Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1469145 times)

Unterbezahlt

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1515 am: 26.04.2021 15:30 »
Ja ich denke der REZ kommt in den meisten BL und Bund. Wie er dann konkret heißt und ausgeformt ist wird sich zeigen. Als Rechtsfolge ergibt sich das ja hier sehr deutlich aus dem zitierten Beschluss 2 BvL 4/18.
Aber ob ich das denke oder nicht bringt hier tatsächlich keinen weiter.

Verzinsung gibt’s erst mit Einreichung einer Klage. Widerspruch wird nicht verzinst. Bei Klage beträgt der Verzugszinssatz regelmäßig 5 Prozentpunkte p. a. über dem Basiszinssatz.

Ich reiche derzeit keine Klage ein, weil es aus meiner persönlichen Sicht der falsche Zeitpunkt ist. Ich reiche ein, sobald mein Widerspruch beschieden ist. Das wird passieren, wenn es einen Beschluss des BVerfG zu meinem BL gibt. Und dann wird mit Anwalt geklagt werden müssen, weil ich nicht davon ausgehe, dass der Dienstherr dann kapituliert und seinen Rechtspflichten vollständig nachkommt, sondern eben weiter schönrechnet und trickst.

Das Geschreibe hier ist nicht nur aus therapeutischen Motiven sinnvoll, sondern trägt dazu bei die Sache selbst zu durchdringen. Die Sache an den Anwalt abtreten kann jeder. Ich finde es intellektuell hochspannend was hier gerade passiert. Ohne Anwalt wird’s am Ende dennoch nicht gehen.

"Was_guckst_du" muss man zustimmen, wenn man am Thema nicht interessiert ist und nur die Kohle will. Dann ist das hier alles verschwendete Lebenszeit. Wer kein Bock hat, schickt zur Rechtssicherheit einmal pro Jahr im Dezember einen aktualisierten Widerspruch ab und macht bis zu dessen Bescheidung gar nichts. Das ist, wie ihr vielleicht festgestellt habt, nicht mein intellektueller Ansatz.
Sammelklage ist hier aus meiner Sicht nicht möglich.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1516 am: 26.04.2021 17:34 »
Der nächste Vorteil des Forums ist, dass man Neuigkeiten insbesondere aus den verschiedenen Ländern erfährt.

Der Besoldungsgesetzgeber kann im Sinne des BVerfG nur im engen Rahmen Familien- und Ortszuschläge kombinieren, da realitätsgerechte Bedingungen zu beachten sind; das dürfte ein GRund für das Scheitern des REZ sein: Das Mietenniveau ist im letzten Jahrzehnt generell stark gestiegen, nicht nur für vierköpfige Familien; ergo kann er nicht nur für sie die Alimentation deutlich erhöhen. Zugleich muss er die (sozial-)gesetzlichen Unterhaltssätze im Blick behalten. Auch ist ein einfacher Ortszuschlag nur in Grenzen an die regionalen Unerkunftskosten anzubinden, da es selbst lokal große Unterschiede in den Mietennuveaus gibt - und zwar in den Flächenstaaten grundsätzlich in der Nähe von Agglomerationen.

Der Hauptteil der anstehenden Alimentationserhöhungen wird am Ende über die Grundbesoldung erfolgen müssen - und da dem so ist, ist zu erwarten, dass die Tricksereien wie zurzeit im Bund, in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen noch so lange fortgeführt werden, wie es irgend möglich ist. Söder hat das für Bayern gerade erst auf den Punkt gebracht. Denn der Tenor war ja, auch Bayern habe nicht mehr so rosige Haushaltszeiten wie dereinst, habe in den letzten Jahren eine Menge gemacht, die Entscheidung des BVerfG bedeute nicht nur gute Sachen und alles Weitere müsse in die Zeit passen, um in diesem Zusammenhang die Übertragung der Tarifergebnisse für den Herbst in Ausicht zu stellen.

Wenn unlängst der Landesverband Berlin des Deutschen Richterbund in seiner Stellungnahme zum Berliner Reparaturgesetz schreibt: "Die Missachtung der aus der Entscheidung des BVerfG zwingend zu ziehenden Schlüsse empfinden wir als demokratiegefährdend", dann kann ein juristischer Verband wohl kaum mehr deutlicher werden - aber das wird ebenfalls kaum zum Umdenken animieren, ist zu vermuten...

clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1517 am: 26.04.2021 19:11 »
Wenn ich in meinem Job einen Widerspruch sechs Monate nicht bearbeite, dann kann ein Widerspruchsführer direkt beim OVG klagen.

