Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2715536 times)

uw147

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2400 am: 31.10.2021 08:55 »
Das ist richtig. Swen hat wahrscheinlich übersehen dass du den Fall meinst, wenn die Bundesländer dazu übergehen, die Widersprüche nicht mehr ruhend zu stellen und abschlägig zu bescheiden.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2401 am: 31.10.2021 09:18 »
Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts haben gezeigt, dass die Dienstherren seit Jahrzehnten unrechtmäßig, verfassungswidrig zu wenig Besoldung an ihre engsten Mitarbeiter zahlen, und dass sie das auch weiterhin so machen wollen, obwohl das Bundesverfassungsgericht ihnen die Grenzen aufgezeigt hat. Es ist deshalb an der Zeit sich zu fragen, warum machen sie das?
Weil man immer zuerst beim Personal spart?
Weil die Haushalte es einfach nicht hergeben? (dann muss man als Beamter sich einmal genau anschauen, für was alles Geld ausgegeben wird).
Weil man es mit Beamten einfach so machen kann?
Weil es bis zur nächsten Legislaturperiode dauert bis eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts getroffen wird?
Weil es bei den anderen Teilen der Gesellschaft gut ankommt, wenn man bei Beamten spart, oder umgekehrt, es würde nicht gut ankommen, wenn man die Besoldung erhöht?
Weil der öffentliche Dienst eigentlich bei Berufsanfängern immer noch beliebt ist?
Weil es relativ wenig Widerstand der Gewerkschaften gibt?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2402 am: 31.10.2021 09:23 »
Aber wenn man nicht klagen und dem Widerspruch nicht entsprochen wird,bekommt man rückwirkend kein Geld.
Oder habe ich das falsch verstanden?

Solange der Widerspruch ruhend gestellt ist, sichert er Deine Ansprüche für die Zeit, für die er gilt. Er entfaltet entsprechend dann Geltung, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage feststellt, gegen die er sich richtet. Für Baden-Württemberg liegt derzeit nach meinem Kenntnisstand kein Vorlagebeschluss beim Bundesverfassungsgericht vor. Es wäre jedoch erstaunlich, wenn vonseiten der Gewerkschaften und Verbände keine Musterklagen geführt werden würden, sofern dieses "Vier-Säulen"-Konzept am Ende zu einem Gesetz werden würde. Insofern sollte es nicht an Dir liegen, Klagen zu müssen, solange der Widerspruch ruhend gestellt ist.

Ergo: Erst einmal solltest Du für dieses Jahr Widerspruch einlegen, abwarten, wie darauf vonseiten des Dienstherrn reagiert wird, und Abhängigkeit davon Deine weiteren Schritte planen. Zugleich ist davon auszugehen, dass die Gewerkschaften und Verbände auch in Baden-Württemberg im Hinblick auf jenes "Vier-Säulen-Modell" ihre Mitglieder informieren werden, wie es von ihrer Seite weitergeht, was dann wiederum auch hier seinen Niederschlag finden dürfte.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2403 am: 31.10.2021 09:34 »
@ uw

Es ist, wie Du schreibst: Noch gehen die meisten Länder dazu über, die Widersprüche ruhend zu stellen. Es wird interessant werden, ob das so bleiben wird.

@ lotsch

Es ist eine Mischung aus allen Gründen, die Du nennst. Dabei dürfte das Moment der Personalkosteneinsparung im Mittelpunkt des Interesses stehen, wie die Zahlen aus BW und TH ja zeigen. Die verfassungswidrigen Einsparungen der letzten rund 15 Jahre waren einfach viel zu groß, als dass man nun meinte, auf die verzichen zu können. Nicht umsonst dürfte man vonseiten der Dienstherrn nun bereits das (Neu-)Besetzen von Stellen nach hinten schieben oder gleich gar nicht mehr vollziehen wollen, was wiederum eine zentrale Befürchtung der Gewerkschaften und ein Grund für ihr nicht seltenes Stillhalten ist: Wenn die Beamten deutlich höher alimentiert werden, wird man ggf. Personal im öffentlichen Dienst abbauen, um die Mehrkosten zu verringern, was wiederum die Arbeitsbelastung erhöhte.

