Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1487515 times)

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2115 am: 10.09.2021 10:41 »
der Richterbund und so mancher hier hätte aber gern, die Gesamtsummen inkl. aller Bestandteile für 4K-Alleinverdiener-Beamten verglichen gesehen, damit die Anhebung der Familienzuschläge für die niedrigeren Ämter sich auch auf die höheren auswirken würde...

Was ja auch logisch ist oder? Soll ein A6 mit vier Kindern so viel haben wie ein A9er mit vier Kindern? Sind die Kinder vom A6er mehr wert?

cyrix42

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2116 am: 10.09.2021 10:57 »
Ich gebe nur an, was bisher der Prüfungsmaßstab war. Zu deiner Frage liegt m.W. noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor, auf die man verweisen könnte.

cyrix42

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2117 am: 10.09.2021 11:01 »
Sind die Kinder vom A6er mehr wert?

Das ist übrigens die falsche Frage, denn es geht ja an der Stelle nicht um die Feststellung einer Wertigkeit sondern um eine bedarfsgerechte Unterstützung. (Auch die Kinder in einem Alg-II-Haushalt sind nicht mehr oder weniger wert als andere Kinder, obwohl sie vom Staat über das Kindergeld hinaus Unterstützungsleistungen erhalten. Ähnlich ist es auch hier zu betrachten, wenn es etwa um die notwendigen Gelder für Bildung und Teilhabe geht, welche ja in der Berechnung der Mindestbesoldung Berücksichtigung finden sollen...)

ACDSee

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2118 am: 10.09.2021 11:19 »
Zur Info:
https://www.sachsen-anhalt.dbb.de/aktuelles/news/freud-und-leid-eng-bei-einander/

Sachsen-Anhalt wird wohl jetzt auch aktiv. Lt. dbb Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung den Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung dienstlicher Vorschriften vorgelegt. Allerdings ist hiermit wohl ersteinmal nur die Anhebung der Familienzuschlagsstufen beabsichtigt.

Der Entwurf selbst ist wohl leider (noch) nicht öffentlich. Damit ist der inhaltliche Umfang der beabsichtigen Regelung(en) für mich nicht bewertbar.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2119 am: 10.09.2021 11:47 »
Alles klar vielen Dank. Gibt es für das Abstandsgebot auch einen Richtwert in %?

Zitat von: BVerfG, - 2 BvL 4/18 - Rn. 45
Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>).

Allerdings vergleicht das BVerfG in diesem Urteil selbst nur die Grundbesoldungen und deren Abstände -- der Richterbund und so mancher hier hätte aber gern, die Gesamtsummen inkl. aller Bestandteile für 4K-Alleinverdiener-Beamten verglichen gesehen, damit die Anhebung der Familienzuschläge für die niedrigeren Ämter sich auch auf die höheren auswirken würde...

Das Urteil liest sich für mich anders. Bei der Prüfung der Mindestalimentation wurde in dem Urteil folgendes geprüft: Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht.

Dabei hat das BVerfG festgestellt, dass der Beamte mit zwei Kindern in der untersten Besoldungsgruppe rund 9.500 EUR pro Jahr (oder rund 29 %) zu wenig hat.

Weiter hat das BVerfG ausgeführt, dass dem Besoldungsgesetzgeber grundsätzlich freigestellt ist, wie er eine verfassungsgemäße Besoldung herbeiführt. Wenn allerdings eine verfassungsgemäße Besoldung einer 4K Familie nur dadurch erreicht werden kann, dass die neuen Familienzuschläge einen so erheblichen Umfang zum Gesamteinkommen (rund 40%) nehmen, dann stellt sich die Frage, ob das Amt an sich bereits ausreichend alimentiert wird.

