Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2638653 times)

mpai

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2775 am: 14.12.2021 10:37 »
Man kommt immer mehr zum Schluss, dass die durch die Föderalismusreform ausgelöste Auflösung der einheitlichen Besoldung für alle Beamten keine gute Idee war...

Exakt. Bundeseinheitliche Besoldung plus Regionale Differenzierung durch eine Ortszuschlag und schon wird die Sache übersichtlicher.
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2776 am: 14.12.2021 11:02 »
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

Aber dafür auch eine höhere Lebensqualität. Warum soll die Allgemeinheit für die individuelle Entscheidung aufkommen?

Finanzer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2777 am: 14.12.2021 11:09 »
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

Aber dafür auch eine höhere Lebensqualität. Warum soll die Allgemeinheit für die individuelle Entscheidung aufkommen?

Weil der Beamte weder in der Wahl seines Dienstortes, noch in der Wahl seines Wohnortes frei entscheiden kann.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2778 am: 14.12.2021 11:10 »

Das Problem an solchen eher allgemeinen Erwägungen ist, dass sie in der Allgemeingehaltenheit möglich erscheinen, dass sie aber - wie Du auch selbst schreibst - am Ende als konkrete rechtliche Normen verfassungskonform in das Rechtssystem eingeführt werden müssen im Sinne der Begründetheit, von der das BVerfG spricht. Dabei sind insbesondere die Besonderheiten des Beamten- und Besoldungsrecht zu beachten, die von allgemeinen Erwägungen in der Regel nicht getroffen werden.

Was man festhalten kann, ist, bislang ist keine entsprechend präzise Begründung vorgelegt worden - und hat nicht zuletzt das OVG Schleswig-Holstein unlängst ein weiteres Bündel an Problemen aufgezeigt, das sich ganz sicher noch erweitern ließe (Beschlusss vom 23.02.2021 - 2 LB 93/18). Denn das generelle Problem wird sein, dass es nicht um ein neues zeitgemäßes Familienmodell geht, sondern darum, weiterhin bislang verfassungswidrig gesparte Personalkosten einzubehalten.

Da ich davon ausgehe, dass der eine oder andere Entscheidungsträger hier mittlerweile mitliest, halte ich meine Gedanken bewusst eher allgemein. Natürlich sind bei der Betrachtung die Besonderheiten des Beamten- oder Besoldungsrechtes zu beachten - das BVerfG hat allerdings aus meiner Sicht ganz grundsätzlich dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, von dem bisherigen Modell der 4K Familie zukünftig abweichen zu dürfen.

Auch ich habe bisher noch von keinem Gesetzgebungsverfahren zur Besoldung Kenntnis erlangt, bei dem die Abkehr von dem 4K Modell bisher ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. 

Wenn man die notwendigen Änderungen zum Anlass nehmen würde, generell über ein zeitgemäßeres Familienmodell auch in der Beamtenbesoldung nachzudenken, wäre das bei einer guten Begründung aus meiner Sicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es dürfte nur nicht offenkundig der alleinige oder überwiegende Grund sein, Personalkosten zu sparen. Die Argumentation, dass verfassungswidrig gesparte Personalkosten generell einbehalten werden, kann aus meiner Sicht dann nicht greifen, wenn es auch Beamtenfamilien gibt, die durch die Reform begünstigt werden und andere, kinderlose zumindest nicht weniger erhalten.

Der Werkzeugkasten, den der Gesetzgeber hat, um eine verfassungsgemäße Alimentation zu erreichen, beschränkt sich jedenfalls nach meiner Rechtsauffassung nicht ausschließlich auf die Möglichkeit, die Grundbesoldung zu erhöhen. Sollte er andere Instrumente in Erwägung ziehen, ist es lediglich eine Frage der Begründung, ob diese Instrumente geeignet sind, eine verfassungsgemäße Besoldung zu erreichen.

Ich halte die Abkehr von 4K zugegebenermaßen derzeit nicht für wahrscheinlich, allerdings für grundsätzlich möglich.

