Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2653909 times)

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2295 am: 09.10.2021 19:25 »
Auf eine SPD-Anfrage:

Antwort
des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat
vom 25.08.2021
1. Korrekturbedarf der Besoldung in Bayern
1.1 Sind die erforderlichen Berechnungen abgeschlossen bzw. wann werden
sie abgeschlossen sein?
1.2 Bei welchen Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, familiären Konstellationen und ggf. wo darüber hinaus (z.B. in Ballungs-/Verdichtungsräumen, Weiteres) gibt es Handlungsbedarf?
Das Bundesverfassungsgericht hat mit den Entscheidungen vom 04.05.2020 (Az. 2 BvL
4/18 u. 2 BvL 6/17 u.a.) seine Rechtsprechung zum sog. Mindestabstandsgebot zum
Grundsicherungsniveau deutlich verändert.
Für die erforderlichen Berechnungen ist dies mit einem erheblichen Ermittlungs- und
Auswertungsaufwand verbunden, etwa durch dafür notwendige umfangreiche Abfragen bei verschiedensten Trägern von Grundsicherungsleistungen oder anderen Akteuren, wie etwa dem Verband der privaten Krankenversicherung. Die im Rahmen dieser
Abfragen regelmäßig übermittelten Daten müssen des Weiteren ausgewertet werden.
Schließlich sind diese Daten auch jährlich zu aktualisieren. Dieser gesamte Prozess ist
mit entsprechendem Zeitaufwand verbunden. Endgültige Berechnungen liegen noch
nicht vor.
Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht einerseits ausdrücklich darauf
hinweist, dass seine Ausführungen keine für die Besoldungsgesetzgeber in jeder Einzelheit verbindlichen Berechnungsgrundlagen darstellen sowie andererseits auch teilweise selbst mehrere Möglichkeiten zur Berechnung einzelner Bestandteile anführt.
Der Entscheidungsprozess, welche der möglichen Anknüpfungspunkte die Situation
in Bayern aus Sicht der Staatsregierung am zutreffendsten widerspiegeln – und damit
die Willensbildung innerhalb der Staatsregierung –, ist noch nicht abgeschlossen. Aussagen zu einem möglicherweise betroffenen Kreis an Beschäftigten bzw. einem Handlungsbedarf in Bayern können insofern zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen
werden. Die Berechnungen und Auswertungen werden mit entsprechender Priorität
vorangetrieben.
1. Nachzahlung von Amts wegen
2.1 Wie viele Beamtinnen/Beamte, Richterinnen/Richter, Staatsanwältinnen/
Staatsanwälte werden insgesamt Nachzahlungen erhalten?
2.2 Wie wird die Nachzahlung von Amts wegen für 2020, 2021 und ggf. auch
noch teilweise für 2022 sichergestellt und realisiert?
2.3 Wann werden die Nachzahlungen erfolgen?
3. Höhe der Nachzahlungen
3.1 Wie hoch ist die Spannweite der erforderlichen monatlichen Nachzahlungen
pro Kopf?
3.2 Wie hoch ist in den einzelnen Jahren das Volumen der Nachzahlungen insgesamt?
Nachdem der Prozess der Ermittlung eines möglicherweise betroffenen Kreises an Beschäftigten bzw. eines Handlungsbedarfs in Bayern noch nicht abgeschlossen ist (siehe
Antwort zu Fragen 1.1 und 1.2), können auch noch keine Aussagen zu Nachzahlungen
getroffen werden.
Des Weiteren billigt das Bundesverfassungsgericht den Besoldungsgesetzgebern
auch einen breiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung
zu, so auch hinsichtlich der Wahrung des Mindestabstandsgebots. Auch dieser Entscheidungsprozess, welche der möglichen Umsetzungsvarianten aus Sicht der Staatsregierung der Situation im Freistaat am besten gerecht wird – mithin die Willensbildung
innerhalb der Staatsregierung –, ist noch nicht abgeschlossen.
Mit Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat vom 04.08.2020
wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass ggf. gebotene Nachzahlungen von
Amts wegen rückwirkend zum Beginn des Jahres 2020 geleistet und für das Jahr 2020
Drucksache 18/17687 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 3/3
insoweit auf das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung verzichtet wird. Damit sind
die Rechte ggf. betroffener Beschäftigter für das Jahr 2020 auch ohne Einlegung eines
Rechtsbehelfs gewahrt. Das Jahr 2021 ist als laufendes Haushaltsjahr ohnehin Teil des
noch offenen Gesamtkomplexes.
4. Anpassung des Besoldungsgesetzes
4.1 Wann plant die Staatsregierung, den erforderlichen Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Besoldungsgesetzes im Landtag einzubringen?
4.2 Welche wesentlichen Änderungen/Ergänzungen im Besoldungsgesetz, in
den Besoldungstabellen bzw. in den weiteren Anlagen des Besoldungsgesetzes werden erforderlich sein?
4.3 Für welches Haushaltsjahr wird die Staatsregierung das zusätzliche Besoldungsvolumen erstmals in ihrem Entwurf für das Haushaltsgesetz bzw.
den Haushaltsplan aufnehmen?
Ein Gesetzentwurf wird seitens der Staatsregierung nach Abschluss der Prozesse der
Ermittlung eines möglicherweise betroffenen Kreises an Beschäftigten bzw. eines Handlungsbedarfs in Bayern sowie der Entscheidungsfindung im Hinblick auf die seitens des
Bundesverfassungsgerichts angeführten Gestaltungsspielräume in den Landtag eingebracht. Aussagen zu möglichen Inhalten eines Gesetzentwurfes können aus den im
Hinblick auf die Fragen 1.1 bis 3.2 genannten Gründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden. Eine Aufnahme in den Regierungsentwurf des Haushalts erfolgt, sobald
sich Kosten nach Abschluss der noch offenen Ermittlungs- und Entscheidungsprozesse
veranschlagungsreif beziffern lassen können.