Es reicht also nach der Argumentation des BVerfG nicht aus, lediglich die Familienzuschläge anzuheben, sondern für den kleinsten Beamten müsste auch das Amt besser alimentiert werden. Wenn jedoch die Alimentation des kleinsten Beamten angehoben werden muss, dann gerät natürlich auch daraus folgend die gesamte Besoldungsstruktur in Schieflage und aufgrund des Abstandsgebotes innerhalb der Besoldungstabelle müssten demnach alle Ämter mehr oder weniger erhöht werden.

Nach meiner Meinung muss sich daher die Politik überlegen, wie sie eine verfassungsgemäße Alimentation gewährleisten will. Folgende Möglichkeiten sind mir dabei über den Weg gelaufen:

1. Steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge
2. Erhöhung des Kindergeldes
3. Einführung einer Kindergrundsicherung
4. Erhöhung der Beihilfesätze für Familien mit Kindern
5. Erhöhung des Familienzuschlages
6. Erhöhung der Grundalimentation
7. Einführung eines bedarfsorientierten Familienzuschlages (mit aus meiner Sicht zumindest verfassungsrechtlichen Bedenken)
8. Einführung eines Wohnortzuschlages in Anlehnung an die Wohngeldtabelle
9. Eine Kombination aus mehreren Punkten

Zumindest beim Punkt 6 dürften alle Beamten unabhängig von der Anzahl der Kinder von einer Erhöhung profitieren.


was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2120 am: 10.09.2021 11:55 »
Nach meiner Meinung muss sich daher die Politik überlegen, wie sie eine verfassungsgemäße Alimentation gewährleisten will. Folgende Möglichkeiten sind mir dabei über den Weg gelaufen:

1. Steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge
2. Erhöhung des Kindergeldes
3. Einführung einer Kindergrundsicherung
4. Erhöhung der Beihilfesätze für Familien mit Kindern
5. Erhöhung des Familienzuschlages
6. Erhöhung der Grundalimentation
7. Einführung eines bedarfsorientierten Familienzuschlages (mit aus meiner Sicht zumindest verfassungsrechtlichen Bedenken)
8. Einführung eines Wohnortzuschlages in Anlehnung an die Wohngeldtabelle
9. Eine Kombination aus mehreren Punkten

Zumindest beim Punkt 6 dürften alle Beamten unabhängig von der Anzahl der Kinder von einer Erhöhung profitieren.

...du vergisst bei deiner Aufzählung, dass Besoldungsrecht in D 16mal Landesrecht ist...bei einigen deiner Punkte ist Bundesrecht berührt...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

DeGr

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2121 am: 10.09.2021 12:05 »
Nach meiner Meinung muss sich daher die Politik überlegen, wie sie eine verfassungsgemäße Alimentation gewährleisten will. Folgende Möglichkeiten sind mir dabei über den Weg gelaufen:

1. Steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge
2. Erhöhung des Kindergeldes
3. Einführung einer Kindergrundsicherung
4. Erhöhung der Beihilfesätze für Familien mit Kindern
5. Erhöhung des Familienzuschlages
6. Erhöhung der Grundalimentation
7. Einführung eines bedarfsorientierten Familienzuschlages (mit aus meiner Sicht zumindest verfassungsrechtlichen Bedenken)
8. Einführung eines Wohnortzuschlages in Anlehnung an die Wohngeldtabelle
9. Eine Kombination aus mehreren Punkten

Zumindest beim Punkt 6 dürften alle Beamten unabhängig von der Anzahl der Kinder von einer Erhöhung profitieren.

...du vergisst bei deiner Aufzählung, dass Besoldungsrecht in D 16mal Landesrecht ist...bei einigen deiner Punkte ist Bundesrecht berührt...