Achtung: Neuer Gedanke: Derzeit plant die Ampel Regierung eine grundlegende Reform der Einkommenssteuer von dem bisherigen Ehegattensplitting auf ein Familiensplitting. Durch diese Reform könnten Familien mit Kindern (auch Beamtenfamilien) steuerliche Vorteile haben, wodurch das Delta zu einer verfassungsgemäßen (Netto-)Alimentation zukünftig deutlich kleiner würde. Für den Fall einer zügigen Umsetzung bedürfte es aus meiner Sicht zu einer verfassungsgemäßen Ausgestaltung zumindest für die Zukunft eine deutlich geringere Erhöhung der Bruttobezüge als die bisher genannten 15 - 20 %. Das dürfte den Landesgesetzgebern in die Karten spielen.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2779 am: 14.12.2021 11:20 »
Man kommt immer mehr zum Schluss, dass die durch die Föderalismusreform ausgelöste Auflösung der einheitlichen Besoldung für alle Beamten keine gute Idee war...

Der Zweck der Föderalismusreform war die Absenkung der Beamtenbesoldung, das dürfte klar sein.
Ich frage mich, was wäre, wenn wir nicht das Bundesverfassungsgericht als letzte Instanz hätten? Wie weit würden die Politiker aller Couleur gehen?

Organisator

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2780 am: 14.12.2021 11:34 »
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

Aber dafür auch eine höhere Lebensqualität. Warum soll die Allgemeinheit für die individuelle Entscheidung aufkommen?

Weil der Beamte weder in der Wahl seines Dienstortes, noch in der Wahl seines Wohnortes frei entscheiden kann.

Das ist so nicht zutreffend. Niemand wird an einen Dienst- oder Wohnort gezwungen. Wohn- und Diensträume wurden allenfalls in der DDR zugewiesen.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2781 am: 14.12.2021 11:56 »
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

Aber dafür auch eine höhere Lebensqualität. Warum soll die Allgemeinheit für die individuelle Entscheidung aufkommen?


Weil der Beamte weder in der Wahl seines Dienstortes, noch in der Wahl seines Wohnortes frei entscheiden kann.

Das ist so nicht zutreffend. Niemand wird an einen Dienst- oder Wohnort gezwungen. Wohn- und Diensträume wurden allenfalls in der DDR zugewiesen.

Randnummer 60 des hier zitierten Urteils begründet die Übernahme der Kosten der Unterkunft wie folgt:

Anders als die Regierung des Saarlandes in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass Beamte der untersten Besoldungsgruppe ihren Wohnsitz „amtsangemessen“ in dem Ort wählen, der landesweit die niedrigsten Wohnkosten aufweist. Diese Überlegung entfernt sich unzulässig vom Grundsicherungsrecht, das die freie Wohnortwahl gewährleistet, insbesondere auch den Umzug in den Vergleichsraum mit den höchsten Wohnkosten. Unabhängig davon dürfen Beamte weder ihre Dienststelle noch ihren Wohnort beliebig wählen. Der Bestimmung der Dienststelle durch den Dienstherrn können nur schwerwiegende persönliche Gründe oder außergewöhnliche Härten entgegengehalten werden (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, § 28 Rn. 76 <November 2009> m.w.N.). Die Beamten sind zudem auch ohne ausdrückliche Anordnung einer Residenzpflicht verpflichtet, ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird (vgl. § 72 Abs. 1 BBG sowie § 69 LBesG BE).

P.S.: Ich kenne sehr wohl Kollegen, die gegen ihren Willen an einen anderen Dienstort abgeordnet wurden und von Ihnen erwartet wurde, dass sie Ihren Wohnsitz im Umkreis von 30 km um ihren neuen Dienstort nehmen.

WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2782 am: 14.12.2021 12:42 »
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

Aber dafür auch eine höhere Lebensqualität. Warum soll die Allgemeinheit für die individuelle Entscheidung aufkommen?
Weil auch der Hartz4er mehr in München bekommt als in Kleinmanchnow

WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2783 am: 14.12.2021 12:59 »
Das dürfte den Landesgesetzgebern in die Karten spielen.
Aber nicht für die fehlerhafte Bezahlung in der Vergangenheit.  ;D

Ich plädiere ja schon länger dafür, dass man eine neu Besoldungsstruktur aufbaut und werde deswegen als Dadaist gerügt.