Insofern finde ich es doch ziemlich bedenklich, dass Klagen derzeit keinen Sinn machen, weil Klageverfahren bereits anhängig sind und eh vor der eigenen Klage dran wären, während die Gesetzgeber von Bund und Ländern trotzdem ungestraft ein verfassungswidriges Besoldungsgesetz nach dem anderen heraushauen.

lumer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1518 am: 26.04.2021 21:47 »
Zum Zinsanspruch: Es gibt keine Prozesszinsen für die Zeit ab Klageerhebung. Prozessrechtlich: Zulässige Klage ist die Feststellungsklage, verfassungswidrig zu niedrig alimentiert worden zu sein, jedoch keine Leistungsklage mit wenigstens bestimmbarem zu niedrigen Betrag. Materiellrechtlich: Prozesszinsen kann es nur geben, wenn ein bestimmter Anspruch besteht. Dieser Anspruch folgt für die Alimentation aus dem Gesetz. Das Besoldungsgesetz, das angegriffen wird, wurde jedoch (idR) erfüllt. Wenn das Besoldungsgesetz aufgehoben wird, gibt es keinen gesetzlichen Anspruch. Dieser entsteht erst mit einem neuen Besoldungsgesetz. Alles schon entschieden, vgl. z.B. BVerwG, 2 B 36.05.


Unterbezahlt

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1520 am: 27.04.2021 12:22 »
Zum Zinsanspruch: Es gibt keine Prozesszinsen für die Zeit ab Klageerhebung. Prozessrechtlich: Zulässige Klage ist die Feststellungsklage, verfassungswidrig zu niedrig alimentiert worden zu sein, jedoch keine Leistungsklage mit wenigstens bestimmbarem zu niedrigen Betrag. Materiellrechtlich: Prozesszinsen kann es nur geben, wenn ein bestimmter Anspruch besteht. Dieser Anspruch folgt für die Alimentation aus dem Gesetz. Das Besoldungsgesetz, das angegriffen wird, wurde jedoch (idR) erfüllt. Wenn das Besoldungsgesetz aufgehoben wird, gibt es keinen gesetzlichen Anspruch. Dieser entsteht erst mit einem neuen Besoldungsgesetz. Alles schon entschieden, vgl. z.B. BVerwG, 2 B 36.05.

Vielen Dank!

Das war mir in dieser Form noch nicht bekannt. Damit besteht dann wirklich kein Zeitdruck mehr und man kann in Ruhe die Bescheidung des Widerspruchs abwarten. Für die Dienstherrn bedeutet es leider auch weniger Handlungsdruck... Denn das neue Besoldungsgesetz wird ja auch wieder verfassungwidrig. Never ending story  >:(

Siehe beispielsweise den Planungsstand aus Thüringen! Danke @ xap

Und da regieren sogar die Linken. Es scheint tatsächlich völlig egal zu sein wer regiert. Hauptsache es kostet nichts. Da ist man sich in der Gesetzesbegründung parteiübergreifend einig. Was für ein verfehltes Rechtstaatsverständnis da zugrunde liegt...

Die Stellungnahme des TBB ist übrigens gut begründet. Die zeigen mal Eier und scheinen es auch verstanden zu haben. Da könnte sich so mancher Landesverband eine Scheibe von abschneiden. In Niedersachsen wollen die Gewerkschaften vom Thema nichts wissen.


nero

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1522 am: 29.04.2021 16:09 »
https://www.dbb-nrw.de/aktuelles/news/dbb-nrw-nimmt-stellung/
daraus:
"Als vertane Chance sieht der DBB NRW zudem, dass nicht auch die zweite Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Berücksichtigung in dem vorliegenden Gesetzentwurf gefunden hatte. Diese betrifft die nordrhein-westfälischen Beamtinnen und Beamten zwar nicht direkt, hat jedoch mittelbare Auswirkungen auf deren Besoldung. „Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Vorreiter zu sein, und die Alimentation wieder auf verfassungsfeste Füße zu stellen“, so Roland Staude. „Zumindest hat das Ministerium der Finanzen NRW aber angekündigt, die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Besoldung in Nordrhein-Westfalen zu analysieren.“"

Na dann warten wir die Analyse mal ab...