xap

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2296 am: 10.10.2021 09:05 »
Eine klassische Antwort, die in keiner Weise auf die Fragestellung(en) eingeht, kann man sich auch sparen. Wissen die da irgendwas, außer, dass sie nichts wissen?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2297 am: 10.10.2021 09:35 »
... Die Erstellung der nötigen Daten (es geht um die Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife; denn alle anderen Werte liegen vor) benötigt kein Jahr Zeit, wie unlängst Berlin, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gezeigt haben. Es dürfte zu vermuten sein, dass das Staatsministerium genug weiß, um nicht genug zu wissen...

WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2298 am: 10.10.2021 10:18 »
Es ist mir aber als Amtsträger nicht egal, dass unsere Dienstherren den Amtseid nur einseitig auslegen, die Verfassung seit 15 Jahren brechen und nach derzeitiger Sicht auch die nächsten Jahre vorsätzlich brechen werden, indem sie den meisten Kolleginnen und Kollegen die amtsangemessene Alimentation ausschließlich aus Kostengründen und damit illegal verwehren. Es macht mich fassungslos und es tut mir Leid für die vielen Leute, die in den letzten Jahren darunter zu leiden hatten und aus verfahrensrechtlichen Gründen oder durch die Beendigung des Lebens niemals zu ihrem Recht kommen werden.
Da bin ich komplett bei ihnen, insbesondere da ja seit Jahrzehnten Beamten der unteren Besoldungsgruppen mit Kinder unterhalb der vom BVerG errechneten Mindestalimentation leben mussten.

was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2299 am: 11.10.2021 06:57 »
Leider muss ich Sie enttäuschen, als unter 30jähriger Beamter....