Ein sauberes aufteilen der Detailkomponenten der Besoldung so dass annähernd sichergestellt ist, dass jeder Beamte das gleiche netto für sich hat ist aber offensichtlich nicht gewünscht, weil die Angst besteht, dass da die Kinderlosen (die ja derzeit netto monetär bessergestellt sind als die mit Kinder) weniger vom Kuchen abbekommen.

Eine GrundbesoldungNeu (ohne Familienabhängige Anteile) in höhe der jetzigen Grundbesoldung+x%  (x < 5%)
plus Ortsabhängige Zulage
plus eine FamZulage (inkl. OrtZulage) in der höher wie es für die Kinderreichen Familien vorgegeben ist.

Dürfte verfassungskonform sein, wenn man sauber begründet, warum man dieses Wechsel vornimmt.

Aber dieses simple dadaistische Denken auf Basis reiner Logik und Vernunft ist leider ja nicht gerne gesehen.

Opa

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2784 am: 14.12.2021 14:41 »
Sehe ich ähnlich. Der Beamte in München hat halt höhere Lebenshaltungskosten als in Görlitz.

Aber dafür auch eine höhere Lebensqualität. Warum soll die Allgemeinheit für die individuelle Entscheidung aufkommen?

Mit dem Argument könnte man sich auch die familienbezogenen Besoldungsbestandteile sparen.

Das BVerfG referenziert auf Leistungsberechtigte nach dem SGB II, die ebenfalls ihre Miete in ortsüblicher Höhe erstattet bekommen und nicht gezwungen werden können, von München nach Thüringen umzuziehen.
Die Lebensqualität kann nur insoweit eine Rolle spielen, als nicht die Aufwendungen für eine Luxusvilla zugrundegelegt werden, sondern der sich aus Mietspiegel, Ortsüblichkeit oder sog. „schlüssigem Konzept“ ergebende Wert im unteren bis max. mittleren Preissegment des zu betrachtenden Einzugsgebiets.



SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2785 am: 14.12.2021 16:44 »

Das Problem an solchen eher allgemeinen Erwägungen ist, dass sie in der Allgemeingehaltenheit möglich erscheinen, dass sie aber - wie Du auch selbst schreibst - am Ende als konkrete rechtliche Normen verfassungskonform in das Rechtssystem eingeführt werden müssen im Sinne der Begründetheit, von der das BVerfG spricht. Dabei sind insbesondere die Besonderheiten des Beamten- und Besoldungsrecht zu beachten, die von allgemeinen Erwägungen in der Regel nicht getroffen werden.

Was man festhalten kann, ist, bislang ist keine entsprechend präzise Begründung vorgelegt worden - und hat nicht zuletzt das OVG Schleswig-Holstein unlängst ein weiteres Bündel an Problemen aufgezeigt, das sich ganz sicher noch erweitern ließe (Beschlusss vom 23.02.2021 - 2 LB 93/18). Denn das generelle Problem wird sein, dass es nicht um ein neues zeitgemäßes Familienmodell geht, sondern darum, weiterhin bislang verfassungswidrig gesparte Personalkosten einzubehalten.

Da ich davon ausgehe, dass der eine oder andere Entscheidungsträger hier mittlerweile mitliest, halte ich meine Gedanken bewusst eher allgemein. Natürlich sind bei der Betrachtung die Besonderheiten des Beamten- oder Besoldungsrechtes zu beachten - das BVerfG hat allerdings aus meiner Sicht ganz grundsätzlich dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, von dem bisherigen Modell der 4K Familie zukünftig abweichen zu dürfen.

Auch ich habe bisher noch von keinem Gesetzgebungsverfahren zur Besoldung Kenntnis erlangt, bei dem die Abkehr von dem 4K Modell bisher ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. 

