausfällt und es ist minus 10 Grad, dass dann eine andere Reaktionszeit gefordert werden kann, als bei einer Aussentemperatur von 15 Grad oder?
Wenn wir mal nur von Büroräumen ausgehen, die beim erstem Fall z.B. nach 3h nicht mehr nutzbar wären und beim zweiten Fall erst nach 7h .
Muss der AG dies nicht berücksichtigen?

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #36 am: 18.02.2020 13:09 »
Das wäre ja die betriebliche Notwendigkeit. Das gleiche gälte auch bei medizinischen Notfallmaßnahmen, wenn denkbare Notfälle erst nach einer Stunde oder bereits nach 45 Minuten zu einem Schaden führten. Es ist also unabhängig von der Art des Rechtsgutes.

WasDennNun

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #37 am: 18.02.2020 13:33 »
Das wäre ja die betriebliche Notwendigkeit.
Wenn ein Heizungsausfall also keinen Schaden innerhalb von 12 h auslöst, dann wäre eine Reaktionszeit von 3h  also auch ok?

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #38 am: 18.02.2020 14:10 »
Vielleicht. Vielleicht bedarf es aber auch eines zeitlichen Vorlaufs, um die Temperatur im Gebäude auf eine solche anzuheben, bei der gearbeitet werden darf. Oder es bedarf aus irgendwelchen Gründen einer Warmwasserversorgung. Oder, oder, oder. Eine Heizung kann auch unmittelbar Schaden verursachen. In den allermeisten Fällen wird das nicht vorher absehbar sein. Es obliegt dem AG eine Risikobewertung vorzunehmen und die unternehmerische Entscheidung zu treffen, ob er einen davor setzt, der die Heizung ununterbrochen beobachtet, ob er einen im Nachbarraum pennen läßt, eine Rufbereitschaft einrichtet oder ob er es darauf ankommen läßt. Die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit ist eine unternehmerische Bewertung, bei der dem AG naturgemäß ein weites Ermessen zukommt.

WasDennNun

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #39 am: 18.02.2020 14:32 »
Es obliegt dem AG eine Risikobewertung vorzunehmen
Er muss es aber machen und kann nicht einfach bestimmen, dass 45 min die betriebliche Notwendigkeit ist, oder?

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #40 am: 18.02.2020 14:34 »
Wie er diese Risikobewertung vornimmt, ist ihm überlassen. Eine Darlegung seiner Erwägungen ist von ihm auch erst in der gerichtlichen Auseinandersetzung verlangt.

Wastelandwarrior

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #41 am: 18.02.2020 15:07 »
Landesarbeitsgericht Köln 11. Kammer
Entscheidungsdatum:   13.12.2011
Rechtskraft:   ja
Aktenzeichen:   11 Sa 863/11
Dokumenttyp:   Urteil

RdNr. 14

"Mit dem Wesen der Rufbereitschaft ist es nicht vereinbar, wenn zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme zeitliche Vorgaben bestehen, die den Arbeitnehmer faktisch zwingen, sich in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz aufzuhalten (BAG, Urt. 31.01.2002 - 6 AZR 214/00 -). Das wesentliche Differenzierungskriterium ist demnach die freie Bestimmung des Aufenthaltsortes. Nur wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sich um persönliche oder familiäre Angelegenheiten kümmern zu können, z.B. Teilnahme an einer sportlichen oder kulturellen Veranstaltung, liegen die Voraussetzungen einer Rufbereitschaft vor (LAG Köln, Urt. v. 13.08.2008 - 3 Sa 1453/07 -). "


Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #42 am: 18.02.2020 15:18 »
Das ist ja das, was ich a.a.O. dargelegt hatte: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,113366.msg160849.html#msg160849

Es steht aber einer zeitlichen Vorgabe nicht entgegen, nur einer zu engen - relevante Rechtsprechung hat 10, 12, 15 und 20 Minuten grundsätzlich, 30 und 35 Minuten unter den Umständen des Einzelfalls verworfen. In zwei Urteilen (Urteil vom 22.01.2004 - 6 AZR 543/02, Urteil vom 16.10.2013 - 10 AZR 9/13) hat das BAG eine Reaktionszeit von 45 Minuten unter den Umständen des Einzelfalls für mit der Rufbereitschaft vereinbar gesehen - obwohl in einem Fall dabei nicht einmal die eigene Wohnung als Aufenthaltsort infrage kam.

Wastelandwarrior

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #43 am: 18.02.2020 15:41 »
Ich wollte auf die Dauer 6 Monate hinaus. Das dürfte auch zu lange sein. zu einschränkend.

AN sind keine 24/7 Masochisten (meist)

Spid

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Antw:Rufbereitschaft wie oft?
« Antwort #44 am: 18.02.2020 15:46 »
Ein halbes Jahr am Stück wahrscheinlich - aber insgesamt ein halbes Jahr im wöchentlichen Wechsel hielte ich nicht für grundsätzlich zu einschränkend. Da käme es auf die Umstände des Einzelfalls an.