Genau deshalb ist es so unsinnig, was BW gerade plant. Denn die in höhere Besoldungsgruppen übergeleiteten Beamten werden allesamt irgendwann dann amtsangemessen zu alimentieren sein, sodass die jetzige Bestrebung, verfassungswidrig Personalkosten einzusparen, mittel- und langfristig dazu führen wird, Mehraufwendungen generieren zu müssen, die nicht anfielen, würde man nun einen verfassungskonformen Zustand herstellen. Wenn man ein Loch durch ein anderes stopfen möchte, stellt der Zahnarzt irgendwann nicht mehr Karies fest, sondern Zahnlosigkeit...

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2404 am: 31.10.2021 13:07 »
@Swen: Bei der aktuellen Kariesbehandlung wird es besonders schmerzhaft, wenn wahlweise ein Tierarzt oder ein Augenarzt versuchen, den Karies zu behandeln. Dabei scheint es relativ egal, ob der Tierarzt die Behandlung durchführt und der Augenarzt zuschaut oder andersrum.

Richtig funktioniert es erst, wenn der Zahnarzt aus Karlsruhe allen erklärt, was sie zu tun oder zu lassen haben. Bis dahin muss man als Patient "Beamter" wohl noch einiges erleiden.

Hoffen wir mal, dass es nicht so lange dauert, bis nur noch ein Gebiss hilft.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2405 am: 31.10.2021 14:08 »
@Swen: Bei der aktuellen Kariesbehandlung wird es besonders schmerzhaft, wenn wahlweise ein Tierarzt oder ein Augenarzt versuchen, den Karies zu behandeln. Dabei scheint es relativ egal, ob der Tierarzt die Behandlung durchführt und der Augenarzt zuschaut oder andersrum.

Richtig funktioniert es erst, wenn der Zahnarzt aus Karlsruhe allen erklärt, was sie zu tun oder zu lassen haben. Bis dahin muss man als Patient "Beamter" wohl noch einiges erleiden.

Hoffen wir mal, dass es nicht so lange dauert, bis nur noch ein Gebiss hilft.

Recht hast Du: Die Dienstherrn werden am Ende im Hinblick auf eine amtsangemessene Alimentation weder einen Zahn noch einen Cent zulegen...

clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2406 am: 31.10.2021 14:21 »
Hallo,

Mein Wiederspruch vom letzten Jahr bezgl. amtsangemessene Besoldung in Niedersachsen wurde von der NLBV ruhend gestellt.  Sollte ich für dieses Jahr einen neuen Widerspruch einlegen?

Wie ist im Übrigen der Sachstand in Niedersachsen?

xap

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2407 am: 31.10.2021 16:31 »
Nach den Erfahrungen in z Bsp Hamburg würde ich JEDES Jahr erneut Widerspruch einlegen.

Finanzer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2408 am: 31.10.2021 17:04 »
....und das ruhen des Verfahrens bestätigen lassen.


xap

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2410 am: 31.10.2021 17:43 »
Danke für den Link. Zu bedenken ist, Anwälte agieren m. E. auch im eigenen Interesse. Die Infos aus dem Beitrag lassen jedoch tief blicken. Wie soll man als möglicherweise betroffener Laie da noch durchblicken. Das schreit ja fast nach anwaltlicher Vertretung.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2411 am: 31.10.2021 19:52 »
Hallo,

Mein Wiederspruch vom letzten Jahr bezgl. amtsangemessene Besoldung in Niedersachsen wurde von der NLBV ruhend gestellt.  Sollte ich für dieses Jahr einen neuen Widerspruch einlegen?

Wie ist im Übrigen der Sachstand in Niedersachsen?

Es kommt auch darauf an, ob vonseiten des NLBV auf die Einrede der Verjährung verzichtet wurde. Sofern Du Dir unsicher bist, ist es nie verkehrt, solange jährlich Deinen Widerspruch für das jeweilige Jahr geltend zu machen, bis auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird und Dich das NLBV recht dringend auffordert, von weiteren jährlichen Widerspruchsschreiben abzusehen - das dürfte erfahrungsgemäß recht schnell von dessen Seite so erfolgen, da die Bearbeitung von Widersprüchen Arbeitszeit kostet.