Wenn man die notwendigen Änderungen zum Anlass nehmen würde, generell über ein zeitgemäßeres Familienmodell auch in der Beamtenbesoldung nachzudenken, wäre das bei einer guten Begründung aus meiner Sicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es dürfte nur nicht offenkundig der alleinige oder überwiegende Grund sein, Personalkosten zu sparen. Die Argumentation, dass verfassungswidrig gesparte Personalkosten generell einbehalten werden, kann aus meiner Sicht dann nicht greifen, wenn es auch Beamtenfamilien gibt, die durch die Reform begünstigt werden und andere, kinderlose zumindest nicht weniger erhalten.

Der Werkzeugkasten, den der Gesetzgeber hat, um eine verfassungsgemäße Alimentation zu erreichen, beschränkt sich jedenfalls nach meiner Rechtsauffassung nicht ausschließlich auf die Möglichkeit, die Grundbesoldung zu erhöhen. Sollte er andere Instrumente in Erwägung ziehen, ist es lediglich eine Frage der Begründung, ob diese Instrumente geeignet sind, eine verfassungsgemäße Besoldung zu erreichen.

Ich halte die Abkehr von 4K zugegebenermaßen derzeit nicht für wahrscheinlich, allerdings für grundsätzlich möglich.

Achtung: Neuer Gedanke: Derzeit plant die Ampel Regierung eine grundlegende Reform der Einkommenssteuer von dem bisherigen Ehegattensplitting auf ein Familiensplitting. Durch diese Reform könnten Familien mit Kindern (auch Beamtenfamilien) steuerliche Vorteile haben, wodurch das Delta zu einer verfassungsgemäßen (Netto-)Alimentation zukünftig deutlich kleiner würde. Für den Fall einer zügigen Umsetzung bedürfte es aus meiner Sicht zu einer verfassungsgemäßen Ausgestaltung zumindest für die Zukunft eine deutlich geringere Erhöhung der Bruttobezüge als die bisher genannten 15 - 20 %. Das dürfte den Landesgesetzgebern in die Karten spielen.

Wie gesagt, grundsätzlich möglich ist vieles - nur ist die Grundsätzlichkeit durch die Besonderheiten des Beamtenrechts deutlich präziser zu beachten als in einem einfachen Arbeitsverhältnis. Zugleich fordert das Beamtenrecht unter besonderer Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eine Präzision, die eben von allgemeinen Erwägungen zumeist nicht einmal im Ansatz getroffen wird, wie gerade wieder das Land Schleswig-Holstein in seiner bestenfalls nur beschreibenden Darlegung zum von ihm anvisierten "Familienmodell" zeigt. Deshalb spricht das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die den Besoldungsgesetzgeber treffenden Prozeduralisierunspflichten von der zu beachtenden Begründetheit. Da der Dienstherr verpflichtet ist, den Beamten und seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren, sind der Sache der Begründetheit von vornherein hohe Hürden in den Weg gestellt. Das nur umso mehr, als dass die Grundsätze des Berufsbeamtentums den Dienstherrn darüber hinaus verpflichten, dem Beamten nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Auch hier sind folglich Besonderheiten zu beachten, die manche Begründetheit von vornherein unmöglich macht - zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und den vom Gesetzgeber im Sinne eines absolut wirkenden Besoldungsminimums zu beachtenden Forderungen der Mindestalimentation besteht rechtlich ein gewaltiger Unterschied -; auch das scheint hier nicht jedem der hier Mitdiskutierenden immer so gänzlich klar zu sein (diese Aussage bezieht sich nicht auf Dich, Rentenonkel).

Dabei hat das OVG Schlewsig-Holstein in der vorhin genannten Entscheidung bereits in knapper Betrachtung maßgeblich zu Beachtendes hervorgehoben, das nicht so ohne Weiteres beiseitegewischt werden kann, da es sowohl die gesellschaftliche als auch die normative Realität betrachtet:

