- Wie soll die Alimentation rechtzeitig sichergestellt werden, wenn man wegen Steuerbescheiden 1 bis 2 zwei Jahre auf die "richtige" Alimentation warten muss?
Beamte bekommen nicht ohne Grund ihre Bezüge im Voraus. Das BVerfG hat bereits Urteile darüber gefällt, dass selbst eine um wenige Monate verzögerte Anpassung der Besoldung einzelner Gruppen verfassungswidrig ist.
Wieder würde ich aufs BAFöG verweisen, welches ja in ähnlicher Weise wie im disktutierten Gesetzesentwurf die (Höhe der) Zahlung an den Nachweis der Bedürftigkeit knüpft: Wenn deutliche Änderungen im Einkommen im Vergleich zum Steuerbescheid vorliegen, gibt es entsprechend andere Möglichkeiten, dies nachzuweisen. Im Zweifelsfall wird erst ein Abschlag gezahlt und mit späteren Bezügen verrechnet.
Es ist jedenfalls kein Neuland, was hier betreten werden würde.
- Der Beamte soll sich mit voller Hingabe dem Beruf widmen und sich keinerlei Gedanken über die Sicherstellung seines Lebensunterhaltes machen. Es wäre ein offensichtlicher Widerspruch, wenn der amtsangemessene Unterhalt erst durch ein zeitaufwendiges sowie vermutlich beabsichtigt aufwendiges und abschreckendes Verfahren sichergestellt werden würde.
Mit der gleichen Begründung könntest du auch die Pflicht zur Steuererklärung wegdiskutieren. Da es diese jedoch gibt, sehe ich erst einmal nicht, dass ein Beamter zur Sicherstellung des Lebensunterhalts für seine Familienangehörigen (die Grundbezüge erhält er ja auch ohne Antrag) nicht auch einen kleinen Teil seiner Freizeit opfern können muss.
btw: Der Gesetzesentwurf aus SH stellt in dem Punkt die interessante Frage, wie sich die "volle Hingabe für den Beruf" mit zulässigen Teilzeit-Regelungen vertragen. Müsste es nicht (aus meiner naiven Vorstellung), wenn man diesen Punkt ernst nähme, nicht nur Vollzeit-Beamte (bzw. Teilzeit nur aus medizinischen Gründen) geben?
- Wenn man das Partnereinkommen berücksichtigt, warum nicht auf gleich das Familienvermögen? Warum soll man Dienern des Volkes überhaupt noch etwas zahlen, wenn sie doch bereits vermögend sind? Mit dieser Begründung könnte man zukünftig auch gleich eine Besoldung nur noch nach Bedürftigkeit vornehmen.
Hier geht es doch gerade um die Bedürftigkeit, dass gerade Alleinverdiener-Familien mit mehreren Kindern und Bezieher aus niedrigen Besoldungsgruppen nicht einmal das Grundsicherungsniveau (bzw. die 115% davon) erreichen. Insofern ist es erst einmal nicht systemfremd, die zur Beseitigung dieses Missstands nötigen Zahlungen auch an die Bedürftigkeit zu knüpfen.
Die Frage nach dem Vermögen wäre tatsächlich interessant, wird ja beim Bezug von Arbeitslosengeld II dieses auch herangezogen. Nicht, dass du da noch jemanden auf Ideen bringst. ;-)
Die Amtsangemessenheit der Besoldung wird ja bisher am unterschiedlichen Grundgehalt ausgerichtet. Insofern gilt ja durchaus, dass sich Positionen mit höherer Verantwortung entsprechend auch finanziell niederschlagen. Aber ja, wenn man die familienbezogenen Anteile der Beamten-Alimentation als reine Unterstützung für den Lebensunterhalt eben jener (vom Beamten verschiedene) Personen sieht, dann könnte das "Fordern" der Hartz'schen Sozialgesetzgebung aus den Nuller Jahren auch auf Beamte durchschlagen...
Völlig absurd und definitiv nicht im Einklang mit Artikel 33 GG.
Wenn du dich auf die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" beziehst: Das BVerfG formuliert doch selbst, dass die Betrachtung der Alleinverdiener-Familie nicht dazu gehört.
- Des Weiteren verstößt dieses Vorhaben eindeutig gegen das Abstandsgebot. Ein Inspektor mit 2 Kindern und Frau würde plötzlich gleich verdienen wie ein Sekretär mit zwei Kindern und Frau, nur weil die Frau des Sekretärs kein Einkommen hat? Wenn das nicht gegen das Abstandsgebot und Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG verstößt, weiß ich auch nicht mehr.
Warum sollte der eine, der seine Frau mitversorgen muss, denn nun nicht mehr familien-bezogene Alimentation bekommen als der andere, der das nicht muss? Die Frage stellst du doch auch nicht beim Vergleich des Alleinverdieners mit 7 Kindern im Vergleich zum kinderlosen Single...