BStromberg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1523 am: 30.04.2021 10:17 »
https://www.dbb-nrw.de/aktuelles/news/dbb-nrw-nimmt-stellung/

Wie die Landesministerien in NRW rechnen, hat man in der Vergangenheit ja gesehen. Von der angekündigten Attraktivitätsoffensive, die im Zuge der letzten (oder waren es gar die vorletzte) Tarifrunde vereinbart wurde, hört man auch erstaunlich wenig.  :D

Ich bin felsenfest überzeugt, dass es ein Nullsummenspiel wird. Selbst wenn in ferner Zukunft mal Nachzahlungsansprüche für Widerspruchführer erfolgreich zur Auszahlung gelangen, wird das garantiert mittelbar über eine bloß minimalistische Übertragung der Tarifergebnisse refinanziert werden; ggf. sogar durch Abkopplung.
 
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Meine Meinung bilde ich mir selber."
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clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1524 am: 30.04.2021 11:17 »
Wobei eine Abkopplung zu den Tarifergebnissen wieder dazu führen dürfte, dass die Besoldungssteigerungen unter der Inflation bliebe und dier Umstand dann wiederum die nächsten Klagen wegen zu niedriger Alimentation nach sich zögen.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1525 am: 30.04.2021 11:19 »


Ich bin felsenfest überzeugt, dass es ein Nullsummenspiel wird. Selbst wenn in ferner Zukunft mal Nachzahlungsansprüche für Widerspruchführer erfolgreich zur Auszahlung gelangen, wird das garantiert mittelbar über eine bloß minimalistische Übertragung der Tarifergebnisse refinanziert werden; ggf. sogar durch Abkopplung.
 
[/quote]

Ich weiß nicht, ob das mittelfristig so geschehen kann, Bernd (kurzfristig wird das so weitergehen, das denke ich ebenfalls); die Grenzen eines solchen Vorgehens werden jetzt ebenfalls hier einordnend dargelegt: https://www.doev.de/ausgaben/9-2021/ Je häufiger und umfassender die Problematiken öffentlich thematisiert werden, desto schwieriger dürfte es für die Besoldungsgesetzgeber werden, ihr wiederkehrend nicht verfassungskonformes Verhalten rechtfertigen und fortsetzen zu können.

stressinger

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1526 am: 01.05.2021 13:26 »
Das LfF in Rheinland-Pfalz hat alle Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Besoldung sei angemessen, auch unter Einbeziehung des Urteils vom BVerfG. Ganz toll...

Finanzer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1527 am: 01.05.2021 17:13 »
Dann haben Sie jetzt die Chance zu klagen. Werde ich definitiv tun, sollte bei mir eine negative Antwort kommen.

Unterbezahlt

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1528 am: 01.05.2021 19:12 »
Das LfF in Rheinland-Pfalz hat alle Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Besoldung sei angemessen, auch unter Einbeziehung des Urteils vom BVerfG. Ganz toll...

Das ist ja echt dreist. Vermutlich werden die meisten Kollegen die Frist verstreichen lassen und aufgrund der Kosten von einer Klage absehen. Der Anspruch für die Nachzahlung wäre dann verwirkt und RLP hat richtig viel Geld gespart.

Und die haben wirklich alle Widersprüche beschieden?

Ich kann aufgrund der Sachlage jedem Beamten bundesweit zu einer Klage raten, sollte der Widerspruch nicht ruhend gestellt und abgewiesen werden.

Mich würde die Begründung aus RLP interessieren. Mag jemand anonymisiert hier den Text hochladen?

sapere aude

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1529 am: 01.05.2021 20:48 »
https://www.gdp.de/gdp/gdpnrw.nsf/id/DE_Landesregierung-passt-Familienzuschlag-fuer-kinderreiche-Familien-rueckwirkend-zum-01-01-2021-an-?open&ccm=300035005

In einer Anlage gibt es auch Zahlen für den Familiemzuschlag ab dem dritte Kind.

Die Nettobetrachtung findet (wohl) keine Anwendung. Beim Familienzuschlag wird nur marginal nach Besoldungsgruppen differenziert. Mehr Brutto für die höheren Besoldungsgruppen gibt es nicht.