Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1490684 times)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2040 am: 04.09.2021 13:58 »
Richtig, und du hast des Weiteren dann ein paar Seiten später ausgeführt, dass sich die Sprengkraft langfristig doch einstellen wird, und dann wiederum, dass sich die Sprengkraft langfristig doch nicht einstellen wird und sicherlich auch noch einmal gerne irgendwo das Gegenteil des Gegenteils, da du in der Anfangszeit von nichts eine Ahnung hattest, was dann wiederkehrend zu Aussagen wie dieser hier geführt hat (um mal den von dir hervorgehobenen Kontext zu beachten):

"...also nochmal...jeder, der meint Widerspruch einlegen zu müssen, soll das tun...ich will niemanden davon abhalten...gleichwohl bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass die Einlegung von Widersprüchen nur sinnvoll ist, wenn man selbst zum betroffenen Personenkreis gehört...und zu diesem Personenkreis gehört nunmal nicht jeder x-beliebige Beamte sondern nur die Beamten mit drei und mehr Kindern..." (https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.60.html)

Aber ich weiß, du wiederholst dich nicht gerne, weshalb du solche Aussagen heute höchstwahrscheinlich nicht mehr wiederholst...

was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2041 am: 05.09.2021 09:08 »
Und PS. Mein letzte Beitrag zeigt die Grundlage der Sprengkraft, der BVerfG-Beschluss zugleich die monetäre Dimensionen, um die es geht: Das Land Berlin wird nicht umhinkommen, einem Landesbeamten der untersten Gehaltsgruppe, der fristgerecht Widerspruch gegen seine Besoldung eingelegt hat, für die sieben Jahre von 2009 bis 2015 so viel Gehalt nachzuzahlen, dass davon netto nach Steuern über 60.000,- Euro übrigbleiben; seine Nettoalimentation erhöht sich in diesem Zeitraum folglich um mehr als 25 Prozent (vgl. Rn. 153 des aktuellen Beschlusses, der diesbezüglich zwar noch keine Rechtskraft hat, aber diese im Zuge der weiteren Verfahren erhalten wird; denn das BVerfG wird diesbezüglich nun sicherlich nicht ein ganz anderen Beschluss fassen).

Und PS. Lieber was_guckst_du: Es wäre schön, wenn Du einfach mal nachprüfbare Argumente für Deine Sichtweise darlegen würdest. Die von mir angegebenen müssen nicht richtig sein, sind aber jeweils nachprüfbar. Worauf Deine Sichtweise gründet, bleibt mir allerdings unklar.

...ich will dir deine Freude über deine Nettonachzahlung in Höhe von 60.000 € nicht nehmen... ;)

Stand heute:
Niemand hat bisher "sprengkraftmäßig" profitiert. Aber wie gesagt, will ich dir und deinen Jüngern den Glauben daran nicht nehmen....ich wünsche Eurer Vision sogar viel Erfolg
Gruß aus "Tief im Westen"

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SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2042 am: 05.09.2021 10:27 »
Ich habe keine Jünger - und über die Unterscheidung von Recht und Politik haben wir erst vor geraumer Zeit geschrieben und waren dort, wenn ich das recht erinnere, einer Meinung.

Du kannst natürlich anderen Menschen wiederkehrend deine Vorstellungen über ihre Ansichten als ihre Ansicht unterstellen - oder du könntest vielleicht auch mal anfangen, vor deiner eigenen Haustür zu kehren. Wie gesagt, eine hohe Anzahl der von dir hier geäußerten Darlegungen sind von Anfang an falsch gewesen und andere haben sich als falsch erwiesen, was kein Beinbruch ist, sondern menschlich. Aber das einzuräumen, scheint dir nicht gegeben. Stattdessen musst du wiederkehrend von Jüngern, Stuttmännern und ähnlichem Zeug reden und damit unterstellen, dass jene, die anderer Meinung sind als du, offensichtlich zu eigenständigem Denken nicht fähig seien, sondern nur zum Nachplappern.