Bezüglich Hamburg würde ich insbesondere mal bei den Gewerkschaften und Verbänden nachfragen, insbesondere als Mitglied. Ohne Kenntnis der konkreten Schreiben kann man zum jetzt sachgemäßen Handeln nicht wirklich etwas sagen. Es ist allerdings die Aufgabe von Gewerkschaften und Verbänden, ihre Mitglieder umfassend zu informieren und sie darin auch zu beraten.

clarion

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« Antwort #2412 am: 31.10.2021 23:29 »
Ich habe nochmal nachgelesen. Die NLBV verzichtet auf die Einrede der Verjährung und bittet mich von jährlichen Widersprüchen abzusehen.

Außerdem schreibt die NLBV von anhängigen Rechtsverfahren. Wie weit ist man denn?

SwenTanortsch

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« Antwort #2413 am: 01.11.2021 07:18 »
Ich habe nochmal nachgelesen. Die NLBV verzichtet auf die Einrede der Verjährung und bittet mich von jährlichen Widersprüchen abzusehen.

Außerdem schreibt die NLBV von anhängigen Rechtsverfahren. Wie weit ist man denn?

Den Verfahrensgang findest Du hier: https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerwG&Datum=30.10.2018&Aktenzeichen=2%20C%2032.17, den Vorlagebeschluss hier: https://www.bverwg.de/pm/2018/76 Er umfasst die Jahre 2005 bis 2016.

Der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts hat im Hinblick auf die Mindestalimentation in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: "Wir haben in erschreckender Weise festgestellt, dass dies in all den Jahren nicht erreicht wurde"(https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverwg-2c32-17-besoldung-beamte-niedersachsen-zu-niedrig-bverfg/), da nach den Bemessungen des Zweiten Senats in Niedersachsen die unteren Besoldungsgruppen unterhalb der Grundsicherung alimentiert worden sind. Da das Bundesverfassungsgericht die Kriterien insbesondere zu den kalten Unterkunftskosten sowie zu den Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife präzisiert hat, was zu einer deutlich höheren zu gewährenden Mindestalimentation führt, ist auch in Niedersachsen von einer noch einmal deutlich größeren Kluft zwischen Mindest- und Nettoalimentation auszugehen, als sie vom BVerwG zu Grunde gelegt worden ist.

Es ist damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht über die Vorlage nach der im nächsten Jahr anstehenden Entscheidung zur Berliner Alimentation entscheiden wird, ohne dass heute bereits ein konkreter Termin bekannt wäre.

boysetsfire

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« Antwort #2414 am: 01.11.2021 09:34 »

Der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts hat im Hinblick auf die Mindestalimentation in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: "Wir haben in erschreckender Weise festgestellt, dass dies in all den Jahren nicht erreicht wurde"(https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverwg-2c32-17-besoldung-beamte-niedersachsen-zu-niedrig-bverfg/), da nach den Bemessungen des Zweiten Senats in Niedersachsen die unteren Besoldungsgruppen unterhalb der Grundsicherung alimentiert worden sind.

Oh. mein. Gott. :o Noch deutlicher geht's ja wohl kaum.  >:(

Deswegen lege ich jetzt wieder jedes Jahr Widerspruch ein. Auch wenn Schl.-Holstein jedes Jahr einen wortgleichen Erlass rausgibt, mit dem Hinweis, dass für das laufende Haushaltsjahr kein erneuter Widerspruch erforderlich ist. Ich habe JEDES Vertrauen in die politisch Verantwortlichen verloren. Denn wenn sich unter den Landes-FinanzministerInnen erst einmal rumgesprochen hat, was der Wissenschaftliche Dienst des Landtags Thüringen festgestellt hat, dann werden uns alle bisherigen Zusagen, Erlasse usw. nicht mehr helfen:

Zitat
2. Keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Beschränkung der mit Art. 4 des Entwurfs gewährten Nachzahlungsansprüche auf solche Beamte, die ihre zu niedrig bemessenen Bezüge mit statthaften Rechtsbehelfen angefochten haben, über die noch nicht abschließend entschieden wurde.

Inzwischen habe ich auch keine Angst mehr vor einer Klage; auf den letzten 160 Seiten wurden vielfältige Argumente zusammengetragen, vielen Dank an alle Beteiligten! Aber ich hoffe natürlich, dass meine Widersprüche weiterhin ruhend gestellt werden und mein Diensherr auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird. Schaun mer ma....