"Entgegen den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist dieses [vierköpfige Alleinverdiener-]Familienmodell auch noch - zumindest für das hier streitgegenständliche Jahr 2007 - als zeitgemäß anzusehen. Zwar trifft es zu, dass mittlerweile in vielen Familien beide Elternteile (Eheleute) arbeiten gehen und so gemeinsam für den Familienunterhalt sorgen, aber dies ist immer noch nicht als der ausnahmslose Regelfall anzusehen und schon gar nicht für das zu beurteilende Jahr 2007. Der Gesetzgeber hat im Bürgerlichen Gesetzbuch keineswegs das Modell einer Familie mit zwei Verdienern als den Regelfall manifestiert. § 1360 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung regelt, dass die Ehegatten einander verpflichtet sind, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (Satz 1) und dass, wenn einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen ist, dieser seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts erfüllt (Satz 2). Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, dass die Eheleute keineswegs gehalten sind, beide einer Beschäftigung nachzugehen, um ihrer Verpflichtung nachzukommen. Das Bürgerliche Gesetzbuch typisiert vielmehr die Familie mit einer Alleinverdienerin oder einem Alleinverdiener als ein (Regel-)Modell, welches nach wie vor in der Gesellschaft vertreten wird und daher einer entsprechenden Regelung bedarf. [...] Im Übrigen stellt sich die Frage, welches Vergleichsmodell anstatt der vierköpfigen Familie, bei der ein Mitglied Alleinverdiener oder Alleinverdienerin ist, herangezogen werden soll. Würde man auf eine Familie abstellen, in der beide Elternteile arbeiten gehen, würde die Schwierigkeit bestehen, dass der Besoldungsgesetzgeber ermitteln müsste, welche weiteren Einkünfte aus einer Beschäftigung der Familie durchschnittlich zur Verfügung stünden. Aber eine so durchgeführte durchschnittliche Betrachtung birgt die Gefahr in sich, dass Familien, die weniger als das durchschnittliche Einkommen zur Verfügung haben, unangemessen alimentiert werden könnten. Eine jeweils durchzuführende Einzelfallbetrachtung ist dem Besoldungsgesetzgeber im abstrakten Gesetzgebungsverfahren nicht möglich. Dies spricht dafür, an dem Vergleichsmodell einer vierköpfigen Familie, bei der ein Mitglied Alleinverdiener oder Alleinverdienerin ist, festzuhalten." (ebd., Rn. 107 f.)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2786 am: 14.12.2021 19:03 »
Was wäre eigentlich die Folge, sofern sich ein entsprechendes Familienmodell - also das "Zwei-Verdiener-Modell" - als im Hinblick auf die davon betroffenen Beamten als "zeitgemäß" erwiese? Nehmen wir uns ohne Anspruch auf Vollständigkeit mal ein paar zu betrachtende Stränge der Thematik vor:

I. Zunächst einmal würde es den Ehepartner von verheirateten Beamten mit (zwei) Kindern deutlich erschweren, zum Familieneinkommen beizutragen, da deren entsprechender Beitrag (a) mindestens ab bzw. (b) bis zu einer bestimmten Höhe negativ auf die Alimentation des betroffenen Beamten anzurechnen wäre. Dass das gleichheitsgerecht möglich sein sollte, halte ich für eher kaum bis gar nicht begründbar, da nun (c) Ehepartner von Beamten anders behandelt werden würden (die Beamtenehepaare würden (d) weitgehend der sozialen Sicherung unterworfenen Ehepaaaren gleichgestellt werden) als Ehepartner von Arbeitnehmern; der besondere ökonomische Schutz, dem die Beamtenfamilie, ausgehend aus dem besonderen Gewaltverhältnis, unterliegt, würde (e) so allerdings ins Gegenteil verkehrt. Ich kann mir micht vorstellen, dass es hierfür eine verfassungerechtlich Bestand haben sollende - also sachgerechte - Begründung geben könnte.

II. Denn inwiefern sollte (a) dann und (b) darüber hinaus eine entsprechende Betrachtung nur auf die Einkünfte aus abhängiger Arbeit des Ehepartners angewendet werden. Was wäre (c) demtentsprechend mit weiteren Kapitaleinkünften der Familie als Zugewinngemeinschaft wie Mieteinnahmen oder Aktiengewinne; sollten jene (d) ebenfalls als Teil des Familieneinkommens zur Betrachtung herangezogen werden, zumindest (e) zu 50 %, da wir auch diesbezüglich von einer Zugewinngemeinschaft ausgehen müssen? Wie wäre (f) der Vergleichstatus, wenn der Ehepartner nicht ein abhängig Beschäftigter wäre, sondern wenn es sich bei dem Ehepaar um zwei Beamte handelt? Würde in diesem Fall (g) die amtsangemessene Alimentation nur für einen der beiden garantiert sein - oder würden beiden (h) amtsangemessen alimentiert werden, was bedeutete, dass (i) Ehen zweier Beamter anders betrachtet werden müssten als Ehen zwischen einem Beamten und einem Nicht-Beamten.

