Das hat BW vor.
Leider kann ich das PDF hier nicht einstellen, deswegen Copy and paste und dadurch schlechte Formatierung:
4-Säulen-Modell
Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Mai 2020 zur Alimentation der Beamtinnen/Beamten sowie Richterinnen/Richter
1. Hintergrund
Das BVerfG hat mit dem Beschluss zur Richterbesoldung in Berlin insbesondere den Min-destabstand der Netto-Besoldung der niedrigsten Besoldungsgruppe (BesGr.) zum Grundsi-cherungsniveau (Abstand muss mind. 15 % betragen) und die Anforderungen an die Ermitt-lung des Grundsicherungsniveaus näher bestimmt ("BVerfG-Beschluss 1"). Mit dem Be-schluss zum kinderbezogenen Familienzuschlag ab dem 3. Kind in NRW (Zuschlag muss 15 % über dem Grundsicherungsniveau eines Kindes liegen) hat das BVerfG außerdem ge-änderte Berechnungsparameter vorgegeben ("BVerfG-Beschluss 2").
Warum sind wir an die BVerfG-Beschlüsse gebunden?
Die BVerfG-Beschlüsse ergingen zwar zu Berlin und NRW, die darin aufgestellten Grunds-ätze zum Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) binden allerdings alle Verwaltungen und Gerichte (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). D.h., dass nachgeordnete Gerichte entsprechende Fälle dem BVerfG vorlegen müssten. Die Besoldung beim Bund und den Ländern, also auch in Baden-Württemberg, muss deshalb an die neu justierten Maßstäbe angepasst werden. Hier-für hat das FM ein 4-Säulen-Modell (s.u.) entwickelt, mit dem Ziel, die Vorgaben des BVerfG ab 2022 umzusetzen.
Warum muss auch etwas für die Vergangenheit getan werden?
Dazu besteht aufgrund beider BVerfG-Beschlüsse die Verpflichtung: "Eine rückwirkende Be-hebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist" (vgl. BVerfG-Beschluss 1, Rn. 183 und BVerfG-Be-schluss 2, Rn. 95):
• Offene Fälle: Die Fälle, bei denen Widersprüche beim LBV eingegangen sind sowie Fälle, bei denen Klageverfahren, insb. bei Verwaltungsgerichten, aufgrund der BVerfG-Rechtsprechung ruhend gestellt sind. Bei den Klageverfahren haben die Gerichte auf die BVerfG-Beschlüsse verwiesen und warten nun auf die gesetzgeberische Umsetzung der Länder.
Hinweis: Die Widerspruchswelle begann in BaWü ab 2017 (rd. 13.500 Fälle).
• Betroffene Fälle der Jahre 2020 und 2021: Ab Bekanntwerden der BVerfG-Beschlüsse vom Mai 2020 drohten Massenwidersprüche aller Beamt*innen (rd. 190.000). Aus Grün-den der Verwaltungsvereinfachung, Entbürokratisierung und Wertschätzung der Be-amt*innen hat deshalb das FM mit dem BBW und dem Richterbund vereinbart, dass die Einlegung von Widersprüchen zur Wahrung des Rechtsanspruchs nicht erforderlich ist (vergleichbar hat seinerzeit auch Bayern agiert).
• Betroffene Besoldungsgruppen: Für die Jahre vor 2022 ergeben sich für alle betroffe-nen Beamt*innen (grds. bis BesGr. A10, abhängig von Höhe der Erfahrungsstufe) Nach-zahlungen.
2. Vorgaben der BVerfG-Beschlüsse 1 und 2 sowie Herausforderungen einer kostenef-fizienten Lösung
Im Rahmen der Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 1 musste die Schwierigkeit gelöst werden, nach Maßgabe des BVerfG die Abstände der Besoldungsgruppen (BesGr.) zwi-schen A 6 und B 11 grds. nicht wesentlich zu verändern (vgl. BVerfG vom 23.5.2017 - 2 BvR883/14, 2 BvR 905/14) und gleichzeitig eine kosteneffiziente sowie bedarfsgerechte Lösung für die Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 1 zu entwickeln.
Lösung 4-Säulen-Modell
Ziel des 4-Säulen-Modells: Stärkung der unteren BesGr., sodass sie mit Sicherheit 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen und das Abstandsgebot hierbei gewahrt wird.
Kostenvergleich mit anderen Modellen
Alternativ wäre die Anhebung der Grundgehälter oder die Erhöhung der Familienzuschläge für das 1. und das 2. Kind aller Beamt*innen/Richter*innen denkbar. Diese wären jedoch mit erheblich höheren jährlichen Mehrausgaben verbunden:
• Die Anhebung der Grundgehälter würde kosten: 2,9 Mrd. € zzgl. 60 Mio. € (Anhebung kinderbezogener Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind von jeweils 407,78 € auf ca. 691 € aufgrund der Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 2).
• Die Erhöhung der Familienzuschläge für das 1. und das 2. Kind würde kosten: 547 Mio. € zzgl. 60 Mio. € (Anhebung kinderbezogener Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind von jeweils 407,78 € auf ca. 691 € aufgrund der Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 2).
• Die Umsetzung des 4-Säulen-Modells würde kosten: 178 Mio. € zzgl. 60 Mio. € (Anhe-bung kinderbezogener Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind von jeweils 407,78 € auf ca. 691 € aufgrund der Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 2), also insg. jährlich 238 Mio. €.
Hinzukommen bei allen Modellen einmalige Kosten für die Vergangenheit vor 2022 von je-weils 236,6 Mio. € (vgl. Ziff. 5.2).