Rentenonkel sagte ja nur, dass sich die Politik etwas überlegen muss, nicht die Landespolitik. Und da alle Länder und der Bund betroffen sind, wäre es durchaus logisch, zunächst bundesrechtliche Änderungen zu prüfen. Hierzu bedarf es aber einer Kommunikation zwischen Bund und Ländern, die anscheinend nicht oder in nicht ausreichendem Maße stattfindet.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2122 am: 10.09.2021 12:28 »
Nach meiner Meinung muss sich daher die Politik überlegen, wie sie eine verfassungsgemäße Alimentation gewährleisten will. Folgende Möglichkeiten sind mir dabei über den Weg gelaufen:

1. Steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge
2. Erhöhung des Kindergeldes
3. Einführung einer Kindergrundsicherung
4. Erhöhung der Beihilfesätze für Familien mit Kindern
5. Erhöhung des Familienzuschlages
6. Erhöhung der Grundalimentation
7. Einführung eines bedarfsorientierten Familienzuschlages (mit aus meiner Sicht zumindest verfassungsrechtlichen Bedenken)
8. Einführung eines Wohnortzuschlages in Anlehnung an die Wohngeldtabelle
9. Eine Kombination aus mehreren Punkten

Zumindest beim Punkt 6 dürften alle Beamten unabhängig von der Anzahl der Kinder von einer Erhöhung profitieren.

...du vergisst bei deiner Aufzählung, dass Besoldungsrecht in D 16mal Landesrecht ist...bei einigen deiner Punkte ist Bundesrecht berührt...

Vielen Dank für den ergänzenden Einwand. Ich habe ich das absolut im Blick.

Soweit ich den Finanzminister NRW (Hilbers) verstanden habe, kann man daher die Auswirkungen der Berliner Entscheidung für die Landesgesetzgeber und damit den konkreten Handlungsbedarf erst abschließend bewerten, wenn sich abzeichnet, welche Verbesserungen es seitens der neuen Bundesregierung für alle Kinder gibt und wie sich das wiederum konkret auf unsere kleinsten Beamten auswirkt.

So wie er sich geäußert hat, habe ich zwischen den Zeilen herausgehört, dass in diesem Punkt (es wird erstmal abgewartet) parteiübergreifend Einigkeit bei allen Finanzministern der 16 BL herrscht.

lotsch

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« Antwort #2123 am: 10.09.2021 12:33 »
Alles klar vielen Dank. Gibt es für das Abstandsgebot auch einen Richtwert in %?

Zitat von: BVerfG, - 2 BvL 4/18 - Rn. 45
Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>).



Dabei hat das BVerfG festgestellt, dass der Beamte mit zwei Kindern in der untersten Besoldungsgruppe rund 9.500 EUR pro Jahr (oder rund 29 %) zu wenig hat.





29 % zu wenig, das ist schon krass, ein Skandal würde ich sagen.

cyrix42

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2124 am: 10.09.2021 12:49 »
Allerdings vergleicht das BVerfG in diesem Urteil selbst nur die Grundbesoldungen und deren Abstände -- der Richterbund und so mancher hier hätte aber gern, die Gesamtsummen inkl. aller Bestandteile für 4K-Alleinverdiener-Beamten verglichen gesehen, damit die Anhebung der Familienzuschläge für die niedrigeren Ämter sich auch auf die höheren auswirken würde...

Das Urteil liest sich für mich anders. Bei der Prüfung der Mindestalimentation wurde in dem Urteil folgendes geprüft: Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht.

Das ist korrekt -- bezieht sich aber nur auf die Mindestalimentation mit Abstand zur Grundsicherung. Dies ist aber gar nicht der Punkt, um den es hier geht; das war das Abstandsgebot zwischen verschiedenen Ämtern innerhalb des Besoldungssystems.

Bezüglich dieses Abstandsgebots zwischen verschiedenen Besoldungsämtern heißt es in Randnummer 140 des Urteils:

Zitat
e) Während die Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen, wie die Berechnungen des Oberverwaltungsgerichts gezeigt haben, im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wurde in den verfahrensgegenständlichen Jahren das Mindestabstandsgebot nicht eingehalten (vierter Parameter). Der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau wurde durchgehend für die jeweils unterste Besoldungsgruppe bei weitem unterschritten.

