Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1492357 times)

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1890 am: 06.08.2021 17:42 »
Ich halte es für einen gewagten Alleingang, mal kurz das Partnereinkommen in die hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums bezüglich des Alimentations-/Mindestabstandsgebots miteinzubeziehen.

Aus aktuellem Anlass, bei Steuer- und Besoldungsthemen lässt sich das BVerfG gerne viel Zeit, wenn es um das Lieblingsspielzeug ÖRR geht, dann kann es den Richtern nicht eilig genug gehen. Ich warte immer noch auf ein seit 2014 anhängiges Verfahren bei der Steuer. Dann warten wir eben weiter, aber immerhin kommt der Musikantenstadl ohne Unterbrechung.

Fahnder

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1891 am: 06.08.2021 17:45 »
Soweit sind wir gekommen. Beamte müssen gegenüber ihrem Dienstherren Anträge auf Grundsicherung stellen, um Genehmigung betteln sowie sämtliche Einkommensdaten ihrer Familie veröffentlichen. Das ist ja an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten! Seit wann enthalten die hergebrachten Grundsätze die Partnerwahl? Meine Klage wäre sofort draußen, können sich diese Leute noch im Spiegel anschauen?

uniprof

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1892 am: 06.08.2021 21:36 »
Nun ist die Frist 31. Juli schon fast eine Woche verstrichen, ohne dass NRW die Alimentation kinderreicher Familien per Gesetz neu geregelt hätte. Wie es scheint, steckt das Gesetz nach der 1. Lesung fest … Kann das Land NRW so eindeutig eine Vorgabe des BVerfG  mißachten? Hat das denn keine Folgen? Ich bin hier als Beamter des Landes NRW sehr enttäuscht von meinem Dienstherrn und auch etwas ratlos, wie es nun weitergeht.


Schokobon

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1893 am: 06.08.2021 22:14 »
So schnell wirst vom Beamten zum Aufstocker  ;D

cyrix42

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1894 am: 06.08.2021 23:35 »
Ich finde die Besoldungsordnungen werden immer verrückter. Irgendwann kann dann die beamtete Managergattin/ der beamtete Managergatte umsonst arbeiten, weil genügend Familieneinkommen zur Verfügung steht. Das hat nichts mit Leistungsgerechtigkeit zu tun, sondern mit Sozialismus.

Ähm, die Alimentation von Tätigkeits-unabhängigen Bedürfnissen einer Person (z.B. die Versorgung weiterer Familienmitglieder), wie sie die Beamtenbesoldung mit sich bringt, ist deutlich näher an der kommunistischen Idee, jeden nach seinen Bedürfnissen zu entlohnen, als die in allen privatrechtlich geschlossenen Arbeitsverhältnissen üblichen reinen Entlohnung der Arbeitstätigkeit selbst.

Wenn du dich also gegen "Sozialismus" aussprichst, solltest du dich dementsprechend auch gegen solche sachfremden Dinge wie Familienzuschläge u.Ä. im Berufsbeamtentum aussprechen, da diese keinerlei Zusammenhang mit der Arbeitsleistung haben und also "nicht mit Leistungsgerechtigkeit" zu tun haben...

Verwaltungsgedöns

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1895 am: 07.08.2021 01:23 »
Moin alle miteinander,

im hohen Norden gibt es mal wieder Neuigkeiten (vgl. https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/VI/Presse/PI/2021/210806_besoldung.html). Eine grüne Finanzministerin stellt sich ins Foyer eines Landtages und kündigt tatsächlich die Einführung einer Herdprämie ("Familienergänzungszuschläge 1 und 2") für EhepartnerInnen von Beamtinnen und Beamten an. Wenn ich CSU-Politiker wäre, wüsste ich nicht, ob ich dabei lachen oder weinen sollte ;)

