Was hier noch sehr wenig diskutiert wird (vermutlich wegen fehlender aktueller eigener Betroffenheit - es kommt aber auf alle zu) ist die spätere Versorgung im Ruhestand. Grundsätzlich ist der Gedanke ja richtig, dass man sie bislang nicht separat betrachten musste, da sie auf der Besoldung basiert.
Das ändert sich jezt aber dahingehend, dass einige Faktoren in vorliegenden Gesetzentwürfen deutlich verschlechtert werden sollen, bspw:
- Die Kriterien einer vierköpfigen Familie treffen auf die allermeisten Ruheständler nicht zu und sind damit plötzlich nicht mehr typisch, sondern im Gegenteil sogar ausgesprochen atypisch. Wenn eine zu niedrige Besoldung fast nur über Familienzuschläge ausgeglichen werden sollte, würde man völlig die Frage ignorieren, ob das Versorgungsniveau in den letzten Jahrzehnten in verfassungswidriger Weise abgenommen haben sollte. Dazu bräuchte es dann andere Kriterien. (Mal ganz abgesehen davon, dass auch kinderlose aktive Beamte ja ein Recht auf amtsangemessene Besoldung haben sollten)
- Die niedrigst Besoldeten werden von A4 auf A6 angehoben, die Mindestversorgung für alle Besoldungsgruppen wird dann aber nur noch 60% statt bislang 65% der untersten Besoldungsgruppe betragen - so dass ausgerechnet die Mindestversorgung quasi unverändert bleibt
Du sprichst wichtige Probleme an. Das Problem an der Sache ist - deshalb kann es hier unter einer rechtlichen Perspektive nicht wirklich diskutiert werden -, dass es den an sich nötigen dritten Srtang in der Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgericht bislang nicht gibt. I. Das Bundesverfassungsgericht hat in gewachsener und also bis heute gefestigter oder ständiger Rechtsprechung das Alimentationsprinzip in allgemeiner Hinsicht konkretisiert und auf dieser Grundlage zuletzt in der Entscheidung 2 BvL 4/18 Direktiven zur Bemessung der Mindest- und Nettoalimentation entwickelt, wodurch, ausgehend von der hier ständigen Rechtsprechung, die Problematik der Bemessung einer amtsangemessenen Alimentation anhand der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie in einem weitgehend Maße (auf jeden Fall in einem deutlich weitergehenden Maße als zuvor) präzisiert worden ist. II. Es ist darüber hinaus in der Entscheidung 2 BvL 6/17 auf Grundlage der hier ständiger Rechtsprechung die Problematik der amtsangemessenen Alimentation kinderreicher Familien weiterhin mittels Familienzuschlägen begegnet und hat auch hier die Kriterien zur Bemessung der Mindest- und Nettoalimentation deutlich präzisiert.
In beiden Fällen ist nun durch die aktuelle Rechtsprechung das Maß einer amtsangemessenen Alimentation auf Grundlage des Alimentationsprinzips als einem besonders wesentlichen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums deutlich klarer geworden, indem der weite Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, direktiv präzisiert und so stärker regelhaft begrenzt worden ist als zuvor.
III. Den offensichtlich nötige dritte Strang, den Du zurecht ansprichst, nämlich die Klärung der Frage einer amtsangemessenen Alimentation von Versorgungsempfängern gibt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der mittlerweile so weitgehenden Form wie für die ersten beiden Stränge (noch) nicht, was mehrere Gründe haben dürfte. Zunächst einmal hat es nach der Förderalimsusreform I wie auch im Hinblick auf das Besoldungsrecht insgesamt ebenfalls eine umfassende Gesetzgebung im Hinblick auf das Beamtenversorgungsrecht in Bund und Ländern gegeben, in der die Länder nach und nach die sich aus der Reform ergebende Ermächtigung genutzt haben, ihr je eigenes Landesrecht weiter auszuformen (solange sie das nicht tun oder getan haben, gilt - vereinfacht ausgedrückt - der vormalige Zustand im Sinne von Art. 125a Abs. 1 GG auch hier fort). Einen guten Überblick hierzu, also zu den jeweiligen Entwicklungen seit 2006, gibt Timo Hebeler/Adina Sitzer, Entwicklungen im Beamtenversorgungsrecht in Bund und Ländern, ZBR 2016, S. 115 ff.
