Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2719329 times)

SwenTanortsch

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Und PS. Mein letzte Beitrag zeigt die Grundlage der Sprengkraft, der BVerfG-Beschluss zugleich die monetäre Dimensionen, um die es geht: Das Land Berlin wird nicht umhinkommen, einem Landesbeamten der untersten Gehaltsgruppe, der fristgerecht Widerspruch gegen seine Besoldung eingelegt hat, für die sieben Jahre von 2009 bis 2015 so viel Gehalt nachzuzahlen, dass davon netto nach Steuern über 60.000,- Euro übrigbleiben; seine Nettoalimentation erhöht sich in diesem Zeitraum folglich um mehr als 25 Prozent (vgl. Rn. 153 des aktuellen Beschlusses, der diesbezüglich zwar noch keine Rechtskraft hat, aber diese im Zuge der weiteren Verfahren erhalten wird; denn das BVerfG wird diesbezüglich nun sicherlich nicht ein ganz anderen Beschluss fassen).

Und PS. Lieber was_guckst_du: Es wäre schön, wenn Du einfach mal nachprüfbare Argumente für Deine Sichtweise darlegen würdest. Die von mir angegebenen müssen nicht richtig sein, sind aber jeweils nachprüfbar. Worauf Deine Sichtweise gründet, bleibt mir allerdings unklar.

WasDennNun

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Wird es da nicht wahrscheinlich, dass die unterste(n) Besoldungsgruppen "aufgelöst" werden, da sie ja eh nur noch minimal existieren und die letzten Mohikaner dieser Gruppen einfach mal befördert werden, damit verschafft sich der Staat ja Luft, oder?

was_guckst_du

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...in nrw gibt es den einfachen Dienst schon nicht mehr...

...und die Verfassungsmässigkeit der übrigen Alimentationen liegt bestätigt vor...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

was_guckst_du

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Und PS. Mein letzte Beitrag zeigt die Grundlage der Sprengkraft, der BVerfG-Beschluss zugleich die monetäre Dimensionen, um die es geht: Das Land Berlin wird nicht umhinkommen, einem Landesbeamten der untersten Gehaltsgruppe, der fristgerecht Widerspruch gegen seine Besoldung eingelegt hat, für die sieben Jahre von 2009 bis 2015 so viel Gehalt nachzuzahlen, dass davon netto nach Steuern über 60.000,- Euro übrigbleiben; seine Nettoalimentation erhöht sich in diesem Zeitraum folglich um mehr als 25 Prozent (vgl. Rn. 153 des aktuellen Beschlusses, der diesbezüglich zwar noch keine Rechtskraft hat, aber diese im Zuge der weiteren Verfahren erhalten wird; denn das BVerfG wird diesbezüglich nun sicherlich nicht ein ganz anderen Beschluss fassen).

Und PS. Lieber was_guckst_du: Es wäre schön, wenn Du einfach mal nachprüfbare Argumente für Deine Sichtweise darlegen würdest. Die von mir angegebenen müssen nicht richtig sein, sind aber jeweils nachprüfbar. Worauf Deine Sichtweise gründet, bleibt mir allerdings unklar.

...ich will dir deine Freude über deine Nettonachzahlung in Höhe von 60.000 € nicht nehmen... ;)
Gruß aus "Tief im Westen"

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Chrisdus

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...in nrw gibt es den einfachen Dienst schon nicht mehr...

...und die Verfassungsmässigkeit der übrigen Alimentationen liegt bestätigt vor...

Genau das sehe ich komplett anders. Die letzten Urteile haben sich bei der Überprüfung der Alimentation im Hinblick auf das BVerfG-Urteil aus 2015 auf die enstprechenden Prüfparameter beschränkt. Das jetzige Urteil geht in seiner Konkretisierung auf wesentliche, weitere Aspekte ein, so zum Beispiel die im ersten Urteil aufgeworfenen 15% Abstand zur Sozialhilfe. Darüber hinaus werden exakte Berechnungshinweise für die Feststellung des Sozialhilferechtlichen Bedarfes gegeben. Dazu die Prozedualisierungspflichten.

Letztlich hat das jetzige Urteil das Urteil von 2015 weiterentwickelt, das eben in den letzten Urteilen auch dazu führte, dass die Prüfparameter für sich alleine gesehen keine Wirkung zeigten, der Abstand von 15% aber jetzt das ganze Gefüge ins Wanken bringt.

