Autor Thema: Bereitschaftszeit gem. §9 TVöD - Verstoß gg. EuGH Urteil vom 21.02.2018?  (Read 3341 times)

Martin

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Gemäß dem § 9 mit Anhang zum § 9, Bereitschaftszeiten im TVöD, wonach diese Zeit als überwiegend arbeitsfreie Zeit gewertet wird, wird diese Zeit nur zur Hälfte als Arbeitszeit angerechnet.
In dieser Zeit wird jedoch vom Arbeitgeber erwartet, sich in den Sozialräumen der Firma aufzuhalten, sodass innerhalb von wenigen Minuten, im Notfall die Arbeit sofort wieder aufgenommen werden kann.

Gemäß dem Urteil vom 21.02.2018 des EuGH (C-518/15) widerspricht diese Arbeitszeitschreibung dem geltenden Recht. Bereitschaftszeit die vom Arbeitgeber gefordert ist und wo der Arbeitnehmer sich an einem bestimmten Ort aufhalten muss, um im Notfall sofort bzw. in kürzester Zeit seine Arbeit wieder aufnehmen soll, ist komplett als Arbeitszeit zu werten.

Beispiel mein Dienstplan hat letzten Monat 230 Std. Anwesenheit hergegeben, wovon ich nur 196 Std. als Arbeitszeit bekommen habe, obwohl ich komplett dem Arbeitgeber zu Verfügung gestanden habe. Selbst wenn die Bereitschaftszeit nicht zustande gekommen ist, da es einen Notfall gab und man durchgearbeitet hat, wurden die Stunden nicht gegeben.

Die AG halten sich strikt an den TVöD, obwohl dieser meiner Rechtsauffassung nach gegen geltendes Recht verstößt.
Hat hierzu jemand eine Idee oder das gleiche Problem?

Vorab, ich wollte mich nur einmal hier um Gleichgesinnte erkundigen, bevor ich mir einen Rechtsbeistand hinzuziehe.

Lars73

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Sind die 230 h im Monat typisch oder bleibt du auf Gesamtjahr betrachtet unter 48h pro Woche?

Hast du das Urteil gelesen und den Sachverhalt mit dem Tarifvertrag verglichen? Das Urteil berührt die Regelung im TVöD nicht.

Martin

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Im Normfall arbeiten wir 4 Tage a 12 Stunden (2 Tagschichten, 2 Nachtschichten), davon sind a 3 Std. Bereitschaftszeit, gefolgt von 4 Tagen Freizeit.

Einmal im Monat wird während eines 4 Tage Freizeitblocks, eine Zusatzschicht von 2 Tagen a 8 Std. gefordert um auf die monatliche Arbeitszeit zu kommen.

Man kommt ansonsten wenn man nur 4 Tage arbeitet und 4 Tage frei hat, in diesen 8 Tagen auf 42 Std., man benötigt jedoch nach TVöD 39 Std. auf 7 Tage.

Letzter Monat war wegen Krankheits- und Urlaubsvertretung etwas viel. Aber gerade da kommt die Spanne zwischen Anwesenheitszeit und Arbeitszeit gut zur Geltung.

Meiner Rechtsauffassung nach, sagt das EuGH Urteil, dass diese Bereitschaftszeit komplett als Arbeitszeit gelten muss. Im TVöD §9 steht jedoch, dass diese Bereitschaftszeit nur zur Hälfte als Arbeitszeit angerechnet wird. Ferner kommen wir dann mit den Zusatzschichten mind. einmal im Monat über die 48 Std. in der Woche gem. §9 Abs. 1 d

Spid

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Der TVÖD trifft keine Regelung dazu, ob etwas Arbeitszeit i.S.d. gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit ist. Er regelt die Vergütung. Das wird durch das genannte Urteil in keinser Weise berührt.

Lars73

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Siehe RN 48-52 im Urteil. Wie Spid schon schreibt berührt das Urteil  nicht die Bezahlung. Das Urteil bestätigt, dass dieser Regelungsbereich in der nationalen Verantwortung liegt und bestätigt damit die Zulässigkeit der Praxis im TVöD.

Martin

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Heißt quasi die "Vorgabe" "Regelung" aus dem TVöD ist so weiterhin praktizierbar.
Wir sind 3 Stunden auf Bereitschaft in der Arbeit und bekommen nur die Hälfte der Zeit als Arbeitszeit, obwohl wir in der Zeit nichts anderes machen können, geschrieben.

Mir geht es hier auch nicht um die Bezahlung, sondern um die Stundenschreibung.

Hier würde ich verweisen auf die RN 57-59.
Hier steht ja geschrieben, wenn man sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhält und sonst keiner anderen Tätigkeit nachgehen kann sowie innerhalb kürzester Zeit bei einem Notfall seine Arbeit aufzunehmen hat, dies als Arbeitszeit zu werten ist.