Und PS zum von dir gerade zitierten PS. Ich bin, wie dir bekannt ist, kein Berliner Landesbeamter, habe aber in dem von dir gerade angebrachten Zitat von jenen in der untersten Gehaltsgruppe gesprochen. Wie du auf die Idee gekommen bist, der du offensichtlich noch immer anhängst, dass die Berliner Alimentation in der unteren Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A irgendwas mit meinem Kontostand zu tun haben sollte, ist schon am 29.07.2020 so schleierhaft geblieben, wie es das jetzt noch immer ist. Insofern zitierst du dich mit einer der nächsten deiner sachlich falschen Aussagen. Die Sprengkraft der aktuellen BVerfG-Entscheidung zeigt sich dahingegen gerade darin, dass bislang alle Gesetzgeber, die das Thema seit Sommer letzten Jahres angegangen sind, mit argen Verrenkungen mindestens das Recht dehnen, worin die Gefahr liegt, dass sie es sprengen. Ursache der Verrenkungen ist die monetäre Dimension, da die bundesverfassungsgerichtliche Judikatur dazu führt, dass ausnahmslos alle geltenden Besoldungsordnungen in Deutschland materiell evident unzureichend sind. Wenn ich es recht erinnere, hast du das vor geraumer Zeit ebenfalls noch so gesehen - siehst du es jetzt wieder anders?

wossen

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2043 am: 05.09.2021 11:03 »
Man sollte sich ja auch mal in die Gedankenwelt von Politikern reindenken - da wird mancher bei den Gerichtsurteilen denken - 'Urteile von Beamten für Beamte' (sagen tuts natürlich keiner): Interessant wird es, falls die Medien das Thema entdecken sollten (und das wird bei Realisierung kommen...)

In der Tat hat es auch etwas Absurdes an sich (für Menschen, die nicht ausschließlich in den formalen Kategorien des Beamtenrechts denken) , wenn zu niedrige Alimentierungen im einfacher/mittlerem Dienst mit vielen Kindern zu erheblichen Gehaltszuwächsen insgesamt z.B. im A 16-Bereich führen sollten (die dann auch noch als Erhöhungen des Grundgehalts pensionsrelevant werden)

Es besteht auch durchaus die Gefahr, dass eine Grundsatzdiskussion aufkommt - familienbezogene Gehaltsbestandteile sind ja nun im ausserbeamtlichen Bereich keine Selbstverständlichkeit (mal vorsichtig gesagt).

Von politischer Seite wird dann ja auch angeführt, dass man natürlich auch die Tarifbeschäftigten im Blick hat....auf die man das ja nun nicht übertragen wird/kann... (die Nettogehaltsdifferenzen in Tätigkeiten des gehobenen/höherem Dienst würden dann noch erheblich ausgebaut werden, weil man mit A5 oder so mit X-Kindern nicht rechtmäßig alimentiert wird - ist schon eine sehr heikle Sache)
« Last Edit: 05.09.2021 11:10 von wossen »

was_guckst_du

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« Antwort #2044 am: 05.09.2021 11:32 »
...Fakt ist, es stehen verschiedene verfassungsgerichtliche Entscheidungen im Raum, die die Politik im Rahmen ihrer Besoldungsgesetzgebung umsetzen muss..in welcher Form sie dies versucht, haben wird ja bereits an einigen Beispielen gesehen...in keinem Beispiel, zeigt sich eine Erhöhung der Alimentation durch die ganze Bandbreite der Besoldung ohne Rücksicht auf den jeweiligen Familienstand...von Abstandgeboten ist nie die Rede..

...natürlich geht "mehr immer", aber ich persönlich würde es in meinem Fall absurd finden, wenn ich, der ich bereits verwundert feststellen musste, dass ich zu den oberen 10% gehöre, die noch vom Solidaritätszuschlag berührt werden, verfassungsrechtlich als unteralimentiert gelten würde...das passt doch hinten und vorne nicht...