Im Übrigen verweise ich dabei auch auf den Aufsatz von Stuttmann vom VG-Düsseldorf aus 2016, der für NRW genau diesen Sachverhalt mit konkreten Berechnungen vorgelegt hat (NVwZ 2016, 184). Er kommt im Hinblick auf die 15% Abstand zum Schluss, dass jede Besoldung unter A8/5 in NRW diesen Sachverhalt nicht erfüllt und somit insgesamt die Besoldungsordnung in NRW verfassungswidrig zu niedrig ist.


was_guckst_du

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...Aufsatz aus 2016...ach so...ja dann..worauf wartest du mit deiner Klage? :o
Gruß aus "Tief im Westen"

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SwenTanortsch

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Ähnliche Versuche haben verschiedene Länder durchgeführt, zuletzt auch Niedersachsen, indem die Besoldungsgruppen A2 bis A4 abgeschafft wurden und die wenigen Kollegen aus A4 nach A5 übergeleitet wurden. Das Problem ist allerdings, dass nach der nun bestätigten Berechnungsmethodik hier in Niedersachsen selbst die Besoldungsgruppe A 9 noch nicht den 15-prozentigen Abstand zum sozialhilferechtlichem Existenzminimum aufweist (jedenfalls war das 2019 so, für 2020 habe ich noch keine Berechnungen vorgenommen).

Zugleich hört sich das, was ich hier schreibe, vielfach völlig abstrus an (denke ich) - tatsächlich haben wir uns in den letzten 15 Jahren daran gewöhnt, dass die völlig abstruse Situation einer massiven Unteralimentation wie normal gewirkt hat, eben wegen des langen Zeitraums.

Das Hauptproblem der Gesetzgeber ist, dass es bislang keine rechtsverbindlichen Vorlage zur regionalen Differenzierung von Besoldungen gab (auch das könnte ich jetzt recht lang ausführen - es ist ein ebenfalls spannendes, weil historisch gewachsenes Thema) und dass das nun endet, da das BVerfG den Mietenindex bzw. die verschiedenen Mietenniveaus (oder einen aussagekräftigen anderen Indikator) als rechtskräftig beschlossen hat. Damit erhöht sich das zum Vergleich herangezogene sozialhilferechtliche Existenzminimum gewaltig, woraus sich die extremen neuen Werte ergeben.

Hätten die Gesetzgeber ab 2012, als sich das BVerfG zunehmend der Thematik annahm, angefangen, die zunehmend schärferen Beschlüsse des BVerfG ernstzunehmen, wäre es vielleicht nie zu der jetzigen Situation gekommen. Allerdings blieb dem BVerfG ob der vielen Tricksereien und der streckenweise massiven Missachtung der (zunächst noch nicht konkreten oder konkretisierten) Vorgaben kaum anderes übrig, als nun einen engen Rahmen zu schaffen, aus dem die Gesetzgeber - da nun klare Operationalisierungen vorliegen - nicht mehr ausbrechen können. Nun gibt es eine klare Berechnungsgrundlage für die Bestimmung des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus - und dahinter kann keiner mehr zurück.

Und PS. Niedersachsen ist nicht Berlin - wie hoch hier die Nachzahlung sein wird, wird sich erst noch zeigen. Und fast noch mehr als das Geld freut mich, dass endlich wieder Recht wird, was offensichtlich Recht ist. Die Kolleginnen und Kollegen mittlerweile mehr als 15 Jahre unterzualiminieren und zugleich das typische Dienstherrngebaren an den Tag zu legen, war deutlich ätzender als der reale Gehaltsverlust, finde ich.

Chrisdus

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...Aufsatz aus 2016...ach so...ja dann..worauf wartest du mit deiner Klage? :o

Warum so eine Polemik?

Unglücklich über den Ausgang des Urteils?  :P

was_guckst_du

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...bin selber Beamter...neige aber nicht zu sinnloser euphorie
Gruß aus "Tief im Westen"

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Mark 5

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Also ich finde die Hinweise und Ausführungen von SwenTarnotsch sehr hilfreich! Vielen Dank!

Chrisdus

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...bin selber Beamter...neige aber nicht zu sinnloser euphorie

Ich auch nicht. Deswegen verfolge ich dennoch die Rechtssprechung und freue mich über die Auslegung "objektiver" Kriterien, nach denen sich die Besoldung zu richten hat. Letztlich ist es, wie bereits gesagt, auch eine Sache der Gerechtigkeit und eine (hoffentliche) "Abkehr von der "Willkürlichen" Besoldung nach Kassenlage.

