Wie sich Baden-Württemberg in der Vergangenheit zur amtsangemessenen Besoldung geäußert hat:
https://i.imgur.com/w6DtayB.png
Unterkunftskosten + ein Zuschlag in unbekannter Höhe seien bei der Besoldung schon berücksichtigt.
Quelle:
https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/8000/16_8487_D.pdf
Relevanter Part der Drucksache 16/6493 auf die verwiesen wird
https://i.imgur.com/DjTrNsY.png
Es ist gut, dass Du diese Begründungen des Baden-Württembergischen Landtags hier noch einmal einstellst, Ozymandias; daran lässt sich nämlich noch einmal zeigen, dass das Land - wie alle anderen und der Bund auch - die Besoldungsanpassung auf verfassungswidriger Grundlage vornahm.
Der Baden-Württembergische Landtag hat in der letztjährlichen Begründung zum derzeit geltenden Besoldungsanpassungsgesetzes (Drs. 16/6493) im Sinne seiner Prozeduralisierungspflichten auch seine Berechnungen und Berechnungsgrundlagen zur Mindestalimentation dargestellt (S. 46-49). Es ist dabei - wie alle anderen Bundesländer auch - davon ausgegangen, dass zur Bestimmung des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus undifferenziert auf die Pauschalbeträge im 12. Existenzminimumbericht der Bundesregierung zurückgegriffen werden kann (vgl. ebd., S. 47). Dieses von allen Ländern und dem Bund praktizierte Vorgehen erklärt das Bundesverfassungsgericht nun für verfassungswidrig, was es in einer längeren Passage durchdekliniert (vgl. im aktuellen Beschluss die Rn. 46-79).
Obgleich der aktuelle Beschluss noch einige wichtige Konkretisierungen beinhaltet, ist diese Passage von ihrer praktischen Relevanz her das Herzstück der aktuellen Entscheidung: Denn hier legt das Verfassungsgericht rechtswirksam fest, wie auf der einen Seite das sozialhilferechtliche Existenzminimum zu bestimmen ist, sodass es realitätsgerechten Prüfungen standhält; auf der anderen Seite stellt es dar, wie die Nettoalimentation zu berechnen ist - für die Nettoalimentation ergänzt es an zwei Stellen das bisher von ihm schon festgelegte Verfahren um zwei Details. Die Bestimmungsmethodik für das sozialhilferechtliche Existenzminimum ist hingegen gänzlich neu; denn dazu hatte sich das Bundesverfassungsgericht bislang nicht geäußert, weshalb mit Spannung auf diese Entscheidung gewartet worden ist, weil im Vorhinein klar war, dass das Gericht in ihr die Methodik vorlegen würde; nicht klar war, wie sie wohl aussehen würde (deshalb die Spannung).
Vor der aktuellen Entscheidung war zur Bestimmung des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveau nur unstrittig, dass die Regelbedarfssätze für zwei Erwachsene undifferenziert anhand des Existenzminimumberichts ermittelt werden dürfen, was vom Verfassungsgericht so auch bestätigt worden ist.
Alle anderen Faktoren zur Bestimmung des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus dürfen allerdings nach der aktuellen Entscheidung nicht mehr undifferenziert anhand der pauschalisierten Werte des Existenminimumberichts erfolgen, wobei die Begründung insgesamt zu umfänglich und komplex ist, als dass sie hier dargelegt werden könnte. Vereinfacht kann man sagen, dass das Verfassungsgericht den Existenminimumbericht wegen seiner anderen Zweckstellung - eben das sozialgesetzliche Existenzminimum zu bestimmen, das steuerrechtlich nötig ist, da genau dieser Mindestbedarf steuerfrei gestellt wird (jeder darüber liegende Euro muss versteuert werden; das ist steuerrechtlich der eigentliche Sinn der Bestimmung des sozialgesetzlich zu bestimmenden Existenzminimums) - als nicht hinreichend zur Bestimmung einer beamten- und besoldungsrechtlich begründeten (Mindest-)Alimentation ansieht, da das, was realitätsgerecht für Sozialhilfeempfänger gilt und also auch unter steuerrechtlichen Prämissen erstellt wird, nicht ohne Weiteres auf Beamte übetragen werden kann, da eben eine jeweils unterschiedliche Rechtsstellung vorliegt, die sich aus der unterschiedlichen Zweckstellung der jeweils verschiedenen juristischen Bedingungsfaktoren ergibt.