III. Auch stellte sich die Frage, da weiterhin Männer (a) sowohl über eine höhere Erwerbsquote verfügen als auch (b) deutlich seltener als Frauen in Teilzeit beschäftigt sind, ob eine entsprechende Regelung nicht genau das Gegenteil dessen befördern würde, was (c) eigentlich gesellschaftlich nicht nur gefördert werden soll, sondern (d) im Hinblick auf den in den nächsten Jahrzehnten noch weiter zunehmenden Fachkräftemangel sicherlich gesellschaftlich auch dringend nötig sein dürfte, dass nämlich (e) Frauen deutlich stärker als in der Vergangenheit der Erwerbsarbeit nachgehen. Wenn allerdings die Erwerbsarbeit für Ehepartner von Beamten nicht voll auf das Familieneinkommen durchschlägt, dann sollte das jenen erwünschten Zielen (f) kaum zuträglich sein - unabhängig von der jeweils zu beachtenden Rechtslage, die darüber hinaus noch einmal die Besonderheiten des Beamtenrechts besonders zu beachten hat.

Betrachtet man also ein entsprechend "zeitgemäßes" Familienmodell als "Zwei-Verdiener-Modell" unter einem solchen Fokus, dann bleibt m.E. nicht unendlich viel "Zeitgemäßheit", sondern vielmehr nur das Durchscheinen des wiederkehrend nicht zu übersehenden Zwecks, nämlich Personalkosten einsparen zu wollen - und ich gehe davon aus, dass es noch ein paar weitere Haken für die "Begründetheit" geben dürfte, da wir uns in die eigentlichen Tiefen des Beamtenrechts noch gar nicht vorgewagt haben. Wer also ein entsprechend "zeitgemäßes" Familienmodell entwickeln wollte, sollte sich vielleicht erst einmal mit Nietzsches vier Unzeitgemäßen Betrachtungen beschäftigen, da wäre er dann eventuell näher am Thema dran. Nicht umsonst ist der aktuelle Schleswig-Holsteinische Gesetzentwurf eine weiteres Mal über eine weitgehend nur beschreibende Darlegung nicht hinausgekommen und kann also nicht einmal in Ansätzen als sachgerecht begriffen werden.

Fahnder

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2787 am: 14.12.2021 19:35 »
Lieber Swen, vielen Dank für den Beitrag. Für mich ist die Sache seit einigen Wochen relativ klar: Die Dienstherren versuchen erst gar nicht eine verfassungsgemäße nicht nur auf die Minimierung von Kosten gerichtete Lösung zu finden. Ihr einziges Ziel ist es, durch ein "Reparaturgesetz" über alle Jahre gesehen zehntausend bis hunderttausende offene Widersprüche möglichst billig zu bescheiden und sich anschließend nur noch mit wenigen hundert bis wenig tausend Klägern herumzuschlagen. Es ist insoweit in mehrfacher Hinsicht tatsächlich die billigste Lösung. Und alle Gewerkschaften (bis auf Thüringen) schauen diesem Trauerspiel zu nur um in einigen Jahren wahrheitswidrig zu sagen: "Das konnten wir nicht wissen!"

Ich persönlich habe mich innerlich schon auf die Klage eingerichtet und nach den Erfahrungen der letzten Wochen sollten dies alle tun, die noch klar bei Verstand sind. Nur so können wir gemeinsam dafür sorgen, dass ggf. irgendwann in der Zukunft die Dienstherren zur Vernunft kommen und die Besoldung nach fast 20 Jahren wieder amtsangemessen zu gestalten.

