@ fragezeichen
Die Schieflage, von der Du sprichst, ist tatsächlich vorhanden, allerdings - das habe ich wohin versucht, zu verdeutlichen - nicht in der Alimentation des Mehrbedarfs, der kinderreichen Beamten aus dem Kinderreichtum erwächst, sondern sich ergibt aus der nicht amtsangemessenen Alimentation aller Beamten. Das Land NRW musste den Kinderzuschlag ab dem dritten Kind deutlich erhöhen, da der Mehrbedarf ab dem dritten Kind zuvor von den Besoldungsgesetzgebern nicht verfassungskonform bemessen worden ist. In diesem Sinne heißt es in der aktuellen Entscheidung zur Alimentation kinderreicher Familien: "Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur amtsangemessenen Alimentation von Richtern und Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 30. März 1977 (BVerfGE 44, 249), vom 22. März 1990 (BVerfGE 81, 363) und vom 24. November 1998 (BVerfGE 99, 300) konkretisiert. Der Besoldungsgesetzgeber hat die Besoldung so zu regeln, dass Richter und Beamte nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder eine ihrem Amt angemessene Lebensführung aufrechtzuerhalten oder, unter Verzicht darauf, eine Familie zu haben und diese entsprechend den damit übernommenen Verpflichtungen angemessen zu unterhalten (vgl. BVerfGE 44, 249 <267, 273 f.>; 99, 300 <315>). Deshalb kann bei der Beurteilung und Regelung dessen, was eine amtsangemessene Besoldung ausmacht, die Zahl der Kinder nicht ohne Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 81, 363 <376>; 99, 300 <315>)" (2 Bvl 6/17, Rn. 29)." Und weiter: "Diese in den früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe bedürfen insofern einer Aktualisierung, als die Regelungen zu der als Vergleichsmaßstab herangezogenen sozialen Grundsicherung seither grundlegend umgestaltet worden sind (a) und auch bei der Berechnung des Nettoeinkommens neue Aspekte berücksichtigt werden müssen (b)." (ebd., Rn. 38)
Die deutliche Erhöhung der Familienzuschläge ab dem dritten Kind ist Ausfluss der deutlich umgestalteten und dabei ebenfalls ausgeweiteten Sozialgesetzgebung, wie sie sich nicht nur im Unterhaltsrecht, sondern ebenfalls in der Bemessung der Unterkunfts- und Heizkosten widerspiegeln, aber beispielsweise auch durch die Ausweitung der staatlich garantierten und für Grundsicherungsempfänger freigestellten Kinderbetreuungsformen ergeben haben und weiter ergeben bzw. ergeben werden. Als Folge der seit 1998 stark veränderten Rechtslage und gesellschaftlichen Wirklichkeit hat das BVerfG nun in der Entscheidung 2 BvL 6/17 seine Direktiven entsprechend aktualisiert. Als Folge muss der Familienzuschlag ab dem dritten Kind grundsätzlich stark erhöht werden. Damit wird hier die vormalige Schieflage korrigiert, was das Land NRW aufnimmt, da es durch die Entscheidung zur Korrektur verpflichtet worden ist.
Die Entscheidung 2 BvL 4/18 zeigt nun wiederum, dass ebenfalls die Bemessung der Alimentation aller Beamten in Deutschland bislang nicht verfassungskonform vollzogen worden ist, da die Besoldungsgesetzgeber hier ebenfalls - mit Blick auf die Mindestalimentation - nicht die sozialgesetzliche Entwicklung der letzten Jahre oder letzten rund zwei Jahrzehnte ausreichend beachtet haben. Deren Rückbezug auf die Pauschalisierungen des Existenzminimumberichts der Bundesregierung ist - mit Ausnahme der Heranziehung der Regelsätze für zwei Erwachsene und die nach Alter differenzierten Regelsätze für zwei Kinder - im Hinblick auf die sozialgesetzlichen Entwicklungen nicht verfassungskonform vollzogen worden. Insofern muss das deutlich höhere Grundsicherungsniveau über die 15 %ige Vergleichsschwelle, die der Gesetzgeber als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentum verpflichtend beachten muss, zu einer deutlich höheren Nettoalimentation aller Beamten in Deutschland führen, da das Maß der Unteralimentation so groß ist, dass es allein über Detailregelungen nicht hinreichend korrigiert werden kann, wobei der Besoldungsgesetzgeber nicht zuletzt mit Blick auf die Bruttobesoldung über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügt, wie er am Ende die amtsangemessene Nettoalimentation erreicht. Das BVerfG prüft hingegen nur, ob die gesetzliche Regelung am Ende evident unzureichend ist oder nicht.
Der langen Rede kurzer Sinn: Die hohen Familienzuschläge ab dem dritten Kind werden in Zukunft der Regelfall sein. Wie sich die Familienzuschläge für Beamte mit einem oder zwei Kindern entwickeln werden, liegt im Entscheidungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers, der darauf zu achen hat, dass die Nettoalimentation insgesamt die 15 %ige Vergleichsschwelle nicht unterschreitet.