Der Mindestabstand zur Grundsicherung ist hier das Problem, nicht der der Besoldungsgruppen untereinander. Das BVerfG selbst stellt in - 2 BvR 883/14 -  Randnummer 80 fest:

Zitat
(3) Die Kontrolle des Abstandsgebots kann als systeminterner Vergleich innerhalb der Beamtenschaft anhand der aus den Besoldungstabellen ersichtlichen Brutto-Gehälter erfolgen (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>). Die Netto-Grundgehälter als Bezugspunkt des Vergleichs zu wählen, würde lediglich die Steuerprogression berücksichtigen. Diese Verzerrung fällt indes nicht signifikant ins Gewicht. Die Steuerprogression hat lediglich insoweit Bedeutung, als Belastungen höherer Besoldungsgruppen umso kritischer zu sehen sind, da diese angesichts der progressiven Einkommensteuertarifgestaltung höheren (Grenz)Steuersätzen unterliegen.

Und so wird auch die Rechnung gemacht: Es werden einfach die Brutto-Grundbezüge verglichen, siehe auch das Vorgehen in den Randnummern 100 ff. des oben genannten Urteils, auf das sich hier alle beziehen...

Zitat von: Rentenonkel
Weiter hat das BVerfG ausgeführt, dass dem Besoldungsgesetzgeber grundsätzlich freigestellt ist, wie er eine verfassungsgemäße Besoldung herbeiführt. Wenn allerdings eine verfassungsgemäße Besoldung einer 4K Familie nur dadurch erreicht werden kann, dass die neuen Familienzuschläge einen so erheblichen Umfang zum Gesamteinkommen (rund 40%) nehmen, dann stellt sich die Frage, ob das Amt an sich bereits ausreichend alimentiert wird.

Die Frage mag man stellen, ist aber bisher m.E. nicht aus der Rechtssprechung beantwortet. Jedenfalls, wenn man alle Rechnungen übernimmt, wie sie bisher durchgeführt wurden, dann hat sich an den Abständen der Grundbezüge zwischen den Ämtern nichts geändert und also auch nichts an der Einhaltung des Besoldungs-Systems-internen Abstandsgebots zwischen den Ämtern...

Zitat von: Rentenonkel
Es reicht also nach der Argumentation des BVerfG nicht aus, lediglich die Familienzuschläge anzuheben, sondern für den kleinsten Beamten müsste auch das Amt besser alimentiert werden.

Wo genau liest du das heraus? Die Mindestalimentation setzt am Netto an. Das muss einen Mindestbetrag erreichen; von der Grundbesoldung steht da erst einmal nichts.

Zitat von: Rentenonkel
Wenn jedoch die Alimentation des kleinsten Beamten angehoben werden muss, dann gerät natürlich auch daraus folgend die gesamte Besoldungsstruktur in Schieflage und aufgrund des Abstandsgebotes innerhalb der Besoldungstabelle müssten demnach alle Ämter mehr oder weniger erhöht werden.

Aber eben nur, wenn -- nach bisheriger Berechnungsmethode -- die Grundbezüge angepasst werden würden. Wenn sie das nicht müssen; und ob sie das müssen, müsste erst geklärt werden; dann verschiebt sich da auch nichts nach oben.

Anders formuliert: Bloß, weil man die Bedürftigen unterstützt, heißt das nicht, dass man den Wohlhabenden entsprechend mehr geben müsse... (Der Gesetzgeber darf nämlich nach BVerfG durchaus das Besoldungssystem anpassen, wenn er dafür Sachgründe vorbringen kann. Das Abstandsgebot ist nicht heilig und unabänderbar; es ist nur verboten schleichend per "Salami-Taktik" die Abstände einzuebnen. Wenn es jedoch Sachgründe zur Neubewertung gibt, ist der Gesetzgeber durchaus dazu berechtigt, in die Besoldungssystematik einzugreifen. Und die Unterstützung von Familien in unteren Besoldungsstufen in Anlehnung an die Sozialgesetzgebung wäre durchaus erst einmal ein Sachgrund, den man da anführen könnte, um unterschiedlich hohe familienbezogene Besoldungsbestandteile zu begründen.)