...dann wird man wohl aus Gründen des Respekts vor dem Alter hier von dir gesiezt? 8)

....und baldiger Vater kann es mir die nächsten 25-30 Jahre (je nach Anzahl der weiteren Kinder) egal sein, wie die Alimentation zukünftig gestaltet wird.
...die Familienplanung läuft also auf mindestens 3 Kinder hinaus?....ich denke eher, dass es in 25 bis 30 Jahren überhaupt keine Alimentation mehr für aktive Beamte gibt...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

LehrerInNRW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2300 am: 15.10.2021 10:03 »
Weiß jemand, wann das Geld in NRW kommt? Das LBV stellt sich ja ziemlich erfolgreich Tod.

Big T

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2301 am: 15.10.2021 10:52 »
tot ;)

LehrerInNRW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2302 am: 15.10.2021 12:38 »
stimmt  ;)

was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2303 am: 16.10.2021 12:11 »
...muss man als LehrerIn aber nicht unbedingt wissen... ;)
Gruß aus "Tief im Westen"

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lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2304 am: 16.10.2021 20:14 »
Aktuelles aus dem Beamtenbereich
Beamtenalimentation – Korrekturen sind fällig
– September 2021 –

Schon im vergangenen Jahr hatte sich das Bundesverfassungsgericht in mehreren Fällen mit der Beamtenalimentation befasst und dabei die Vorgaben für die Bemessung der verfassungsgemäßen Höhe der Besoldung konkreter gefasst und den veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst. Der BBB ist seitdem in Kontakt mit dem FM, um gemeinsam zu einer Umsetzung der Rechtsprechung auch im bayerischen Recht zur kommen.

Die Entscheidungen ergingen zur Höhe der Alimentation von Beamten, Richtern und Staatsanwälten in Berlin sowie zur Besoldung von Beamten mit mehr als zwei Kindern in Nordrhein-Westfalen (BVerfG Az 2 BvL 4/18; 2 BvL 6/17; 2 BvL 8/17; 2 BvL 7/17 vom 4. Mai 2020). Die aufgestellten Vorgaben sind differenziert und ihre Anwendung erfordert umfangreiche Berechnungen – ebenso wie eine gegebenenfalls erforderliche Korrektur.

Direkt nach Bekanntwerden der Entscheidungen hat sich der BBB mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in Verbindung gesetzt. Auch die bayerische Besoldung muss sich an diesen Vorgaben messen lassen. Korrekturen sind erforderlich. In welchem Umfang dies notwendig ist, setzt eingehende Berechnungen und Vergleichserwägungen voraus. Von den vorzunehmenden Verbesserungen sollen möglichst alle Betroffenen profitieren.

Zeitnahe Geltendmachung erforderlich

Grundsätzlich kann der Einzelne, soweit er nicht am Verfahren beteiligt war, keine Ansprüche aus den Urteilen herleiten. Zwar hat eine Korrektur zu erfolgen, allerdings gelten die günstigeren Regelungen erst ab deren Inkrafttreten. Eine Ausnahme besteht, soweit der Anspruch auf höhere Besoldung rechtzeitig geltend gemacht wird, ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Bei Besoldungsansprüchen kommt hinzu, dass diese bei zu niedrig bemessener Besoldung immer zeitnah, also im laufenden Haushaltsjahr, geltend gemacht werden müssen. Die Besoldung diene – so das Bundesverfassungsgericht in langjähriger Rechtsprechung – der Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs.

Korrektur von Amts wegen für 2020

Aufgrund der Komplexität hat das Bayerische Staatsministerium bereits zu Beginn der Gespräche die Korrektur von Amts wegen rückwirkend zum Jahresbeginn zugesagt, in allen Fällen, in denen sich Korrekturbedarf ergibt. Gleichzeitig wurde auf das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung für das Jahr 2020 verzichtet. Für das Jahr 2021 steht dies noch aus. Ziel ist es, die notwendigen Berechnungen noch im laufenden Jahr zu Ende zu bringen.

Wo liegt das Problem?

Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass die Nettobesoldung 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen muss, um verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Dabei stellt es im Grundsatz auf eine vierköpfige Alleinverdiener-Familie ab. Für Familien mit mehr als zwei Kindern wird der Nettobesoldungsabstand von Kind zu Kind ab dem dritten Kind mit dem Grundsicherungsbedarf eines Kindes verglichen.

Schon in früheren Entscheidungen hatte das Bundesverfassungsgericht auf das Grundsicherungsniveau abgestellt.

Dazu zählen die Regelsätze der Grundsicherung, die Wohnkosten, die Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder sowie die von staatlicher Seite gewährten Vergünstigungen, die im Sozialbereich geleistet werden. So z. B. kostenlose Kinderbetreuung für Grundsicherungsempfänger, Ermäßigungen beim öffentlichen Nahverkehr oder zu Eintritten in Schwimmbäder, Theater und Museen.

Die Neuerungen in der aktuellen Rechtsprechung

Gerade das letzte Element mit seinen zahlreichen, teilweise von Kommune zu Kommune divergierenden Ausgestaltungen, ist mit den aktuellen Entscheidungen als zu berücksichtigender Faktor neu in die Berechnungen mit aufgenommen worden.

Und auch bei den Wohnkosten hat sich eine bedeutende Neuerung ergeben. Statt wie bisher auf pauschalisierte Werte abzustellen, verlangt das Bundesverfassungsgericht nun, dass die tatsächlichen Verhältnisse in den jeweiligen Gebieten Berücksichtigung finden. Auch in Kommunen mit höheren Kosten für das Wohnen, muss das Grundsicherungsniveau gewahrt sein.

Man wird also Lösungen suchen müssen, die sehr viel enger an den tatsächlichen Verhältnissen anknüpfen.

Was bedeutet das?

Nun muss das aktuelle Besoldungsniveau in allen bayerischen Regionen an oben genannten Maßstäben gemessen werden. Nicht nur in München stellen hohe Mieten die Beschäftigten vor Herausforderungen, es gibt längst viele andere Bereiche, in denen die Wohnkosten in unterschiedlichen Höhen über das normale Maß hinaus angestiegen sind. Gleichzeitig sind die Unterstützungsleistungen zur Grundsicherung einzurechnen und das Gesamtergebnis auch mit dem Bedarf von Kindern abzugleichen. Es muss eine möglichst passgenaue, aber praktikable Lösung gefunden werden, die es auch in Zukunft erlaubt, die Höhe der Besoldung im Abstand zum Grundsicherungsniveau im Auge zu behalten.

Korrekturmöglichkeiten

Das Bundesverfassungsgericht hat selbst bereits einige Wege aufgezeigt, an welchen Stellschrauben nun zu drehen ist:

Zunächst weist es darauf hin, dass die Struktur der Besoldung nicht am Alleinverdiener ausgerichtet sein müsse. Der Gesetzgeber verfüge über einen weiten Ermessenspielraum. Es stehe im frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen. Stellschrauben, die verändert werden können.

Als weitere Stellschrauben sieht es die Anhebung der Grundgehaltssätze, Veränderungen bei den Fürsorgeleistungen, oder eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges oder regionale Differenzierungen.

Gleichzeitig betont es ausdrücklich, dass der Besoldungsgesetzgeber gefordert ist, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten, um Art und Ausmaß der geldwerten Vorteile (die der Staat jedermann zur Verfügung stellt) zu ermitteln und die Höhe der Besoldung diesen kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen.

Eine große Herausforderung!

Bayern ist bereits seit Jahren Spitzenreiter in der Besoldung. Gleichwohl weist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Korrekturbedarf hin. Der Ruf, den Bayern sich mit seinen Regelungen zum Beamtenrecht und der Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes an sich erworben hat, lässt andere Länder nun gespannt auf die zu treffenden Regelungen schauen. Der BBB befindet sich in engem Austausch mit der Bayerischen Staatsregierung, um bestmögliche Lösungen zu finden.