Aber wenn der TVöD keine Regelungen zur Arbeitszeit trifft, wieso wird dies in §9 mit "Faktorisierungen" genannt bzw. die Bereitschaftszeit zur Hälfte nur gewertet. Dann greift der TVöD meiner Auffassung nach, doch in die Regelung ein.

Spid

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Das ist doch Vergütung! Meine Güte, wenn man sich eine Rechtsmeinung bildet, sollte man zumindest rudimentäre Kenntnisse vorweisen.

Lars73

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@Martin
Es handelt sich um Arbeitszeit im Sinne der RL und auch im Sinne der entsprechenden ArbZeitG. Deshalb dürfen es im Jahresschnitt auch nur zusammen 48h/Woche sein. Aber das berührt nicht die tarifliche Regelung zur Bezahlung dieser Zeit. Du glaubst du könntest etwas aus dem Urteil herauslesen was kein Jurist entdeckt hat? Die Urteilsbesprechungen in der Fachliteratur waren sich einig und auch die Gewerkschaften haben nicht gezuckt. Der Wortlaut und die Systematik der Regelung ist klar.

Martin

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@Lars73
Vielen Dank für die verständliche Antwort.

Dennoch stellt sich mir noch die Frage ob die Schichtplanung bei uns gem. TVöD so funktioniert.
Montag        12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Dienstag      12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Mittwoch      12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Donnerstag  12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Freitag         Frei, aber um 6:00 Uhr morgens aus der Nachtschicht
Samstag       8 Std. Anwesenheit - 8 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Sonntag        8 Std. Anwesenheit - 8 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Montag         Frei
Dienstag      12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Mittwoch      12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Donnerstag  12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Freitag         12 Std. Anwesenheit - 10:30 Std. werden als Arbeitszeit geschrieben
Samstag       Frei, aber um 6 Uhr morgens aus der Nachtschicht
Sonntag       Frei
Montag         Frei
Dienstag       Frei
dann 2 Blöcke wieder 4 Tage arbeiten, 4 Tage frei. Nach diesen kommt dann wieder so eine Zusatzschicht mit 2 Tagen a 8 Std.

Es kommt mir einfach so viel vor. Wir haben teilweise Dienstpläne mit 23 Arbeitstagen, obwohl wir hauptsächlich 12 Stunden Schichten arbeiten.

Da gem. TVöD die wöchentliche Arbeitszeit nicht 48Std überschreiten darf. Hierzu zählt zur Arbeitszeit auch die Bereitschaftszeit in vollen Stunden oder?

Spid

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Da der TVÖD eine solche Regelung nicht enthält, kann zu ihrem Inhalt keine Aussage getroffen werden.

Martin

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@Spid
Sie schreiben wohl auch in Elterforen, ob man Eierlikör schon ab 1 Jahr geben kann, nur um sich zu amüsieren.

Wie versteht man dann im TVöD den Paragrafen 9 Absatz 1 Strich d?
Die wöchentliche Arbeitszeit aus Voll- und Bereitschaftszeit darf durchschnittlich 48 Std / Woche nicht überschreiten.

Spid

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Genau so, wie sie da steht: daß sie durchschnittlich nicht überschritten werden darf. Das ist etwas gänzlich anderes als die Behauptung, sie dürfe nicht überschritten werden.

Martin

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Ja hier habe ich einen Fehler begangen und nicht ausführlich genug den Wortlaut dargelegt.
Hierfür entschuldige ich mich.

Wir überschreiten diese Wochenstunden dennoch regelmäßig alle 2-3 Wochen.

Ich wollte hier nur wissen, ob es hier auch welche gibt, denen es genauso geht.
Ob es hier bei anderen Arbeitgebern bereits Änderungen gab.
Und ob ich mit meiner Begründung komplett falsch liege, dass hier etwas falsch läuft, wenn man dauernd in der Arbeit ist und keine Stunden aufbaut und ich somit meinen Job wechseln sollte, um wieder mehr Freizeit zu haben.

Lars73

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Es kommt alleine auf den langfristigen Durchschnitt an.

Natürlich kann man überlegen sich eine Arbeitsstelle ohne Bereitschaftsdienst zu suchen oder mit dem Arbeitgeber darüber verhandeln. Nur gibt es keine rechtlichen Gründe die gegen die derzeitige Praxis bei Euch sprechen.

Martin

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Wie ist es eigentlich, in der Bereitschaftszeit, in der man nur die Hälfte der Arbeitszeit geschrieben bekommt, darf einem der Arbeitgeber dann vorschreiben man muss sich im Gebäude aufhalten oder dürfte man ggf. in der Zeit Einkaufen gehen, wenn man innerhalb von wenigen Minuten wieder am Arbeitsplatz ist.