...wenn es aber gleichwohl so wäre, sehe ich die eigentliche "Sprengkraft" der verfassungsrechtlichen Urteile in dem Umstand, dass diese Entscheidungen die Tür zur Abschaffung des Berufsbeamtentum aufgestoßen haben...

...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen


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wossen

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« Antwort #2045 am: 05.09.2021 12:00 »
Yepp; 'genießen, Zurückhaltung und Arbeiten an kontinuierlichen Verbesserungen für die direkt von den Urteilen betroffenen Gruppen' wäre sicherlich mittelfristig der clevere Weg, als jetzt auf breiter Front (!) allumfassend anzustreben, einen ganz großen Schluck aus der Pulle zu nehmen versuchen.

Zudem zwingt man jetzt Haushaltspolitiker sich in die Gesamtmaterie einzuarbeiten, auch das kann nach hinten losgehen...was_guckst_du bringt es doch auf den Punkt

Bastel

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« Antwort #2046 am: 05.09.2021 13:34 »
...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen

Dazu benötigt es eine 2/3 Mehrheit? Wahrscheinlicher ist es, dass die SED Nachfolger unter 5% bleiben...

cyrix42

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« Antwort #2047 am: 05.09.2021 13:35 »
...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen

Naja, selbst wenn es eine linke Bundesregierung gäbe -- die CDU/CSU säße immer noch via des Bundesrats am Verhandlungstisch. Ohne  Zustimmung der Union käme kein zustimmungspflichtiges Gesetz durch den Bundesrat; und natürlich erst recht keine Grundgesetzänderung. Selbst FDP (RP+NW+SH) + Freie Wähler (BY) + ein weiteres Bundesland mit min. 2 Millionen Einwohnern könnten eine Grundgesetzänderung aufhalten...

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2048 am: 05.09.2021 13:49 »
...Fakt ist, es stehen verschiedene verfassungsgerichtliche Entscheidungen im Raum, die die Politik im Rahmen ihrer Besoldungsgesetzgebung umsetzen muss..in welcher Form sie dies versucht, haben wird ja bereits an einigen Beispielen gesehen...in keinem Beispiel, zeigt sich eine Erhöhung der Alimentation durch die ganze Bandbreite der Besoldung ohne Rücksicht auf den jeweiligen Familienstand...von Abstandgeboten ist nie die Rede..

...natürlich geht "mehr immer", aber ich persönlich würde es in meinem Fall absurd finden, wenn ich, der ich bereits verwundert feststellen musste, dass ich zu den oberen 10% gehöre, die noch vom Solidaritätszuschlag berührt werden, verfassungsrechtlich als unteralimentiert gelten würde...das passt doch hinten und vorne nicht...

...wenn es aber gleichwohl so wäre, sehe ich die eigentliche "Sprengkraft" der verfassungsrechtlichen Urteile in dem Umstand, dass diese Entscheidungen die Tür zur Abschaffung des Berufsbeamtentum aufgestoßen haben...

...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen

Ich sehe das meiste, was du schreibst, genauso - nicht zuletzt auch mit Blick auf meine eigene Alimentation, wobei ich mich zugleich auch frage (Niedersachsen ist seit recht langer Zeit nicht gerade auch in den höheren Gehaltsgruppen ein Hochbesolder), wie es anders sein könnte. Gefühlsmäßig geht's da wohl auch eher um die Wertschätzung, Arbeitsbelastung und Qualität und weniger um's Geld: Denn was nix kostet, ist in Deutschland bekanntlich leider zumeist auch nix wert. Solange man uns unteralimentieren kann (weil man es kann), wird man auch in anderen Bereichen schauen, was dort geht (weil man es kann). Darüber hinaus wird die Qualität unserer Arbeit seit Jahren nicht besser, weil auch hier entgrenzt immer mehr draufgepackt wurde und wird. Und zugleich ist es einfach unanständig, die unteren Besoldungsgruppen in dieser Art und Weise auszubeuten, wie das seit mindestens 15 Jahren ausnahmslos geschieht.