Kalimero

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2305 am: 16.10.2021 21:29 »
Weiß jemand denn ob sich auch etwas in BW tut?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2306 am: 17.10.2021 01:51 »
Aktuelles aus dem Beamtenbereich
Beamtenalimentation – Korrekturen sind fällig
– September 2021 –

Schon im vergangenen Jahr hatte sich das Bundesverfassungsgericht in mehreren Fällen mit der Beamtenalimentation befasst und dabei die Vorgaben für die Bemessung der verfassungsgemäßen Höhe der Besoldung konkreter gefasst und den veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst. Der BBB ist seitdem in Kontakt mit dem FM, um gemeinsam zu einer Umsetzung der Rechtsprechung auch im bayerischen Recht zur kommen.

Die Entscheidungen ergingen zur Höhe der Alimentation von Beamten, Richtern und Staatsanwälten in Berlin sowie zur Besoldung von Beamten mit mehr als zwei Kindern in Nordrhein-Westfalen (BVerfG Az 2 BvL 4/18; 2 BvL 6/17; 2 BvL 8/17; 2 BvL 7/17 vom 4. Mai 2020). Die aufgestellten Vorgaben sind differenziert und ihre Anwendung erfordert umfangreiche Berechnungen – ebenso wie eine gegebenenfalls erforderliche Korrektur.

Direkt nach Bekanntwerden der Entscheidungen hat sich der BBB mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in Verbindung gesetzt. Auch die bayerische Besoldung muss sich an diesen Vorgaben messen lassen. Korrekturen sind erforderlich. In welchem Umfang dies notwendig ist, setzt eingehende Berechnungen und Vergleichserwägungen voraus. Von den vorzunehmenden Verbesserungen sollen möglichst alle Betroffenen profitieren.

Zeitnahe Geltendmachung erforderlich

Grundsätzlich kann der Einzelne, soweit er nicht am Verfahren beteiligt war, keine Ansprüche aus den Urteilen herleiten. Zwar hat eine Korrektur zu erfolgen, allerdings gelten die günstigeren Regelungen erst ab deren Inkrafttreten. Eine Ausnahme besteht, soweit der Anspruch auf höhere Besoldung rechtzeitig geltend gemacht wird, ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Bei Besoldungsansprüchen kommt hinzu, dass diese bei zu niedrig bemessener Besoldung immer zeitnah, also im laufenden Haushaltsjahr, geltend gemacht werden müssen. Die Besoldung diene – so das Bundesverfassungsgericht in langjähriger Rechtsprechung – der Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs.

Korrektur von Amts wegen für 2020

Aufgrund der Komplexität hat das Bayerische Staatsministerium bereits zu Beginn der Gespräche die Korrektur von Amts wegen rückwirkend zum Jahresbeginn zugesagt, in allen Fällen, in denen sich Korrekturbedarf ergibt. Gleichzeitig wurde auf das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung für das Jahr 2020 verzichtet. Für das Jahr 2021 steht dies noch aus. Ziel ist es, die notwendigen Berechnungen noch im laufenden Jahr zu Ende zu bringen.

Wo liegt das Problem?

Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass die Nettobesoldung 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen muss, um verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Dabei stellt es im Grundsatz auf eine vierköpfige Alleinverdiener-Familie ab. Für Familien mit mehr als zwei Kindern wird der Nettobesoldungsabstand von Kind zu Kind ab dem dritten Kind mit dem Grundsicherungsbedarf eines Kindes verglichen.

Schon in früheren Entscheidungen hatte das Bundesverfassungsgericht auf das Grundsicherungsniveau abgestellt.