Das formuliert das Gericht an einer der entscheidenden Stellen des aktuellen Beschlusses wie folgt (hier für die und anhand der Unterkunftskosten, an anderen Stellen und mit anderen Worten auch für die weiteren oben genannten Faktoren):
"
Eine Übernahme der in den Existenzminimumberichten angewandten Methode kommt nicht in Betracht. [...] Dass die Auffassung der Bundesregierung, diese Methodik sei auch für die Bestimmung der Mindestalimentation heranzuziehen, nicht zutreffen kann, folgt schon daraus, dass sie in ihrer Stellungnahme die Beamten ausdrücklich auf den Wohngeldbezug verweist [also einen sozialgesetzlichen Bezugspunkt einbringt; Anm. durch mich]. Der Besoldungsgesetzgeber kann sich seiner aus dem Alimentationsprinzip ergebenden Verpflichtungen [also mit Blick auf das Beamten- und Besoldungsrecht; Anm. durch mich] aber nicht mit Blick auf Sozialleistungsansprüche entledigen; die angemessene Alimentation muss durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden". (Rn. 56; Fettdruck durch mich)
Auf dieser Grundlage sind alle bislang vorgenommenen Bestimmungen auf Grundlage des Existenzminimumberichts verfassungswidrig, sodass das Bundesverfassungsgericht die Regelleistung für zwei Kinder, die Bedarfe für Bildung und Teilhabe, die Heiz- und die Unterkunftskosten jeweils höher bestimmt (für die Unterkunftskosten sehr deutlich höher), als das die sechszehn Länder und der Bund bislang getan haben. Dadurch erhöht sich der Wert für das sozialhilferechtliche Grundsicherungsniveau beträchtlich, was dann Auswirkungen auf die 115%ige Vergleichsschwelle, also die Mindestalimentation, nach sich zieht.
Wenn nun also das die Landesregierung Baden-Württembergs in ihrer aktuellen Begründung zum neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes (Dr. 16/8487), der kurz vor der Veröffentlichung der aktuellen BVerfG-Entscheidung vorgelegt worden ist, schreibt:
"Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit die Besoldung in unteren Besoldungsgruppen anzuheben, ergibt sich - wie in der Gesetzbegründung zum BVAnpGBW 2019/2020/2021 dargestellt - nicht, weil der Abstand der Nettobesoldung zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum eingehalten wird (vgl. Landesdrucksache 16/6493).
Der bei der Ermittlung des Abstands der Nettobesoldung zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum unter anderem auch hinsichtlich der Unterkunftskosten
erfolgte Rückgriff auf Daten des 12. Existenzminimumberichts der Bundesregierung (zuzüglich eines Zuschlags wegen höherer Mietkosten in Baden-Württemberg)
entspricht den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen der Typisierung" (S. 97 f.; Fettdruck durch mich), dann kann sie ihren Gesetzentwurf gleich wieder einstampfen. Denn der in der Drs. 16/6493 vorgenommene Rückgriff auf den Existenzminimumbericht ist mit Blick auf die Regelbedarfe für zwei Kinder, der Bedarfe für Bildung und Teilhabe, der Heiz- und Unterkunftskosten (trotz des hier vorgenommenen Zuschlags) verfassungswidrig, entspricht eben seit dem 04.05. diesen Jahres nicht mehr den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie auch der Fettdruck im obigen Zitat aus dem aktuellen BVerfG-Beschluss zeigt.
Insofern wird es nun interessant, wie Baden-Württemberg jetzt mit dem Gesetzesentwurf verfahren wird. Hat die Landesregierung doch das letzte Zitat wie folgt fortgesetzt: "Die Entscheidung des BVerfG zu den Aussetzungs- und Vorlagenbeschlüssen des BVerwG vom 22.09.2017 zur Besoldung im Land Berlin bleibt abzuwarten und muss nach ihrem Vorliegen im Detail auf etwaige Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Besoldung in Baden-Württemberg überprüft werden." (ebd.)
Und da haben nun doch Regierung und Landtag eine schöne Aufgabe vor sich und für sich formuliert... Denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail... Und leider ist das Detail mit Blick auf den von der Regierung genannten aktuellen BVerfG-Beschluss eine ganze Hölle. Wünschen wir also Regierung und Landtag alles Gute für das frohgemute Werk, auch wenn's nicht mehr der Erwin der Teufel zu verantworten hat, sondern der Winnfried der Kretschmann.