Daneben noch jede Menge weiterer Kniffe um ja nicht an die Grundbesoldungssätze ran zu müssen. Dass das Eingangsamt in SH erst letztes Jahr von A4 auf A5 angehoben wurde, sollte nicht unerwähnt bleiben. Aber lest selbst:
Auch hier kommt der Eindruck massiv auf, dass nicht die geforderte Umsetzung gewählt wurde, sondern die billigste Variante von allen, in der Hoffnung, dass es nicht so auffällt. Insgesamt liest sich das ja ganz gut, was Hamburg für die Beamten tut, die ganzen Verbesserungen, fraglich ist nur aus meiner Sicht: Entspricht es der Umsetzung des Beschlusses vom BVerfG? Ohne es jetzt weiter überprüft zu haben, würde ich einfach mal nein tippen. Aus der Vergangenheit heraus, war Hamburg ja auch nicht besonders beamtenfreundlich gesinnt.

Steht in Hamburg etwas an?

WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1896 am: 07.08.2021 12:21 »
Ich halte es für einen gewagten Alleingang, mal kurz das Partnereinkommen in die hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums bezüglich des Alimentations-/Mindestabstandsgebots miteinzubeziehen.
Ja, durchaus gewagt.
Aber in sich auch die logische Folge, wenn der Partner mit alimentiert werden muss, dann muss man doch wissen, ob der Partner sich nicht selbst versorgt.
Ich fände es skandalös, wenn der Beamte 800€ für den Partner der sich nicht selbst versorgen kann bekommt, und damit genauso viel wie der Beamte dessen Partner eigenes Geld nach Hause bringt.
Das Mindestabstandsgebot wird ja nicht bei dem Single gerissen, sondern bei dem mit Kind und Kegel und dass schon seit Dekaden.

Es wird spannend, ab diese "Modernisierung" der Alimentationsgrundsätze vor BVerG bestand haben wird, falls ja. Dann wird es in naher Zukunft tatsächlich für die Beamten darauf hinauslaufen, dass man für den bedürftigen Partner eine Zulage beantragen muss.
Und dann ist der Schritt auch nicht mehr weit, Kind 1 und 2 wie Kind 3+ zu betrachten und zu alimentieren und die Grundbesoldung alleinig auf den Solo Beamten auszurichten.
Was ja angeblich nicht geht, aber die logische und gerechtestes Struktur für die Besoldung wäre, jetzt werden ja Beamte mit 1 oder 2 Kinder gegenüber den anderen Beamten benachteiligt!!
Mal sehen, ob dies das BVerG zulassen wird.

Fahnder

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1897 am: 07.08.2021 12:53 »
Um dies einmal Zusammenzufassen: Berlin hat seine Richter/Staatsanwälte (m.w.d.) zu gering besoldet. Bergründet wurde dies mit dem Abstand von A4 zu Grundsicherung und dem Vergleich zur Privatwirtschaft.

Lösung von Schleswig-Holstein: "Wir lassen die Besoldung im Wesentlichen wie gehabt. Richter/Staatsanwälte (m.w.d.) werden jetzt amtsangemessen besoldet, da A4 bis A9 auf Antrag und erst nach eingehender Prüfung ihrer persönlichen Einkommensverhältnisse eine Herdprämie bekommen. A9 bekommt im Zweifel nunmehr mehr als A10, aber immerhin sparen wir Geld."

Das BVerfG wird diesem Unfug ein Ende bereiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein. Lasst eure Widersprüche offen und geht vor die Gerichte! Wenn mein Land sowas versucht, werde ich durch alle Instanzen marschieren. Ich bin schon gespannt, wann meine Bezüge von 2016 ff. durch die Gerichte entschieden sind.
« Last Edit: 07.08.2021 13:04 von Fahnder »

Verwaltungsgedöns

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1898 am: 07.08.2021 13:29 »
Ich denke, das Verfassungsgericht wird einfach erneut urteilen. Mehr nicht. Also dann in mindestens 10 Jahren erst. Das wiederholt sich dann unendlich oft. Wir haben auch keine Lobby in der Bevölkerung, die über Wahlen Druck machen würde. Wer hat Mitleid mit einem Beamten, der immernoch mehr verdient, als jeder Bauarbeiter, der körperlich deutlich härter arbeitet als die meisten von uns?