Insoweit Danke für deinen Einsatz, ich habe mir sehr viele Beiträge und Argumentationen "abgekupfert", um für meine Klagen gerüstet zu sein. Ich hoffe du ist damit einverstanden.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2788 am: 14.12.2021 20:15 »
Lieber Swen, vielen Dank für den Beitrag. Für mich ist die Sache seit einigen Wochen relativ klar: Die Dienstherren versuchen erst gar nicht eine verfassungsgemäße nicht nur auf die Minimierung von Kosten gerichtete Lösung zu finden. Ihr einziges Ziel ist es, durch ein "Reparaturgesetz" über alle Jahre gesehen zehntausend bis hunderttausende offene Widersprüche möglichst billig zu bescheiden und sich anschließend nur noch mit wenigen hundert bis wenig tausend Klägern herumzuschlagen. Es ist insoweit in mehrfacher Hinsicht tatsächlich die billigste Lösung. Und alle Gewerkschaften (bis auf Thüringen) schauen diesem Trauerspiel zu nur um in einigen Jahren wahrheitswidrig zu sagen: "Das konnten wir nicht wissen!"

Ich persönlich habe mich innerlich schon auf die Klage eingerichtet und nach den Erfahrungen der letzten Wochen sollten dies alle tun, die noch klar bei Verstand sind. Nur so können wir gemeinsam dafür sorgen, dass ggf. irgendwann in der Zukunft die Dienstherren zur Vernunft kommen und die Besoldung nach fast 20 Jahren wieder amtsangemessen zu gestalten.

Insoweit Danke für deinen Einsatz, ich habe mir sehr viele Beiträge und Argumentationen "abgekupfert", um für meine Klagen gerüstet zu sein. Ich hoffe du ist damit einverstanden.

Damit bin ich nicht nur einverstanden, sondern darüber freue ich mich! Zugleich ist es eventuell tatsächlich so, dass weitere Klagewellen in den 16 Ländern und im Bund eventuell dazu führen könnten, dass noch mehr Bewegung in die Thematik kommt. Denn es ist so, wie Du schreibst: Wenn die sowieso schon bis zum Anschlag überlasteten Verwaltungsgerichte nun auch noch einer entpsrechende Klagewelle ausgesetzt werden würden, sollte das auf verschiedenen Ebenen Wirkung haben. Zugleich hat der tbb recht deutlich durchscheinen lassen, dass er nicht nur Musterklagen führen will, sondern auch Klagevorlagen öffentlich machen will. Nun sind Klagen zwar immer individuell zu betrachten - aber eine Folge könnte tatsächlich sein, dass sich die Situation im Gefolge schneller änderte, als dass heute absehbar ist. Das ist zwar jetzt weitgehend spekulativ - aber es ist zu vermuten, dass wir nach den zu erwartenden 16 verfassungswidrigen Besoldungsanpassungsgesetzen eine andere (politische) Lage haben werden. Irgendwann werden die Medien auf das Thema anspringen: Und wie will man eine solche anstehende Willkür noch rechtfertigen wollen? Es ist zu vermuten, dass sich weiterhin nicht ein Land konkret aus der Deckung wagt, sodass es anders als 2019 nicht abzusehen ist, wie es eigentlich konkret weitergehen sol: https://oeffentlicher-dienst.info/beamte/land/tr/2021/

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2789 am: 14.12.2021 21:25 »
Gerade das derzeitige in Schleswig-Holstein ist schon eine Farce. Ich konnte bisher noch keinerlei schriftliches dazu finden, wie denn nachgewiesen werden soll, dass der Lebenspartner kein Erwerbseinkommen hat um den Zuschlag als Beamter zu erhalten. Nicht alle bekommen eine Einkommensteuerbescheinigung, weil viele gar nicht verpflichtet sind eine Erklärung abzugeben. Kontoauszüge macht keinen Sinn, da kein Gemeinschaftskonto vorhanden sein muss. Ich kenne mich nicht aus aber können die da so etwas in der Art wie eine Eidesstattliche Erklärung fordern? Diese können sie aber m.E. nicht von der Ehefrau fordern, die hat damit rechtlich doch Garnichts zu tun ?!? Vielleicht werden dann sogar Privatdetektive von der Besoldungsstelle angeheuert....