Letztlich geht's also insbesondere um Entgrenzung, so wie in den meisten anderen gesellschaftlichen (und ökonomischen) Bereichen auch - und von daher dürfte sicherlich einiges Interesse auch in verschiedenen politischen Richtungen vorhanden sein, dem Beamtentum ans Schlafittchen zu gehen. Andererseits hat das BVerfG mit seiner Entscheidung zum Streikverbot (BVerfG, Urt. v. 12.6.2018, 2 BvR 1738/12) das Beamtentum noch einmal besonders gestärkt (das habe ich im Sommer 2018 noch anders gesehen; über die Beschäftigung mit der Besoldungsmaterie hat sich hier mein Bild grundlegend gewandelt), indem es die Einheit des einen Beamtentums in den Mittelpunkt gerückt, also entschieden hat, dass es nicht ein Beamtentum erster und zweiter Ordnung gibt. Abschaffen lässt sich das eine Beamtentum nicht so einfach bzw. gar nicht, da es nicht zuletzt in Art. 33 GG verbrieft ist und als Einheit nicht so einfach an ihm herumgebrochen werden kann. Denn da die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern aufeinander bezogen sind, ist der politische Spielraum mit Blick auf das eine Berufsbeamtentum arg begrenzt, was anders wäre, würde es eines erster und zweiter Ordnung geben.

Und schließlich wird sich auf Dauer auch die Grundbesoldung zurechtruckeln, da die Politik zwar nicht nur jetzt, sondern auch zukünftig versuchen wird, Schlupflöcher auf Schlupflöcher zu finden - diese werden aber, wenn sie verfassungsrechtlich so offensichtlich unsinnig vollzogen und zugleich zumeist auch noch so schlampig prozeduralisiert werden, wie das derzeit der Fall ist, nach und nach vom Bundesverfassungsgericht geschlossen werden. Irgendwann wird der Punkt kommen, wo sich die Politik wird fragen müssen, wie sehr sie sich selbst zukünftige Handlungsoptionen verstellt, indem sie das BVerfG immer weiter zwingt, immer kleinschrittigere Vorgaben machen zu müssen, da es von ihr gezwungen wird, über den ganzen Unsinn zu entscheiden, der da in Vergangenheit und Gegenwart produziert wurde und wird. Das haben nach 2015 bereits 2017 Sachsen (BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14), 2018 Baden-Württemberg (BVerfG, Urt. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17) und nun 2020 Berlin zu spüren bekommen - und damit alle anderen Länder ebenfalls. Und das werden im Verlauf des nächsten Jahres mindestens Berlin, höchstwahrscheinlich aber auch noch andere Länder erfahren; und da auch jene Entscheidungen Recht setzen werden, werden davon erneut ebenfalls alle Besoldungsgesetzgeber betroffen sein.

Einer Politikergeneration unseren Alters kann das eventuell noch egal sein, da sie zunehmend eine große Zukunft hinter sich hat - in jüngeren Generationen wird sich eventuell dann im Verlauf der nächsten Jahre nach und nach die Einsicht durchsetzen, dass offensichtlich gezielt verfassungswidrige Entscheidungen ihnen ihre eigene gegerwärtige und zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten raubt, sodass sie sich (oder Teile von ihnen) aus rein pragmatischen Gründen zunehmend wird lossagen müssen. Wären Bund und Länder nach 2015 nicht so borniert gewesen, in Kontinuität weitgehend weiter zu machen wie zuvor, sondern hätten wenige, aber schlüssige Korrekturen vorgenommen, dann hätte das BVerfG 2020 kaum so dezidierte Vorgaben zur Bemessung von Grundsicherung, Mindest- und Nettoalimentation gemacht, wie sie sie nun gemacht hat. Wenn die Politik also so weitermacht als wie zuvor, wird's ihr eine Freude werden, was das BVerfG in Zukunft noch alles entscheiden wird, so ist zu vermuten...

was_guckst_du

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« Antwort #2049 am: 06.09.2021 08:04 »
...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen

Naja, selbst wenn es eine linke Bundesregierung gäbe -- die CDU/CSU säße immer noch via des Bundesrats am Verhandlungstisch. Ohne  Zustimmung der Union käme kein zustimmungspflichtiges Gesetz durch den Bundesrat; und natürlich erst recht keine Grundgesetzänderung. Selbst FDP (RP+NW+SH) + Freie Wähler (BY) + ein weiteres Bundesland mit min. 2 Millionen Einwohnern könnten eine Grundgesetzänderung aufhalten...