Der Gesetzgeber macht was er will. Wenn wir machen, was wir wollen, werden wir mit Disziplinarverfahren und Strafen überzogen und werden aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Das Problem ist, dass unser Treueverhältnis nur funktionert, wenn sich beide Seiten an die Regeln halten. Wenn mein Herr nun anfängt, mich zu schlagen, was mache ich dann?
Am Ende wird Spaltung und Korruption stehen. Unser Beamtentum in dieser Form wird es in 20 Jahren nicht mehr geben. Dann halten viele nebenbei die Hand auf und dienen nur noch ihren eigenen Interessen. Das wird kleptokratisch.

Ozymandias

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« Antwort #1899 am: 07.08.2021 13:34 »
@WasDennNun
Genau das wird ja eigentlich schon bei der Ehepartnerbeihilfe gemacht, wo das Einkommen des Partners kontrolliert wird. Swen wird sicherlich wieder ein paar Hundert Seiten dazu schreiben, warum es nicht geht.  ;)

Wobei eine Person die bis zu 20.000 Euro verdient, seine PKV eigentlich auch selber zahlen könnte. Hier gab es zum Jahresanfang in BW einige Änderungen. Ausländische Einkünfte werden nun dazugezählt und für Neurentner wird der Zahlbetrag genommen und nicht mehr der steuerlich relevante Betrag der Rente. Durch geschickte Gestaltung kann man, wenn man nur eine kleinere Rente bekommt, trotz Millionenvermögen (thesaurierend angelegt oder in einer GmbH gelagert) von der Ehepartnerbeihilfe profitieren und ca. 500 Euro im Monat sparen. Ist in dieser Hinsicht auch schon absurd, es quietscht an allen Ecken des Besoldungssystems.

Letztendlich scheitern die Versuche der Gesetzgeber aber allein schon daran, weil die Erhöhungen der letzten Jahre eher mager waren und die Wohnkosten enorm gestiegen sind. => Grundbesoldung erhöhen oder Abstandsgebot verletzen. Aber es sagt ja schon einiges aus, dass die Fristen des BVerfG sanktionslos ignoriert werden.

Verwaltungsgedöns

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« Antwort #1900 am: 07.08.2021 14:30 »
Bei kleptokratisch bezog ich mich auf korrupte Beamte, die sich nicht mehr an die Regeln halten.

boysetsfire

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« Antwort #1901 am: 07.08.2021 17:13 »
Ich bin sprachlos, jetzt fängt also auch Schleswig-Holstein an zu tricksen.  >:(

"Berücksichtigung des Partnereinkommens"? "Ein entsprechender Bedarf"? "bedarfsgerecht"? Das ist allerfeinstes Hartz 4-Politikersprech. Wo soll das denn noch hinführen? Wird die Besoldung künftig erst dann ausgezahlt, nachdem eine Bedürftigkeitsprüfung ergeben hat, dass der Beamte auch wirklich "bedürftig" ist? WTF!?!?!


cyrix42

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« Antwort #1902 am: 07.08.2021 17:39 »
Na Ausgangspunkt zum verletzten Abstandsgebot zur Grundsicherung war ja, dass Beamte anders als gleichhoch entlohnte Angestellte keine Aufstockung auf/ über Grundsicherungsniveau beim Amt beantragen können. Jetzt können Sie es beim Besoldungsgeber. Problem gelöst. :)

@boysetsfire: Mit welcher Begründung sollte denn ein Beamter Alimentation für die Versorgung der sich selbst versorgenden Ehegattin beanspruchen können? "War schon immer so" ist kein sinnvolles Argument... Und falls du meinst, dass dieser Zuschlag ja im Wesen des Beamtentums liegt: Warum sollte der Single-Beamte nicht den gleichen Anspruch auf diesen Zuschlag haben? Er hat genauso wenig wie der Erstgenannte noch jemanden neben ihm zu versorgen.