Dazu zählen die Regelsätze der Grundsicherung, die Wohnkosten, die Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder sowie die von staatlicher Seite gewährten Vergünstigungen, die im Sozialbereich geleistet werden. So z. B. kostenlose Kinderbetreuung für Grundsicherungsempfänger, Ermäßigungen beim öffentlichen Nahverkehr oder zu Eintritten in Schwimmbäder, Theater und Museen.

Die Neuerungen in der aktuellen Rechtsprechung

Gerade das letzte Element mit seinen zahlreichen, teilweise von Kommune zu Kommune divergierenden Ausgestaltungen, ist mit den aktuellen Entscheidungen als zu berücksichtigender Faktor neu in die Berechnungen mit aufgenommen worden.

Und auch bei den Wohnkosten hat sich eine bedeutende Neuerung ergeben. Statt wie bisher auf pauschalisierte Werte abzustellen, verlangt das Bundesverfassungsgericht nun, dass die tatsächlichen Verhältnisse in den jeweiligen Gebieten Berücksichtigung finden. Auch in Kommunen mit höheren Kosten für das Wohnen, muss das Grundsicherungsniveau gewahrt sein.

Man wird also Lösungen suchen müssen, die sehr viel enger an den tatsächlichen Verhältnissen anknüpfen.

Was bedeutet das?

Nun muss das aktuelle Besoldungsniveau in allen bayerischen Regionen an oben genannten Maßstäben gemessen werden. Nicht nur in München stellen hohe Mieten die Beschäftigten vor Herausforderungen, es gibt längst viele andere Bereiche, in denen die Wohnkosten in unterschiedlichen Höhen über das normale Maß hinaus angestiegen sind. Gleichzeitig sind die Unterstützungsleistungen zur Grundsicherung einzurechnen und das Gesamtergebnis auch mit dem Bedarf von Kindern abzugleichen. Es muss eine möglichst passgenaue, aber praktikable Lösung gefunden werden, die es auch in Zukunft erlaubt, die Höhe der Besoldung im Abstand zum Grundsicherungsniveau im Auge zu behalten.

Korrekturmöglichkeiten

Das Bundesverfassungsgericht hat selbst bereits einige Wege aufgezeigt, an welchen Stellschrauben nun zu drehen ist:

Zunächst weist es darauf hin, dass die Struktur der Besoldung nicht am Alleinverdiener ausgerichtet sein müsse. Der Gesetzgeber verfüge über einen weiten Ermessenspielraum. Es stehe im frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen. Stellschrauben, die verändert werden können.

Als weitere Stellschrauben sieht es die Anhebung der Grundgehaltssätze, Veränderungen bei den Fürsorgeleistungen, oder eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges oder regionale Differenzierungen.

Gleichzeitig betont es ausdrücklich, dass der Besoldungsgesetzgeber gefordert ist, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten, um Art und Ausmaß der geldwerten Vorteile (die der Staat jedermann zur Verfügung stellt) zu ermitteln und die Höhe der Besoldung diesen kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen.

Eine große Herausforderung!

Bayern ist bereits seit Jahren Spitzenreiter in der Besoldung. Gleichwohl weist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Korrekturbedarf hin. Der Ruf, den Bayern sich mit seinen Regelungen zum Beamtenrecht und der Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes an sich erworben hat, lässt andere Länder nun gespannt auf die zu treffenden Regelungen schauen. Der BBB befindet sich in engem Austausch mit der Bayerischen Staatsregierung, um bestmögliche Lösungen zu finden.

https://www.bbb-bayern.de/service/beamte/

Heidegger hätte es nicht besser formulieren können, um mit vielen Worten das Nichts zu sagen. Wenn so ein gequirltes Gequarke (leider ist ein anderes Wort kaum möglich, um in seinem Sinne und also diesbezüglich scheinbar das innerweltlich Seiende zu formulieren) von einer Gewerkschaft formuliert wird und dieses also nicht vom Dienstherrn geschieht, dann macht man sich selbst überflüssig. Wem's wohl nicht um die Zuhandenheit geht, geht's wohl eher um das Zuschandensein...

