Moin alle miteinander,
aus dem hohen Norden gibt es nun auch mal wieder Neuigkeiten:
Nachdem das OVG Schleswig nunmehr auch die Besoldungsgruppen A 13, 15 und 16 gem. Art. 100 GG "nach Karlsruhe geschickt hat" (vgl.
https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/OVG/Presse/PI_OVG/2021_03_23_weitere_Besoldungsgruppen_unteralimentiert.html;jsessionid=B2B25626DB662A379B5DCC5AA63706D9.delivery2-master) hat sich nunmehr die Finanzministerin Heinold (B90/Grüne) um Landtag dazu geäußert.
https://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/infothek/wahl19/aussch/finanz/niederschrift/2021/19-105_04-21Anlage2.pdfKurz einmal die Highlight in der Zusammenfassung:
1. Die Landesregierung gesteht ein, dass aktuell der Abstand zur Grundsicherung gerissen wird."[D]ie Nettoalimentation bzw. Nettobesoldung einer Beamtin oder eines Beamten als Alleinverdienerin oder Alleinverdiener einer vierköpfigen Familie [muss] mindestens 15 % über dem vergleichbaren Niveau der sozialen Grundsicherung (dazu zählen auch Leistungen für Bildung und Teilhabe und Kinderbetreuung).
Dieses wird in den unteren Besoldungsgruppen nicht erfüllt."
2. Die Landesregierung hat Rn. 47 der Entscheidung des BVerfG vom 05.05.2020 nur sehr selektiv wahrgenommen. Der Mindestabstand zur Grundsicherung muss immer erfüllt sein, damit eine amtsangemessene Alimentation vorliegt. Hier müssen in der ersten Prüfstufe nicht noch zwei weitere Parameter "gerissen" werden.
"Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich ein Verstoß in drei Parametern [neben dem Abstand zur Tarifentwicklung und der Verbraucherpreisentwicklung in Schleswig-Holstein] und damit die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation."
3. Es ist mit jeder Menge weiteren Taschenspielertricks zu rechnen.
"Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen bisherigen Entscheidungen keine näheren materiellen Vorgaben für eine entsprechende Umsetzung gemacht. Damit bleibt ein gesetzgeberischer Spielraum bestehen. [...] Sofern es also zu einer für das Land negativen Entscheidung kommen sollte, bleiben
die Instrumente zu prüfen, die die Herstellung der Verfassungskonformität gewährleisten, aber mit geringeren Kosten als die angesprochene Wiedereinführung der Sonderzahlung verbunden sind."
4. Das Finanzministerium möchte liebend gerne WasDennNun folgen und zukünftig für die Ermittlung der Grundsicherung nur noch für einen Single als Maßstab nehmen.
"Dieses Problem resultiert aus der Annahme eines Alleinverdienstes der Beamtin oder des Beamten für eine vierköpfige Familie. Das Problem entsteht also dann, wenn Kinder mit zu versorgen sind. Dieses zeigt auf, dass bei dieser Fallkonstellation eine Lösung in einer bedarfsgerechteren Aussteuerung der kindbezogenen Familienzuschläge liegen kann. [...] So erscheint die Heranziehung der noch aus der Weimarer Republik stammenden Alleinverdienstannahme als Maßstab der Verfassungsge-mäßheit der Alimentation für eine vierköpfige Familie völlig aus der Zeit gefallen."
5. Die Nachwuchssituation im öD ist absolut rosig und es steht keinerlei Personal- bzw. Anwärtermangel zu befürchten
"Im Übrigen können Beamtenbesoldung und -versorgung nach wie vor als im Vergleich gutes und attraktives Bezahlungssystem betrachtet werden. Dies bezeugt allein der ungebrochene Trend zur Verbeamtung im öffentlichen Dienst."
Schade, dass das OVG die Chance vertan hat, die Sache (wie von Stuttmann vorgeschlagen) zur schnelleren Entscheidung dem LVerfG vorzulegen. Rechtlich wäre dies problemlos möglich gewesen, da über Art. 3 der LV SH auch Art. 33 GG (und damit das Alimentationsprinzip) unmittelbar geltendes Landesrecht ist. Eine zusätzliche Vorlage an das BVerfG wäre ja auch möglich gewesen.