Ich (36) habe noch nicht viel Erfahrung im ÖD. Bis Ende 2018 war ich durchgehend in der freien Wirtschaft tätig. Seit Anfang 2016 arbeite ich als kaufmännische Angestellte für eine Zeitarbeitsfirma und wurde die ersten 3 Jahre überwiegend in Konzernen eingesetzt, einmal war ich in einem mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Meine Einsätze haben mir alle sehr gut gefallen.
Seit Anfang 2019 habe ich meinen ersten Einsatz im ÖD. Die Arbeit gefällt mir ganz gut. Aber ich finde nach über 15 Monaten immer noch keinen richtigen Zugang zu meinen Kollegen . Das bin ich gar nicht gewohnt, weil es früher in meinen Festanstellungen und in meinen Einsätzen in der Wirtschaft ganz anders lief. Dort war ich ein fester Bestandteil eines Teams, bin mit Kollegen mittags zum Essen gegangen, wurde zu Firmenfeiern eingeladen, usw. Im ÖD hat mich in 15 1/2 Monaten noch niemand gefragt, ob wir gemeinsam zum Mittagessen gehen. Ich habe 2-3 Leute gefragt, bekam aber eine Abfuhr mit der Begründung: "Ich gehe immer mit XYZ." Die meisten Leute bei uns gehen jeden Tag mit denselben Personen zum Essen. Habe ich vorher noch nirgends gesehen. Bei Firmenfeiern bin ich auch unerwünscht, wurde noch nie eingeladen. In meinen Einsätzen in der Wirtschaft war das immer der Fall. Ich habe das Zusammensein mit meinen Kollegen immer sehr genossen, das fehlt mir im ÖD schon sehr.
Anfangs fand ich das distanzierte Verhalten meiner Kollegen nicht schlimm. Ich dachte erst, sie wären so gewesen, weil wir uns noch fremd waren und sie mich erst besser kennenlernen wollten. Aber nach 15 1/2 Monaten fühle ich mich in der Behörde noch genauso fremd wie in den ersten Tagen. Für mich war das immer normal, dass man sich montags über das vergangene Wochenende austauscht. In den ersten Wochen habe ich das hin und wieder versucht. Aber als ich gemerkt habe, dass immer nur ich Interesse an den anderen gezeigt habe und sie mich gar nichts über meine Wochenenden fragten, hörte ich damit auf. Mich hat in dieser Zeit noch kein Mensch gefragt, wie es mir geht - was für mich eine Selbstverständlichkeit ist. Andere heulen sich bei mir aus, wenn es ihnen schlecht geht. Wenn es mir mal nicht so gut geht und ich darüber erzähle, haben meine Kollegen kein liebes Wort für mich übrig, sodass ich mich immer mehr verschließe und ihnen kaum noch was erzähle.
Ist das normal, dass die Leute in Behörden so distanziert sind? Ich habe in diesem Laden wirklich viel geschuftet und einiges bewirkt, aber noch nie ein Dankeschön bekommen, geschweige denn ein Kompliment für meine Arbeit. Meine Kollegen geben mir ständig das Gefühl, dass ich ihnen völlig egal bin und das, was ich mache, nicht gerade wertvoll ist. Ich fühle mich überhaupt nicht gewertschätzt und bin sehr enttäuscht, weil ich mir mehr erwartet hatte.
Leider hängt das stark von der Behörde ab und ja ich kann das bestätigen. Ich komme selbst aus der freien Wirtschaft und kenne es, mit einander zu arbeiten, ich kenne es, dass das Wort Team nicht nur eine Worthülse ist.
Ich habe vor einiger Zeit in eine Verwaltung gewechselt, war vorher bei einer Bundesbehörde tätig. Dort war es gewöhnungsbedürftig, in der kleinen Verwaltung mit knapp 200 Mitarbeitern ist es eine Katastrophe, was das Klima angeht und das empfinde nicht nur ich so.
In den Anfangswochen dachte ich - komisches Klima hier, vielleicht muss man sich erst beschnuppern, relativ schnell habe ich gespürt, hier haut jeder den anderen in die Pfanne, und zieht über den anderen her. Als ich einige Wochen erst da war, erzählte mir jeder im Team vom Anderen, wo man bei wem aufpassen muss und so weiter. Ich dachte mir - merkwürdig, vordergründig "beste Freunde, arbeiten seit 30 Jahren zusammen" und in Wahrheit stellt jeder dem anderen ein Bein.
Als einige Projekte kräftig gegen die Wand liefen, habe ich erfahren, dass die dort gelernten und nie weg gekommenden ewigen Behördenmitarbeiter sehr starken Zusammenhalt entwickeln, wenn man einem Fremden, Neuen etwas zuschieben kann. Und das Prinzip funktioniert.
Schau dir die Strukturen an, oft arbeiten dort ältere oder mittelalter Leute, die dort oder in ähnlichen Strukturen gelernt haben und sich "eingerichtet" haben, nie etwas anderes gesehen haben.
Ich arbeite seit knapp 2 Jahren dort und bin auf dem Absprung woanders hin, weil ich das Klima als Katastrophe und das Team ebenfalls als einen egoistischen Haufen zusammengewürfelter Leute empfinde, die zueinander so wenig Bezug haben, wie eine Zweckehe, in der man sich auseinandergelebt hat.
Ich habe das sogar mal wörtlich angesprochen, daraufhin kam kaum Gegenwehr oder eine echte Regung oder Andersstellung, ich glaube, weil man es in Wahrheit weiß.
Hinzu kommt bei mir, dass die Verwaltung eher ländlich ist und die Mitarbeiter auch kaum woanders hin wechseln können, man sagt, jeder ist irgendwie verwurschtelt mit jedem und dieses Gemauschel wird von Generation zu Generation weiter getragen.
In Großstädten ist das sicher wieder etwas anders.
Bezeichnend war unsere Weihnachtsfeier, die Arbeitszeit war und somit Pflicht. Alle saßen da, ließen das Spaßprogramm über sich ergehen und Punkt 15 Uhr war die Messe gelesen, da saß keiner mehr da, jeder hatte schon 14.45 Uhr die Jacke an und die Tasche in der Hand.
Ich bin dort auch von Anfang an nicht aufgenommen worden, nicht in Pausenrunden oder irgend etwas, man ist per Sie mit mir geblieben, das war Anweisung. Anfangs war das für mich sehr merkwürdig, inzwischen finde ich es vorteilhaft, weil man auch auf den Tisch hauen kann und seine Meinung ungeachtet jeglicher zwischenmenschlicher Beziehungen kund tun kann. Ich wehre mich auch gegen Zusatzarbeit und es ist mir vollkommen egal, was Kollegen von mir denken, da ich keinerlei Bezug zu diesen Leuten binnen 2 Jahren entwickeln konnte, was ich anfangs sehr versucht habe und heute sogar eher meide oder abblocke, zB Weihnachtsfeiern auf Freiwilligenbasis oder alles was außerhalb Dienstzeit ist, mache ich nicht mehr mit, weil ich nicht einsehe mich mit Leuten an einen Tisch zu setzen, die mich kurz zuvor noch in die Pfanne gehauen haben.
Ich glaube, je kleiner die Verwaltung, desto schlimmer ist das und daher geht mein nächster Arbeitsplatz in eine Verwaltung, die entweder Bundesweit ist oder mindestens eine gewisse Größe hat, wo du Ausweichmöglichkeiten hast.
Ganz schlimm sind diese Mini Stadtverwaltungen mit 50 Leuten, wo im Grunde jeder den anderen schon seit der Kita kennt.