...deswegen sprach ich ja auch von "Bestrebungen"....wenn die Kassen zu explodieren drohen und die Zustimmung der Öffentlichkeit sicher ist, wird es einen parteiübergreifenden Konsens geben können...
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lotsch

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« Antwort #2050 am: 06.09.2021 09:04 »
...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen

Naja, selbst wenn es eine linke Bundesregierung gäbe -- die CDU/CSU säße immer noch via des Bundesrats am Verhandlungstisch. Ohne  Zustimmung der Union käme kein zustimmungspflichtiges Gesetz durch den Bundesrat; und natürlich erst recht keine Grundgesetzänderung. Selbst FDP (RP+NW+SH) + Freie Wähler (BY) + ein weiteres Bundesland mit min. 2 Millionen Einwohnern könnten eine Grundgesetzänderung aufhalten...


...deswegen sprach ich ja auch von "Bestrebungen"....wenn die Kassen zu explodieren drohen und die Zustimmung der Öffentlichkeit sicher ist, wird es einen parteiübergreifenden Konsens geben können...

Es wird wohl eher implodierende Kassen geben und nicht nur Klassenkampf sondern auch Kampf der einzelnen sozialen Gruppen um die wenigen Mittel.  Wenn ich dann hier lese, dass einige Beamte das Narrativ verbreiten, "wir haben ja eigentlich eine ausreichende Besoldung", sehe ich schwarz.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2051 am: 06.09.2021 09:14 »
Bei den vorliegenden Gesetzesentwürfen geht es ja erst einmal um die Umsetzung der Alimentation kinderreicher Familien. Dabei hat das BVerfG bekanntermaßen auf die Netttoalimentation abgestellt.

Alle Parteien, die mehr oder weniger Chancen auf die Regierung haben, haben in ihren Programmen eine Verbesserung der Situation für Kinder vorgesehen. Ob es das Modell Kindersplitting wird, Erhöhung des Freibetrages in der Einkommenssteuer, Erhöhung des Kindergeldes, die Kindergrundsicherung oder ein Mix aus allem, werden wir je nach Regierungsbeteiligung nach der Wahl erfahren. Es ist jedoch zu erwarten, dass Familien mit Kindern in irgendeiner Form entlastet werden.

Abhängig von der generellen Entlastung kinderreicher Familien kann dann auch der Familienzuschlag für Beamte entsprechend (negativ) angepasst werden. Da die Umsetzung der "Berliner" Entscheidung erst mit der Umsetzung des Tarifergebnisses und der dann sicherlich schon klareren Gesetzesänderung im Steuerrecht einhergehen wird, bleibt die weitere Entwicklung für dieses Urteil nach wie vor spannend.

Im Übrigen darf man die Sprengkraft der Entscheidung der kinderreichen Beamten auch nicht überschätzen: In NRW plant man derzeit mit Mehrausgaben von 88 Mio. EUR pro Jahr bei insgesamt 4.922,25 Mio EUR Personalkosten pro Jahr. Diese im Verhältnis zu den Gesamtausgaben geringe Erhöhung dürften aus meiner Sicht kein Bundesland in den Ruin treiben oder grundgesetzliche Änderungen notwendig machen.

was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2052 am: 06.09.2021 09:42 »
...da hst du Recht....aber die Diskussion läuft doch hier von Anfang an in die Richtung "Abstandsgebot" wahren und Besoldungserhöhungen/Nachzahlungen für die gesamte Tabelle ohne Rücksicht auf Familienstand...