cyrix42

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« Antwort #2125 am: 10.09.2021 13:22 »
btw: Der Vorschlag

1. Steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge

hilft ja nun mal gerade gar nicht bei der Beseitigung des Problems, dass kinderreiche Familien in unteren Besoldungsstufen zu wenig Netto haben: Die zahlen i.W. keine Einkommensteuer, sodass ein höherer Freibetrag denen 0,nix bringt. Davon profitieren nur diejenigen mit einem hohen Grenzsteuersatz, aka die Besser- und Bestverdienenden.

Insofern: Wenn die Idee war, eine verfassungsgemäße Besoldung herzustellen, dann kannst du den Punkt direkt streichen.

Rentenonkel

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« Antwort #2126 am: 10.09.2021 13:31 »
Allerdings vergleicht das BVerfG in diesem Urteil selbst nur die Grundbesoldungen und deren Abstände -- der Richterbund und so mancher hier hätte aber gern, die Gesamtsummen inkl. aller Bestandteile für 4K-Alleinverdiener-Beamten verglichen gesehen, damit die Anhebung der Familienzuschläge für die niedrigeren Ämter sich auch auf die höheren auswirken würde...

Das Urteil liest sich für mich anders. Bei der Prüfung der Mindestalimentation wurde in dem Urteil folgendes geprüft: Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht.

Das ist korrekt -- bezieht sich aber nur auf die Mindestalimentation mit Abstand zur Grundsicherung. Dies ist aber gar nicht der Punkt, um den es hier geht; das war das Abstandsgebot zwischen verschiedenen Ämtern innerhalb des Besoldungssystems.

Bezüglich dieses Abstandsgebots zwischen verschiedenen Besoldungsämtern heißt es in Randnummer 140 des Urteils:

Zitat
e) Während die Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen, wie die Berechnungen des Oberverwaltungsgerichts gezeigt haben, im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wurde in den verfahrensgegenständlichen Jahren das Mindestabstandsgebot nicht eingehalten (vierter Parameter). Der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau wurde durchgehend für die jeweils unterste Besoldungsgruppe bei weitem unterschritten.

Der Mindestabstand zur Grundsicherung ist hier das Problem, nicht der der Besoldungsgruppen untereinander. Das BVerfG selbst stellt in - 2 BvR 883/14 -  Randnummer 80 fest:

Zitat
(3) Die Kontrolle des Abstandsgebots kann als systeminterner Vergleich innerhalb der Beamtenschaft anhand der aus den Besoldungstabellen ersichtlichen Brutto-Gehälter erfolgen (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>). Die Netto-Grundgehälter als Bezugspunkt des Vergleichs zu wählen, würde lediglich die Steuerprogression berücksichtigen. Diese Verzerrung fällt indes nicht signifikant ins Gewicht. Die Steuerprogression hat lediglich insoweit Bedeutung, als Belastungen höherer Besoldungsgruppen umso kritischer zu sehen sind, da diese angesichts der progressiven Einkommensteuertarifgestaltung höheren (Grenz)Steuersätzen unterliegen.

Und so wird auch die Rechnung gemacht: Es werden einfach die Brutto-Grundbezüge verglichen, siehe auch das Vorgehen in den Randnummern 100 ff. des oben genannten Urteils, auf das sich hier alle beziehen...