Das Bundesverfassungsgericht hat nie von formellen "Stellschrauben" gesprochen, sondern klare Direktiven aufgestellt, mittels derer Beachtung es dem Besoldungsgesetzgeber unmöglich wird, eine amtsangemessene Alimentation zu verfehlen. Diese sind ohne viel Aufhebens zu beachten, um daraus schlüssige Folgen zu ziehen. Wenn man als maßgeblicher Interessenvertreter der Beamtenschaft offensichtlich nicht einmal das verstanden hat (wollte man es verstehen, hätte man seinen Mitglieder bislang einfach mal, so ist zu vermuten, eine Berechnung des Bayerischen Grundsicherungsniveaus sowie der daraus folgenden Mindestalimentation präsentieren können und wollen), muss man sich in Bayern nicht wundern, dass vonseiten der Exekutive (die jederzeit einen Gesetzentwurf für eine verfassungskonforme Alimetation einbringen dürfte, wenn sie das denn wollte) und Legislative (die ein verfassungskonformes Anpassungsgesetz jederzeit verabschieden dürfte) seit rund eineinviertel Jahren nichts passierte.

Die Mindestalimentation im Land Bayern hat im Jahr 2020 auf Grundlage einer nicht realitätsgerechten Bemessung der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der Sozialtarife eine verfassungskonforme Höhe um mehr als 26 % verfehlt (unter realitätsgerechter Beachtung dieser Kosten dürfte der Prozentwert noch einmal um einiges höher liegen) - wer sich als Interessensvertreter seiner Mitglieder so gemein mit dem Dienstherrn macht, muss sich nicht wundern, wenn er vom Kollegen Söder als so jovial-unwichtig betrachtet wird wie auf dem letzten Delegiertentag (vgl. ab Min. 2:45): https://www.youtube.com/watch?v=Wlm_KEbCXpI

bigbroen

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2307 am: 17.10.2021 13:18 »
Kann es sein, dass eine Einführung der Kindergrundsicherung das Problem sozialverträglich löst. Nach dem Motto der Staat alimentiert einfach alle Kinder egal ob Beamtenkind oder nicht.

Opa

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2308 am: 18.10.2021 08:48 »
Kann es sein, dass eine Einführung der Kindergrundsicherung das Problem sozialverträglich löst. Nach dem Motto der Staat alimentiert einfach alle Kinder egal ob Beamtenkind oder nicht.
Eher nicht. Eine Kindergrundsicherung dürfte sich eher am soziokulturellen Existenzminimum orientieren. Die Alimentation der Beamtenfamilie muss im Gegensatz dazu amtsangemessen erfolgen, also parallel zum statusrechtlichen Amt ansteigen. Insofern sind Grundsicherungssysteme nicht kompatibel mit dem Alimentationsprinzip.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2309 am: 18.10.2021 09:42 »

Die Mindestalimentation im Land Bayern hat im Jahr 2020 auf Grundlage einer nicht realitätsgerechten Bemessung der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der Sozialtarife eine verfassungskonforme Höhe um mehr als 26 % verfehlt (unter realitätsgerechter Beachtung dieser Kosten dürfte der Prozentwert noch einmal um einiges höher liegen) - wer sich als Interessensvertreter seiner Mitglieder so gemein mit dem Dienstherrn macht, muss sich nicht wundern, wenn er vom Kollegen Söder als so jovial-unwichtig betrachtet wird wie auf dem letzten Delegiertentag (vgl. ab Min. 2:45): https://www.youtube.com/watch?v=Wlm_KEbCXpI

In dem obigen Video spricht Söder davon, dass das Urteil des BVerfGerichts nicht nur Gutes für die Beamten enthält. Was meint er? Ist das nur taktisches Verhandlungsgerede? Könnte es gar zu Verschlechterungen für einzelne Beamtengruppen kommen?