- Dies würde folglich zu einer Herdprämie führen, wie sie im Buche steht. Warum sollte noch jemand arbeiten, wenn auch ohne Arbeit das gleiche Familieneinkommen hat?
Politisch für nicht wünschenswert halte ich dies auch. Es folgt aber aus der Logik, wenn man die Alimentation für die weiteren Familienangehörigen an die Bedürftigkeit knüpft. Und -- siehe oben -- gerade diese Bedürftigkeit war der Auslöser dieser ganzen Debatte.
Hier wird immer kritisiert, warum sich das BVerfG die "klassische" Familie stützt, aber nunmehr soll eine Herdprämie in Ordnung sein? Das ist ja wohl ein Scherz?
Nein, es folgt einfach daraus, dass Beamte nicht für ihre Leistung oder ihren Job bezahlt werden, sondern auch Alimentation für ihre durch sie zu versorgenden Familienangehörigen erhalten.
Im Übrigen müsste -- aber das ist jetzt mehr Politik als Juristerei -- ein Familienzuschlag für arbeitsfähige Mitglieder im Haushalt (aka Ehepartner) so niedrig bemessen sein, dass die Bedarfsgemeinschaft bei einer Arbeitsaufnahme einer solchen Person netto wahrnehmbar mehr zur Verfügung hat, als wenn bloß von staatlicher Seite die Grundbedürfnisse jener Person durch Unterstützungszahlungen (Grundsicherung bzw. familienbezogener Alimentationsbestandteil) gedeckt werden. Nur dann fördert man die Arbeitsaufnahme und finanziert nicht in erster Linie die Nicht-Teilnahme am Arbeitsleben.
- Offensichtlicht ist, dass dies nur aus sachfremden Erwägungen, nämlich Geld zu sparen, eingeführt werden würde. Es liegt kein neuer Besoldungsgrundsatz vor, der Beamte und seine Familie sind schließlich schon seit der Weimarer Republik zu alimentieren.
Schau' mal in den Begründungsteil zu dem Gesetzesentwurf aus SH. Da wird sich ziemlich lang und breit dazu ausgelassen.
Er wurde es jedoch laut BVerfG in den letzten Jahren nicht mehr. Und um die Alimentation wieder zu korrigieren, wird jetzt ein Zuschlag nur für "bedürftige" Familien eingeführt. Es wurde also vorher jedem einzelnen etwas weggenommen, aber zurückgegeben wird es nur Bedürftigen?
Du vermengst die zu geringe Besoldung in der Vergangenheit mit der zukünftigen. Wer bisher zu wenig bekam (und Widerspruch eingelegt hat usw.), der muss entsprechend entschädigt werden. Das hat aber per se erst einmal keine Auswirkung auf eine zukünftige Gestaltung des Besoldungssystems.
- Schließlich wurde auch bisher der größte Teil der Familienkosten aus dem Grundgehalt bezogen. Die Kinderzuschläge konnten noch nie dafür ausreichen.
Also die BVerfG-Argumentation sagt doch, dass dies bei bis zu 2 Kindern galt, aber ab Kind Nr. 3 nicht mehr. Insofern muss allein der Zuschlag fürs dritte Kind dessen Versorgung auf 115% des Grundsicherungsniveaus sicherstellen.
Wenn man jetzt beispielhaft auch die Zuschläge für die ersten zwei Kinder auf dieses nun geforderte Niveau anheben würde, wäre klar, dass das Grundgehalt nur noch die Kosten des Beamten selbst reflektieren solle. Das wäre dann auch eine deutlich klarere Struktur; wird aber sicherlich kaum so umgesetzt werden.
- Abgesehen davon hat das BVerfG die Besoldung im höheren Dienst aus Gründen der Qualitätssicherung und der Konkurrenz zur Privatwirtschaft als zu gering festgestellt. An diesen Problemen ändert sich dadurch genau 0. Das Gericht stellte zurecht fest, dass gerade Berufsanfänger keine Familie haben.
War das nicht nur auf Richter bezogen? Generell stimmt es aber natürlich, dass im öD (und zwar sowohl bei den Beamten als auch den Tarif-Angestellten) in den höheren Qualifikations-Ebenen die Bezahlung deutlich hinter der der Wirtschaft für vergleichbare Tätigkeiten hinterher hinkt. Das ist aber eine ganz andere Baustelle, die hiervon völlig unabhängig ist. Die müsste sich nämlich in einer Aufwertung entsprechender Ämter bzw. Tätigkeiten widerspiegeln, was aber natürlich erst einmal überhaupt nichts mit der Mindestalimentation von Alleinverdiener-Familien in den unteren Besoldungsgruppen zu tun hat.
Sorry, ist ein bisschen länger geworden...