Zitat von: Rentenonkel
Weiter hat das BVerfG ausgeführt, dass dem Besoldungsgesetzgeber grundsätzlich freigestellt ist, wie er eine verfassungsgemäße Besoldung herbeiführt. Wenn allerdings eine verfassungsgemäße Besoldung einer 4K Familie nur dadurch erreicht werden kann, dass die neuen Familienzuschläge einen so erheblichen Umfang zum Gesamteinkommen (rund 40%) nehmen, dann stellt sich die Frage, ob das Amt an sich bereits ausreichend alimentiert wird.

Die Frage mag man stellen, ist aber bisher m.E. nicht aus der Rechtssprechung beantwortet. Jedenfalls, wenn man alle Rechnungen übernimmt, wie sie bisher durchgeführt wurden, dann hat sich an den Abständen der Grundbezüge zwischen den Ämtern nichts geändert und also auch nichts an der Einhaltung des Besoldungs-Systems-internen Abstandsgebots zwischen den Ämtern...

Zitat von: Rentenonkel
Es reicht also nach der Argumentation des BVerfG nicht aus, lediglich die Familienzuschläge anzuheben, sondern für den kleinsten Beamten müsste auch das Amt besser alimentiert werden.

Wo genau liest du das heraus? Die Mindestalimentation setzt am Netto an. Das muss einen Mindestbetrag erreichen; von der Grundbesoldung steht da erst einmal nichts.

Zitat von: Rentenonkel
Wenn jedoch die Alimentation des kleinsten Beamten angehoben werden muss, dann gerät natürlich auch daraus folgend die gesamte Besoldungsstruktur in Schieflage und aufgrund des Abstandsgebotes innerhalb der Besoldungstabelle müssten demnach alle Ämter mehr oder weniger erhöht werden.

Aber eben nur, wenn -- nach bisheriger Berechnungsmethode -- die Grundbezüge angepasst werden würden. Wenn sie das nicht müssen; und ob sie das müssen, müsste erst geklärt werden; dann verschiebt sich da auch nichts nach oben.

Anders formuliert: Bloß, weil man die Bedürftigen unterstützt, heißt das nicht, dass man den Wohlhabenden entsprechend mehr geben müsse... (Der Gesetzgeber darf nämlich nach BVerfG durchaus das Besoldungssystem anpassen, wenn er dafür Sachgründe vorbringen kann. Das Abstandsgebot ist nicht heilig und unabänderbar; es ist nur verboten schleichend per "Salami-Taktik" die Abstände einzuebnen. Wenn es jedoch Sachgründe zur Neubewertung gibt, ist der Gesetzgeber durchaus dazu berechtigt, in die Besoldungssystematik einzugreifen. Und die Unterstützung von Familien in unteren Besoldungsstufen in Anlehnung an die Sozialgesetzgebung wäre durchaus erst einmal ein Sachgrund, den man da anführen könnte, um unterschiedlich hohe familienbezogene Besoldungsbestandteile zu begründen.)

Ich lese meine Interpretation aus folgenden Teilen des Urteils heraus: Zunächst Randnummer 14:

Der Gesamtbefund einer Unteralimentierung gelte wegen des Abstandsgebots ebenso für die Richter der Besoldungsgruppe R 2 und für das – insoweit allein streitbefangene – Jahr 2015 auch der Besoldungsgruppe R 3. Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Unteralimentation seien nicht ersichtlich.

und weiter in Randnummer 48:

Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation einer höheren Besoldungsgruppe, bei der das Mindestabstandsgebot selbst gewahrt ist, lässt sich eine solche Schlussfolgerung nicht ohne Weiteres ziehen. Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots betrifft aber insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander in Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen.

und weiter in Randnummer 176:

In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in Berlin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr amtsangemessen war.


Auch wenn streitgegenständlich hier lediglich die Richterbesoldung war, so kann die Argumentation aus meiner Sicht auch auf alle anderen Teile der Beamtenbesoldung ausgeweitet werden. Der Vergleich von Besoldungsentwicklung zu Tariflohnentwicklung, zu Nominallohnindex und zum Verbraucherpreisindex hinkt ja bei allen anderen Besoldungsempfängern ebenso hinterher.