3. Konkrete Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 1 (4-Säulen-Modell)
Um mit der Netto-Besoldung den Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau einzuhalten (Behebung des bestehenden Defizits zur erforderlichen Höhe der Netto-Besoldung) und den neu justierten Maßstäben des BVerfG zu genügen, wurde folgendes 4-Säulen-Modell für die Umsetzung des BVerfG-Beschlusses 1 entwickelt:
1. Säule
Ämteranhebung
Anhebung Eingangsamt mittlerer Dienst
(mD) von BesGr. A 6 nach A 7 (ehemals
einfacher Dienst ["eD"])
Anhebung
derzeitige Ämter in BesGr. A 7
und A 8 ( Eingangsamt mD,
Beförderungamt "eD"
Abbildung derzeitige Stellenstruktur
Hebungen von BesGr. A 8 nach A 9
Anhebung Endamt mD
von BesGr. A 9
nach A 10 bzw. BesGr. A 9 Z nach A 10 Z
Anhebung Eingangsamt gehobener
Dienst von BesGr. A 9 nach A 10
(nichttechnisch) bzw. von BesGr. A 10
nach A 11 (technisch)
2. Säule
Neustrukturierung
Erfahrungsstufen
1. und 2. Erfahrungs
stufe fallen weg
Besserer Einstieg
in
Erfahrungsstufe 3 (betrifft
BesGr. bis A 10, da ab
BesGr. A 11 ohnehin in
Erfahrungsstufe 3 gestartet
wird und Mindestabstand
zum
Grundsicherungsniveau
bisher schon ab BesGr. A 11
gewahrt ist).
3. Säule
Rücknahme
Absenkung
Beihilfebemessungs
sätze
Rücknahme
der
Absenkung der
Beihilfebemessungs
sätze durch das
HHBegleitG 2013/2014
(von 50% auf wieder
70%
Es profitieren:
Die von
der Absenkung
betroffenen
Beamt*innen mit zwei
oder mehr Kindern,
berücksichtigungsfähige
Ehegatt*innen/
Lebenspartner*innen
sowie Beamt*innen
nach Eintritt in den
Ruhestand
4. Säule
Erhöhung
kinderbezogene
Familienzuschläge
für das 1. und das 2.
Kind
Erhöhungsbeträge
für 2.
Kinder ausgehend von
BesGr. A 7
(Erfahrungsstufe 3) ab
ca. 300 € in absteigender
Höhe bis BesGr. A 14 (bis
ca. 10 €) bzw. R 1
(Erfahrungsstufen 1 3)
Erhöhungsbeträge für
1.
Kinder jeweils 50 € in
den BesGr. bis A 10 bzw.
25 € in den BesGr. A 11
bis A 13
Notwendige Rechtsänderungen: Aufgrund der im 4-Säulen-Modell vorgesehenen Maßnah-men müssten das Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg, das Landesbeamtenge-setz und die Beihilfeverordnung geändert werden.
Wie sieht der Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens aus?
Im Anschluss an das Tarifergebnis der Länder und die Entscheidung über die Übertragung auf die Beamt*innen ist beabsichtigt, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg, des Landesbeamtengesetzes und der Beihilfeverordnung vorzulegen. Für das Gesetzgebungsverfahren ist mit einer Dauer von 9 Monaten zu rechnen.
4. Vorteile des 4-Säulen-Modells
• Kosteneffizienz, da erheblich geringere Mehrausgaben als bei den anderen Modellen.
• Verwaltungsvereinfachung, weil eine regional unterschiedliche Ermittlung des Grund-sicherungsniveaus nach Mietenstufen des Wohngeldgesetzes vermieden wird,
• Steigerung der Konkurrenzfähigkeit des Landes gegenüber privaten Arbeitgebern insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen,
• Vermeidung von Standortnachteilen und Anschluss insbesondere gegenüber dem Bund und Bayern bei der Attraktivität als Dienstherr,
• Verbesserung unserer Verhandlungsposition bei der Übertragung des Tarifergebnis-ses der Länder, welches für Ende November 2021 erwartet wird und
• Verbesserungen bzgl. der Beihilfe, die den unteren BesGr. und Familien mit zwei Kin-dern besonders zugutekommen, weil sie von den höheren Versicherungsbeiträgen am meisten betroffen sind; zudem droht eine juristische Niederlage in Gerichtsverfahren zu Beihilfebemessungssätzen.
5. Zusammenfassung der Kosten der Umsetzung der BVerfG-Beschlüsse 1 und 2 in Baden-Württemberg
Aufgrund der Umsetzung der BVerfG-Beschlüsse ergeben sich laufende Kosten sowie ein-malige Kosten.
5.1 Laufende jährliche Kosten in der Zukunft (ab 2022)
Für die Jahre ab 2022 ergeben sich dauerhafte Personalmehrausgaben i.H.v. insg. jährlich rd. 238 Mio. €:
Beschluss 1 - 4-Säulen-Modell:
rd. 178 Mio. €
Beschluss 2 - Erhöhung Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder:
rd. 60 Mio. €
Gesamtkosten:
rd. 238 Mio. €
5.2 Einmalige Kosten für die Vergangenheit (Jahre vor 2022)
Für die Jahre vor 2022 ergeben sich durch Nachzahlungen einmalige Personalmehrausga-ben i.H.v. insg. rd. 236,6 Mio. €:
Beschluss 1 - Spitzabrechnung Mindestabstand:
rd. 96,6 Mio. €
Beschluss 2 - Erhöhung Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder:
rd. 140 Mio. €
Gesamtkosten:
rd. 236,6 Mio. €
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