Ich möchte noch einmal ganz sachlich und prägnant einen Denkanstoß liefern, der verdeutlicht, weshalb auch die Grundbesoldung massiv angehoben werden muss.
Erster Leitsatz aus dem Beschluss 2 BvL 4/18:
Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zählt das Alimentationsprinzip. Es verpflichtet den Dienstherrn, Richtern und Staatsanwälten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen hergestellt
Ich subsumiere die Immobilienpreisentwicklung unter allgemeine wirtschaftliche Verhältnisse. Ich subsumiere ferner die Möglichkeit, eine Immobilie zu erwerben als allgemeiner Lebensstandard für zwei Vollverdiener. Nun sind die Immobilienpreise in den Ballungsräumen in den letzten zehn Jahren um näherungsweise 40-50% gestiegen.
Ohne zu akademisch zu werden. Die alte Faustregel besagt, dass man ca. ein Drittel seines Einkommens für das Wohnen ausgeben soll. Wenn ich bei einem Gehalt von 3.000 netto 50% auf ein Drittel draufschlage, lande ich bei 500€ netto bzw. rd. 16,6%, erforderliche Besoldungserhöhung. Nominal mag es diese in den letzten zehn Jahren vielleicht gegeben haben. Der Kaufkraftverlust ist jedoch mehr als spürbar. Und das ist nur der Aspekt Wohnen. Jedenfalls wäre das die Größenordnung von der ich glaubte, dass der Dienstherr für mich sorgen würde, um mir den allgemeinen Lebensstandard zu ermöglichen. Und erst anschließend ist über Mehrbedarfe für Kinder zu entscheiden.
Es ist nur ein Wunsch. Aber die Generation Y möchte auch noch ein bisschen leben. Momentan müsste ich mich alle 2 Jahre befördern lassen um die Preissteigerungen aufzufangen, aber die A-Besoldung ist endlich.
Anstatt den Ledigen die Grundbesoldung zu kürzen um Familienzuschläge zu erhöhen könnte man ja auch einen Eigenheimzuschlag einführen für Hauseigentümer, wenn die Häuser noch auf der Tasche ihrer Eltern ähm Bauherren liegen. Die Besoldung soll sich ja am allgemeinen Lebensstandard und am tatsächlichen Bedarf orientieren. Ca. 2000€ netto monatlich mehr dürften hier gerade ausreichen.
Das, was Du schreibst, ist grundsätzlich richtig: Denn der Bundesverfassungsgericht kommt auf Grundlage seiner Prüfsystematik zum dem Schluss, dass in allen betrachteten Jahren die Grundgehaltssätze unvereinbar mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums sind und schließt dabei am Ende gezielt an den von Dir zitierten ersten Leitsatz an, indem es eine "teilweise drastische Abkopplung der Besoldung der Richter und Staatsanwälte von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin" konzediert (Rn. 177). Wie die erste Prüfstufe zeigt, sind davon nicht nur vierköpfige Beamtenfamilien, sondern alle Beamte betroffen; deshalb sind insbesondere
auch die Grundgehaltssätze zu korrigieren, unabhängig davon, dass das Exekutiven und Legislativen in Deutschland auf instrumenteller Grundlage anders sehen (wollen).
Um die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten realitätsgerecht zu berücksichtigen, hat es das 95 %-Perzentil entwickelt, das maßgebliche Auswirkung auf die zukünftige Bemessung der Nettoalimentation und damit auch auf die Grundbesoldungssätze entfaltet. Nicht umsonst hat das VG Hamburg auf Grundlage der BVerfG-Prüfsystematik für die Jahre 2012 bis 2019 einen durchschnittlichen jährlichen Netto-Fehlbetrag von rund 5.100,- € bzw. 15,2 % festgestellt, nachdem es mit Ausnahme für das Jahr 2019 die Mehrzahl der Prüfparameter der ersten Prüfungstufe als erfüllt angesehen hat (VG Hamburg, Beschluss vom 29.09.2020 - 20 K 7509/17 u. a. - S. 39 f.), während der Hamburger Senat erfolglos versucht hat, das zu unterbinden (ebd., S. 31 f.). Die Nettoalimentation muss in den Jahren um durchschnittlich mindestens rund 18 % erhöht werden, um ein verfassugskonformes Niveau zu erreichen - und das ist durch ausschließliche Erhöhung der Familienzuschläge, wie es Berlin vorgemacht hat, Thüringen und Mecklenburg in ihren Reparaturgesetzen planen und der Bund zunächst geplant hatte, auf Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur nicht möglich. Auch die aktuelle Hamburger Idee bemisst die Familienzuschläge offensichtlich zu hoch, was sich ab Herbst - so ist zu vermuten - in allen anderen Ländern entsprechend fortsetzen wird.
Genau deshalb muss eben weiterhin Wierspruch gegen die Besoldung eingelegt werden. Das Bundesverfassungsgericht wird auch die genannten und ggf. zukünftige gleichartige Versuche auf Grundlage seiner Besoldungsdogmatik zurückweisen, da sie in Widerspruch zu ihr stehen. Die Mühlen der Justiz mahlen zwar langsam; aber sie mahlen und sie werden auch die genannten und ggf. entsprechend zukünftigen Gesetze zu Staub verarbeiten.
PS. Was übrigens nicht mehr richtig sein dürfte und eventuell so kaum mehr wiederkehren wird, ist die einstmalige Faustregel, dass das Wohnen rund ein Drittel des monatlichen Einkommens ausmache. Sie gilt vielfach noch für Altmieter und Alteigentümer - solange der Zins weltweit so gering wie in den Jahren seit der Finanzkrise bleibt, wird sich das freie Kapital nach wie vor neben Aktien den Weg in die Immobilien suchen: mit der Folge weiter steigender Unterkunftskosten. Ob in ein paar Jahren gegenläufige Entwicklungen einsetzen werden, steht in den Sternen (und dieses Mal nicht derer von Daimler, sondern denen der Deutschen Bank, die bekanntlich in bar auszahlt:
https://www.reuters.com/article/deutschland-immobilienpreise-idDEKBN2B0152).