Rentenonkel

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« Antwort #2127 am: 10.09.2021 13:43 »
btw: Der Vorschlag

1. Steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge

hilft ja nun mal gerade gar nicht bei der Beseitigung des Problems, dass kinderreiche Familien in unteren Besoldungsstufen zu wenig Netto haben: Die zahlen i.W. keine Einkommensteuer, sodass ein höherer Freibetrag denen 0,nix bringt. Davon profitieren nur diejenigen mit einem hohen Grenzsteuersatz, aka die Besser- und Bestverdienenden.

Insofern: Wenn die Idee war, eine verfassungsgemäße Besoldung herzustellen, dann kannst du den Punkt direkt streichen.

Es ist bereits seit vielen Jahren so, dass sich der Kinderfreibetrag nicht mehr auf die Lohnsteuer auswirkt. Hier geht es ja auch erstmal um die Besoldung der 4 K Familie. Das Thema der kinderreichen Beamten ist davon zu trennen und wird gesondert abgearbeitet.

Mit Punkt 1 habe ich das Konzept der Union aufgegriffen, welche laut Parteiprogramm das Ehegattensplitting auf ein Familiensplitting erweitern möchte. Dadurch würden alle Familien mit Kindern steuerlich profitieren. Wenn also der kleinste Beamte mit zwei Kindern durch diese Reform seine rund 2.000 EUR Lohnsteuer sparen könnte, die er laut dem bekannten Gehaltsrechner auf dieser Seite zahlen darf, fehlen ihm nur noch 7.500 EUR zu einer verfassungskonformen Alimentation  8)

Aus meiner Sicht hätte daher die Änderung im Steuerrecht seitens des Bundesgesetzgebers auch Auswirkungen auf die Umsetzung der Berliner Entscheidung für die Landesgesetzgeber.

cyrix42

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« Antwort #2128 am: 10.09.2021 13:45 »
Mit Blick auf die Vergangenheit gebe ich dir Recht: Wenn damals die unterste Besoldungsstufe verfassungswidrig war, dann auch das ganze System, was darauf aufbaute.

Für die Zukunft sehe ich aber dennoch weiterhin keine allgemeine Erhöhung der Grundbezüge daraus notwendig werden. Du zitierst ja selbst: "Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen." Und diese neue Systematik ist nicht darauf eingeschränkt, einfach alle Grundbezüge zu erhöhen. Sie könnte auch etwa per Sachgrund vorbringen, warum die Familienzuschläge in den niedrigeren Ämtern höher ausfallen müssen -- etwa im Vergleich zur Sozialgesetzgebung...

cyrix42

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« Antwort #2129 am: 10.09.2021 13:55 »
Wenn also der kleinste Beamte mit zwei Kindern durch diese Reform seine rund 2.000 EUR Lohnsteuer sparen könnte, die er laut dem bekannten Gehaltsrechner auf dieser Seite zahlen darf, fehlen ihm nur noch 7.500 EUR zu einer verfassungskonformen Alimentation  8)

Also verstehe ich das richtig: Du willst eine Bezuschussung der Gutverdiener mit ca. 8k€/Jahr dadurch rechtfertigen, dass dadurch für die Krümel am unteren Einkommensrand vielleicht auch 2k€ übrigbleiben -- die du vorschiebst, weil die ja zu wenig erhalten? (Ich habe es nicht durchgerechnet, aber da die einkommensschwachen Beamten in A5 o.Ä. ja i.W. auf das bisschen, was sie oberhalb der Grundfreibeträge liegen, den Eingangssteuersatz zahlen, während die Gutverdiener als Grenzsteuersatz sich natürlich bei 42%+Soli bewegen, sollte etwa ein Faktor Vier herauskommen, was die Besserverdienenden von einem gleichen Steuerfreibetrag für alle mehr profitieren als die Einkommensschwachen...)

Ist das Satire?