Als Steuerzahler finde ich es schon gut, wenn nach Bedarf alimentiert wird. Das war ja durchaus auch ein wesentlicher Hintergedanke der Sozialgesetzgebung der Schröder-Ära. Warum hier also Beamte ausklammern?

(Es sei denn natürlich, man tritt für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Dann steht dem Partner des Beamten natürlich der gleiche Betrag zu wie jedem anderen, selbst wenn er sich selbst auch via Arbeitstätigkeit o.Ä. auch anderweitig eigenständig finanzieren kann.)

SwenTanortsch

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« Antwort #1903 am: 07.08.2021 22:43 »
@WasDennNun
Genau das wird ja eigentlich schon bei der Ehepartnerbeihilfe gemacht, wo das Einkommen des Partners kontrolliert wird. Swen wird sicherlich wieder ein paar Hundert Seiten dazu schreiben, warum es nicht geht.  ;)


Nein, muss ich nicht, da dazu alles, was nötig ist, eingehend gesagt ist. Das deckt sich zugleich mit der neuesten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die nach der aktuellen BVerfG-Entscheidung entsprechend auf diese reagiert, vgl. VG Hamburg, Beschluss v. 29.09.2020 - 20 K 7510/17 -, Rn. 70 f. und OVG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 23.03.2021 - 2 LB 93/18 - Rn. 105-108. Wer es umfangreicher haben möchte, findet hier die Betrachtung angemessener und unangemessen zu hoher Familienzuschläge, vgl. S. 2 f. und ab der S. 8: https://www.berliner-besoldung.de/berliner-besoldung-bis-weit-in-den-gehobenen-dienst-hinein-unterhalb-der-grundsicherung/ Mit jedem weiteren Gesetzentwurf zeigt sich, wie sehr sich die Besoldungsgesetzgeber an die verfassungswidrige Besoldungspraxis der letzten anderthalb Jahrzehnte gewöhnt haben und wie sehr dabei die Rechtstreue gelitten hat. Zurecht macht  das BMI auf die Integrität der Verwaltung als eine wichtige Voraussetzung für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Funktionsfähigkeit des Staates aufmerksam (https://www.bmi.bund.de/DE/themen/moderne-verwaltung/integritaet-der-verwaltung/integritaet-der-verwaltung-node.html). Leider richtet sich der Verhaltenskodex nur an die Bediensteten und nicht an die vereidigten Kabinettsmitglieder und die Abgeordneten der Parlamente.

Descartes

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« Antwort #1904 am: 09.08.2021 08:37 »
Nun ist die Frist 31. Juli schon fast eine Woche verstrichen, ohne dass NRW die Alimentation kinderreicher Familien per Gesetz neu geregelt hätte. Wie es scheint, steckt das Gesetz nach der 1. Lesung fest … Kann das Land NRW so eindeutig eine Vorgabe des BVerfG  mißachten? Hat das denn keine Folgen? Ich bin hier als Beamter des Landes NRW sehr enttäuscht von meinem Dienstherrn und auch etwas ratlos, wie es nun weitergeht.

Dafür muss man Verständnis haben, denn SPD und Grüne hatten noch Klärungsbedarf, was den Entwurf anging. Und die beiden haben es ja sowieso nicht so mit Kindern….Die nächste Sitzung des Finanzausschusses ist am 30. August und vorher läuft da gar nichts. Schon interessant, dass einerseits Entscheidungen des BVerfG als Goldene Bulle behandelt werden („Klima“) und andererseits als frei disponible Empfehlung.