...das ist das, was ich bezweifle...
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« Antwort #2053 am: 06.09.2021 10:14 »
...da hst du Recht....aber die Diskussion läuft doch hier von Anfang an in die Richtung "Abstandsgebot" wahren und Besoldungserhöhungen/Nachzahlungen für die gesamte Tabelle ohne Rücksicht auf Familienstand...

...das ist das, was ich bezweifle...

Du solltest deine Zweifel dann einfach mal präzise juristisch begründen, damit klar ist, worauf sie beruhen.

Rentenonkel

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« Antwort #2054 am: 06.09.2021 11:00 »
...da hst du Recht....aber die Diskussion läuft doch hier von Anfang an in die Richtung "Abstandsgebot" wahren und Besoldungserhöhungen/Nachzahlungen für die gesamte Tabelle ohne Rücksicht auf Familienstand...

...das ist das, was ich bezweifle...

Insbesondere der Deutsche Richterbund hält es – im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Besoldung – für erforderlich, die Besoldung nicht nur in dem im Gesetzentwurf geregelten Teilbereich der Besoldung von Mehrkinderfamilien neu zu regeln. Aus deren Sicht ist in einem weiteren Schritt eine Anhebung der sog. familienfreien Grundbesoldung nicht nur der richtige Weg, sondern geboten.

Der nun eingeschlagene Weg, der allein die familienbezogenen Besoldungsbestandteile in den Blick nimmt, zementiert aus Sicht des Richterbundes die Tendenz des Besoldungsgesetzgebers, die Alimentation der R-Besoldung gerade nicht an der verfassungsrechtlich gebotenen Wertigkeit des Amtes anzuknüpfen. Wenn die familienbezogenen Bestandteile so stark ausgeprägt werden müssen, dass sie Differenzen im Grundgehalt zwischen den Beförderungsämtern übersteigen, also Beförderungsstufen nivellieren, belegt dies aus Sicht des Richterbundes die Unteralimentation des Amtes an sich im Bereich der Grundbesoldung. 

Dabei übersieht der Richterbund allerdings aus meiner Sicht weitere, mögliche Stellschrauben, um eine verfassungsgemäße Alimentation sicherzustellen.

Sollte der (neue) Gesetzgeber statt des Ehegattensplittings ein Familiensplitting einführen, würden ALLE Familien mit Kindern steuerlich stärker entlastet. Bei einer solchen, steuerlichen Änderung würden tendenziell die oberen Einkommensgruppen (oder auch Besoldungsgruppen) durch einen höheren Steuersatz sogar stärker profitieren als die unteren. Der Unterschied im Bruttoeinkommen zwischen kinderlosen, kinderarmen und kinderreichen Beamten müsste nicht mehr so stark ausgeprägt sein, dass die Wertigkeit des Amtes oder das Abstandsgebot in Frage gestellt werden müssten.

Die Landesgesetzgeber haben allerdings auf das Steuerrecht nur begrenzt Einfluss. Daher bleibt Ihnen erstmal nichts anderes übrig, als zum einen die (Brutto)-Alimentation anzuheben und zum anderen ggf. die Beihilfevorschriften für die betroffenen Familien zu verbessern.

Daher machen die Landesgesetzgeber offenkundig das, was sie am besten können: Sie schinden Zeit und warten die Wahl und die damit verbundene, weitere Entwicklung im Steuerrecht und bei der Familienförderung durch den Bundesgesetzgeber ab.

Meine Befürchtung ist eine andere: Je weniger Brutto-Alimentation pro Kind zusätzlich gezahlt werden muss, um eine verfassungsmäßige Nettobesoldung unabhängig vom Familienstand zu garantieren, desto weniger ist eine (Brutto-)Erhöhung der familienunabhängigen Grundbesoldung nach dem Berliner Urteil für die Zukunft (und damit auch für die spätere Pension) aus meiner bescheidenen Sicht notwendig.