Wie man hört, soll in Schleswig-Holstein ja die Besoldung unter anderem dadurch verfassungskonform werden, dass die Beihilfe für Ehegatten bei 2 Kindern im Haus auf 90 %angehoben wird:
https://oeffentlicher-dienst-news.de/schleswig-holstein-besoldung-2022/
Was bedeutet so eine Regelung eigentlich für Widersprüche, die in der Vergangenheit liegen? Damit kann die Besoldung wohl kaum rückwirkend angehoben werden, weil Beihilfebescheide ja rechtskräftig sind und die pkv Beiträge auch bereits bezahlt wurden...
Gibt es Möglichkeiten sich in diesem Zusammenhang z. b. Beim Bund, wo eine Neugestaltung ja wohl noch dauert, Ansprüche zu sichern bzw eine Umwandlung herbei zu führen?
Es scheint, dass mit der Beihilfeanhebung zumindest für die Vergangenheit kostengünstig viel abgefrühstückt werden kann, oder missverstehe ich das?
Die Veränderung der Beihilfesätze ist erst ab dem Kalenderjahr 2022 geplant. So sollen die Kosten der privaten Krankenversicherung für die betroffenen Familien gesenkt werden. Für die Vergangenheit sind rückwirkend Pauschalen zu den Beiträgen der privaten KV geplant, die sich allerdings an der grundsätzlichen Beihilfefähigkeit in der Vergangenheit orientieren.
Kinderreiche Beamte, deren Ehegatte und/oder Kinder gesetzlich ktankenversichert waren, würden demnach leer ausgehen oder weniger bekommen. Auch dürften diejenigen leer ausgehen, die es versäumt haben, rechtzeitig ihre Ansprüche geltend zu machen bzw. noch geltend machen werden.
Veränderungen im Beihilferecht werden vom BVErfG in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich als eine der Möglichkeiten betrachtet, die dem Gesetzgeber sein weiter Entscheidungsspielraum lässt (vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 49), was sich auch auf die Höhe der Nettoalimentation auswirkt (Rn. 76). Der Gesetzgeber hat dabei die folgende gefestigte Rechtsprechung des BVerfG zu beachten:
"Die Amtsangemessenheit der Alimentation ist ferner im Lichte des Niveaus der Beihilfeleistungen zu bewerten (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). Das gegenwärtige System der Beihilfe ist zwar nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation; von Verfassungs wegen muss die amtsangemessene Alimentation lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist (vgl. BVerfGE 83, 89 <98>; 106, 225 <233>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Die Alimentation ist aber dann nicht mehr ausreichend, wenn die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung krankheitsbedingter und nicht von der Beihilfe ausgeglichener Belastungen erforderlich sind, einen solchen Umfang erreichen, dass der angemessene Lebensunterhalt des Richters, Beamten oder Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet ist. Das Prinzip der amtsangemessenen Alimentation verlangt, eine Auszehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile durch krankheitsbezogene Aufwendungen zu verhindern (vgl. BVerfGE 117, 330 <351 f.>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Bei einer solchen Sachlage kann daher eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren, verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. BVerfGE 58, 68 <78>; 106, 225 <233>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl zeitlich gestaffelter, für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Einschnitte des Gesetzgebers im Beihilfebereich das für den sonstigen Lebensunterhalt des Richters oder Staatsanwalts zur Verfügung stehende Einkommen unangemessen reduzieren (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>)." (vgl. a. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015 - BvL 17/09 -, Rn. 122; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -, Rn. 105)
Die im Zitat dargelegte Sachlage scheint allerdings nicht gegeben, da sich die PKV-Kosten im Verlauf der letzten 15 Jahre recht kontinuierlich entwickelt haben, also die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung krankheitsbedingter und nicht von der Beihilfe ausgeglichener Belastungen erforderlich sind, nicht einen solchen Umfang erreicht haben, als dass der angemessene Lebensunterhalt des Richters, Beamten oder Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet sei. Sachlich betrachtet, stellt sich folglich die Frage, wieso nun eine solche gesetzliche Regelung vollzogen werden soll. Nicht umsonst führt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung aus: "Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen." (vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 26). Da sich mit Blick auf die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse die PKV-Kosten nicht diskontinuierlich geändert haben, muss der Gesetzgeber folglich nur umso mehr die tatsächliche Notwendigkeit begründen, mittels der geplanten Idee und nicht anderer Regelungen die Alimentation amtsangemessen machen zu wollen.
Sofern das Land eine entsprechende gesetzliche Regelung vollziehen wird, ist es also gezwungen, diese umfassend zu prozeduralisieren, um zu zeigen, dass sein einziger Grund nicht das sachwidrige Einsparen von Personalkosten sein sollte. Wenn das dem Land mit hinreichenden sachlichen Gründen gelänge, die also vor dem BVerfG Bestand hätten, sollte die geplante Vorstellung verfassungsrechtlich statthaft sein - und wenn nicht, zahlte das Land dann später denen, die Widerspruch eingelegt haben, wie gehabt den Fehlbetrag nach.