Die beiden Autoren heben hier - ausgehend von dem Dienstrechtsneuordnungsgesetzes des Bundes aus dem Jahr 2009 - hervor, dass es seitdem "zu rentengleichen Versorgungsregelungen bei schrittweiser Anhebung des Pensionseintrittsalters auf das 67. Lebensjahr, der Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft, der Begrenzung der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten, die Einführung eines Anspruchs auf Versorgungsauskunft, den abschlagsfreien Pensionseintritt nach 45 Jahren und die Anhebung des Versorgungsabschlags bei vorzeitiger Pensionierung auf Antrag" gekommen sei (ebd., S. 116). Insbesondere durch den dritten gerade genannten Punkt ist mittels Begrenzung der (regelmäßigen) ruhegehaltsfähigen Dienstzeit ein Mittel eingeführt worden, das - da der Versorungsanspruch in der Regel an die Dauer der Dienstzeit gekoppelt ist - in nicht wenigen Fällen (je nach der von den verschiedenen Gesetzgebern eingeführten gesetzlichen Regelungen) den Versorgungsanspruch herabgesetzt hat. Darüber hinaus sind bereits zuvor weitere versorgungsmindernde Regelungen eingeführt worden, die also nach 2006 i.d.R. so fortgeführt worden sind, wie insbesondere die Kürzung der Besoldung um 0,2 % zum 01.01.1999 zur Bildung einer Versorgungsrücklage (diese Regelung ist nach 2006 von den Ländern vielfach unterschiedlich fortgeführt bzw. auch beendet worden) und insbesondere die Kürzung des Ruhegehalts von 75 %. auf höchstens 71,75 %. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch das Versorgungsänderungsgesetz aus dem Dezember 2001.
Das Bundesverfassungsgericht hat insofern bereits 2015 angemerkt: "Diese Einschnitte sind in der Vergangenheit isoliert betrachtet als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft worden [...]. Ungeachtet dessen führen insbesondere die Absenkung des Pensionsniveaus und die daraus resultierende Notwendigkeit eines erhöhten Eigenanteils an der Altersvorsorge - gerade angesichts einer steigenden Lebenserwartung - zu einer weiteren Aufzehrung der Bezüge mit der Folge, dass die Gewährleistung eines der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalts des Beamten nicht mehr zweifelsfrei sichergestellt ist." (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -, Rn. 134)
Das Problem ist nun allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht nur dann direktiv handeln kann, sofern es über entsprechende Vorlagebeschlüsse entscheiden muss. Inwieweit solche bereits vorliegen, ist mir nicht bekannt. In der Literatur ist in den letzten Jahren die Frage nach der amtsangemessenen Versorgung wiederholt gestellt worden, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass durch die Regelungen zur Mindestalimentation ein absoluter Alimentationsanspruch gegeben ist, der mindestens 15 % oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegen muss, dass aber andererseits der Versorgungsanspruch auf maximal 71,75 % gedeckelt (worden) ist, sodass sich die Frage stellt, inwiefern der Versorgungsanspruch in allen Fällen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums beachtet, der sich aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG ableitet. Denn legt man - als eines von vielen Beispielen und zugleich vereinfachend, da hier ein Bruttobetrag und nicht die Nettoalimentation als Ganzes zu Grunde gelegt wird - zur Orientierung die aktuelle Grundgehaltstabelle des Landes Baden-Württemberg zu Grunde, dann stellt man fest, dass der Grundgehaltssatz in der Besoldungsgruppe A 5/10 als Endstufe mit 2.964,84 € nur rund 23,5 % oberhalb des Grundgehaltssatzes in der Besoldungsgruppe A5/1 mit 2.401,51 € liegt. In Bayern liegt der entsprechende Wert zwischen Eingangs- und Endstufe in der untersten Besoldungsgruppe A 3 bei nur rund 15 %, in Niedersachsen in der untersten Besoldungsgruppe A 5 bei 18,4 % usw. Diese Werte scheinen also dafür zu sprechen, dass bei einer Versorgungshöchstgrenze von 71,75 % der Versorgungsempfänger mit Eintritt in die Pension über eine geringere Nettoalimentation verfügen dürfte als zu Beginn seiner dienstlichen Tätigkeit.
Dies dürfte in einem gewissen Rahmen rechtlich statthaft sein - jedoch gilt auch für Versorgungsempfänger mindestens das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass auch Versorgungsempfänger im Sinne der Fürsorgepflicht und des Treueprinzips über einen jedoch bislang nicht vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Anspruch verfügen sollte, der (deutlich) oberhalb des Existenzminimums liegen sollte, da sie ja einen lebenslangen Anspruch auf eine amtsangemessene Alimentation und Versorgung haben. Betrachtet man nun die Situation in den Ländern, so stellt man allerdings fest, dass die Gewährleistung dieses Anspruchs vielfach nicht einmal für aktive Beamte in den unteren Besoldungsgruppen gegeben ist, sodass sich dieser Zustand für sie mit ihrer Pensionierung nicht nur fortsetzen, sondern im Hinblick auf die Höchstgrenze von 71,75 noch einmal deutlich verschärfen dürfte.
So in etwas dürfte ein Überblick ausfallen, der versucht, die Sachlage in groben Zügen zu zeichnen.
@ DrStrange
Nein, da der Beamte davon ausgehen muss, dass ein verabschiedetes Gesetz verfassungskonform ist und da die Alimentation so gestaltet ist, dass sie den aktuellen Bedarf befriedigen kann, ist es dem Beamten nicht zuzumuten, dass er ggf. Rücklagen zur Rückzahlung von zu viel gewährter Besoldung bilden müsste. Ein Rückzahlungsanspruch kann in diesem Fall wegen des Vertrauens, das der Beamte seinem Dienstherrn gegenüber haben muss, nicht erfolgen.