SwenTanortsch

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...und die Verfassungsmässigkeit der übrigen Alimentationen liegt bestätigt vor...

Genau das sehe ich komplett anders. Die letzten Urteile haben sich bei der Überprüfung der Alimentation im Hinblick auf das BVerfG-Urteil aus 2015 auf die enstprechenden Prüfparameter beschränkt. Das jetzige Urteil geht in seiner Konkretisierung auf wesentliche, weitere Aspekte ein, so zum Beispiel die im ersten Urteil aufgeworfenen 15% Abstand zur Sozialhilfe. Darüber hinaus werden exakte Berechnungshinweise für die Feststellung des Sozialhilferechtlichen Bedarfes gegeben. Dazu die Prozedualisierungspflichten.

Letztlich hat das jetzige Urteil das Urteil von 2015 weiterentwickelt, das eben in den letzten Urteilen auch dazu führte, dass die Prüfparameter für sich alleine gesehen keine Wirkung zeigten, der Abstand von 15% aber jetzt das ganze Gefüge ins Wanken bringt.

Im Übrigen verweise ich dabei auch auf den Aufsatz von Stuttmann vom VG-Düsseldorf aus 2016, der für NRW genau diesen Sachverhalt mit konkreten Berechnungen vorgelegt hat (NVwZ 2016, 184). Er kommt im Hinblick auf die 15% Abstand zum Schluss, dass jede Besoldung unter A8/5 in NRW diesen Sachverhalt nicht erfüllt und somit insgesamt die Besoldungsordnung in NRW verfassungswidrig zu niedrig ist.

Das, was Du schreibst, ist auch hier durchgehend richtig, Chrisdus.

Sehr umfassend anhand vielfacher Berechnungen stellt auch Gisela Färber: Ökonomische Aspekte einer verfassungskonformen Gestaltung von Besoldung und Versorgung, ZBR 2018, 228 ff. die Problematik systematischer Unteralimentation dar; zur Prozeduralisierung sagt Franz Lindner: Die "zweite Säule" des Alimentationsprinzips - zur Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers, ZBR 2019, 83 ff. alles, was nötig ist.

Das BVerwG folgte übrigens mehrfach gezielt Stuttmann, nicht zuletzt in der Ansetzung der höchsten Mietstufe, was nun vom BVerfG noch einmal konkret expliziert im zweiten der beiden gestern veröffentlichten Beschlüsse bestätigt wird (Beschluss vom 4. Mai - 2 BvL 6/17 - Rn. 52). Insbesondere dieser Sachverhalt macht die Angelegenheit so teuer für die Länder.

Und PS. Danke, Mark 5, mache ich gerne: Je mehr sich die Sachlage herumspricht, desto größer die Chance, dass die Landesregierungen Druck bekommen.

Chrisdus

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@SwenTanortsch

Ich denke, wir sind uns in der Sache sehr einig  ;)

Eine interessante Nebennotiz in der Urteilsbegründung zur Richterbesoldung ist auch die Tatsache, dass das BVerfG explizit auf die Bestenauslesefunktion der Beamten abzielt. So steht dort geschrieben, dass die Besoldung im Vergleich zur Privatwirtschaft nicht nur konkurrenzfähig sein muss, sondern auch imstande, die Besten anzuwerben. Wenn die Stellen leer laufen, ist das ein Indiz für die Unterbesoldung, was zur Erhöhung der Besoldung führen muss.

Ich bin gespannt, wie die Länder die R-Besoldung neu rechnen, abgeleitet von der A-Besoldung mit entsprechender Rechnung. Wie du schon sagtest, die Korrelation ist gegeben und nicht umgehbar.

Für alles andere wird ggf. der Klageweg deutlich kürzer werden (hoffentlich).

was_guckst_du

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..wie gesagt...wir werden es sehen...

...meine Erfahrung sagt mir, dass in den nächsten 2 Jahren erst einmal nichts dergleichen passieren wird...

Gruß aus "Tief im Westen"

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Zauberberg

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.... wenn die unteren Stufen der A-Besoldung nach oben korrigiert werden, müßte doch die gesamte Besoldungtabelle bis A16 angepasst werden.
Dann kommt man wieder auf den Vergleich von Angestellten und Beamten. Eine z.B. E12 wird in der Tätigkeit mit einer A12 verglichen, jedoch ist die Netto-Besoldung von A12 im Gegensatz zur Vergütung E12 schon jetzt höher.
Steht dann anschließend der Tarifvertrag zur Prüfung an ?