Aktuelles aus dem bayerischen Landtag:
https://www.bayern.landtag.de/webangebot2/webangebot/vorgangsanzeige?execution=e2s1
Am 13.10. hatte die SPD einen Antrag eingereicht, mit der Aufforderung tätig zu werden.
Am 09.11. wurde der Antrag zurückgezogen.
Kann mir jemand die Gründe dafür erläutern?
Für mich als Laie könnte das 2 Gründe haben:
1. Der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes hat seine Berechnungen abgeschlossen und in einer nicht öffentlichen Sitzung die Antragssteller informiert.
oder
2. Die Antragssteller "interessieren" sich warum auch immer nicht mehr für den Sachverhalt.
Ich weiß leider nichts Näheres und der Link geht ins Leere.
Dass aber die (bedeutungslose) bayerische Opposition sich nicht mehr für einen Sachverhalt interessiert, den die Regierung offenbar verschleppt, halte ich für ungewöhnlich.
Es ist tatsächlich grundsätzlich ungewöhnlich, dass sich eine Opposition nicht gegen ein Gesetzesvorhaben oder eine Gesetzvorlage der Landesregierung positioniert, wenn diese offenichtlich problematisch sind, sodass man die Probleamtiken politisch ausnutzen kann.
Allerdings ist das ansonsten grundsätzlich ungewöhnliche Vorgehen im Hinblick auf die Besoldungsgesetzgebung seit geraumer Zeit nicht selten nicht mehr ungewöhnlich. Schon die letzten Besoldungsanpassungsgesetze im Gefolge der letzten Tarifeinigungen im Öffentlichen Dienst der Länder sind nicht selten unter Zustimmung der Opposition oder von Teilen von dieser erfolgt. Nach der aktuellen Entscheidung ist die Besoldungsgesetzgebung in Berlin im Frühjahr des Jahres einstimmig erfolgt. Auch im Bund sah es lange Zeit nach Einstimmigkeit aus, am Ende hat sich Die Linke als einzige Partei enthalten. In Thüringen hat es ebenfalls lange gedauert, bis die Oppositionsparteien, die zunächst gleichfalls dem Entwurf zustimmen wollen, zur Enthaltung bewegt werden konnten. Auch in Hessen hat beispielsweise die FDP zurecht auf den verfassungswidrigen Gehalt des Gesetzentwurfs hingewiesen, um danach die Zustimmung anzukündigen (das dortige Abstimmungsverhalten der einzelnen Parteien habeich noch nicht geprüft, vielleicht kann es hier von hessischen Kollegen nachgereicht werden).
Da davon auszugehen ist, dass (nicht erst ) heute alle Parteien wissen, dass die Alimentation auch in ihrem Bundesland (sowie im Bund) nicht amtsangemessen ist, verkommen die entsprechenden Beratungen zunehmend im besten Fall zu Spiegelfechtereien. Am Ende findet sich dann eine breite Zustimmung (oder keine breite Ablehnung vonseiten der Opposition), wobei zu vermuten ist, dass eine zentrale Motivation ist, dass man im Hinblick auf die nächste Landtagswahl hofft, selbst Teil der Regierung zu werden, sodass man zumeist ebenfalls wenig Interesse an einer verfassungskonformen Alimentation hat. Diese schon recht lange bestehende Interessensübereinstimmung dürfte einer der zentralen Gründe dafür sein, dass der verfasungswidrige Zustand seit nunmehr deutlich länger als ein Jahrzehnt ungebrochen fortgesetzt wurde.
@ DeGr
Ich habe vorhin Deinen Beitrag übersehen. Noch interessanter als die Presseerklärung ist die kaum längere Entscheidungsbegründung, die hier nachgelesen werden kann:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/06/ls20160607_2bvl000312.htmlDas Bundesverfassungsgericht theamtisiert hier unter anderem die Problematik, dass eine dem Besoldungsgesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht aufgegebene Korrektur (ebd., Rn. 2 f.), die per Gesetz erfolgt, solange nicht der Vollstreckung unterworfen werden kann, wie zunächst einmal die Korrektur selbst auf ihren verfassungskonformen Gehalt hin zu überprüfen wäre, da diese Korrektur eine neue Rechtslage schaffen würde (ebd., Rn.
. Es verweist deshalb die Kläger darauf, dass zunächst der Weg über die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gehen ist (ebd., Rn. 9), um nicht vonseiten des Bundesverfassungsgerichts die funktionell-rechtlichen Grenzen zur Fachgerichtsbarkeit zu missachten (ebd., Rn. 10). Zunächst einmal müsste also die Verwaltungsgerichtsbarkeit das neue Gesetz prüfen und gegebenenfalls, sofern es zu dem Schluss gelangte, dieses die vormalige Gesetzeslage korrigierende Gesetze würde gegen die Verfassung verstoßen, einen Voralgebeschluss erstellen, über den dann vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden wäre (ebd.). In diesem Sinne ist die dort abschließende Passage zu verstehen: "Die Anträge nach § 35 BVerfGG zuzulassen, hieße daher, das Verhältnis von fachgerichtlichem und verfassungsgerichtlichem Rechtsschutz zu verkehren" (ebd.), weshalb das Bundesverfassungsgericht die Anträge auf Erlass von Vollstreckungsanordnungen nicht zur Entscheidung zugelassen hat. Es hebt dabei schlussfolgernd als regelmäßig zu beachtenden Grundsatz hervor: "Sofern der Gesetzgeber ein (Änderungs-)Gesetz erlässt, welches seinerseits Gegenstand eigenständiger Prüfung in einem konkreten Normenkontroll- oder Verfassungsbeschwerdeverfahren sein kann, ist der Weg über § 35 BVerfGG versperrt." (ebd., Rn. 11).
Im Anschluss stellt es dann allerdings ebenfalls die von Dir hervorgehobene Ausnahme von der zuvor konkretisierten Regel heraus: "Etwas anderes dürfte allenfalls dann gelten, wenn der von der ausgesprochenen Gesetzgebungspflicht betroffene Gesetzgeber gar nicht tätig geworden ist oder nur in einer Weise, die so offensichtlich hinter den sich aus der Sachentscheidung ergebenden Anforderungen zurückbleibt, dass dies materiell einer Untätigkeit gleichkommt." (ebd.) Ein solches Vorgehen sah es 2016 im Hinblick auf das beklagte Land Sachsen-Anhalt als nicht gegeben an, denn der Besoldungsgesetzgeber habe "mit seinem Änderungsgesetz in Auseinandersetzung mit dem Urteil vom 5. Mai 2015 das Ziel, eine amtsangemessene Besoldung anhand der dort genannten Anforderungen herzustellen [verfolgt], und hat dieses Ziel jedenfalls nicht in einer der Untätigkeit gleich zu achtenden Weise verfehlt" (ebd.).
Im Hinblick auf die Entscheidung 2 BvL 4/18 dürften womöglich ähnliche formale Gründe jetzt noch gegen einen Erlass von Vollstreckungsanordnungen sprechen, da jene Entscheidung die R-, nicht aber die A-Besoldung betraf. Denn zwar kann eventuell im Hinblick auf das Reparaturgesetz zur R-Besoldung, das Ende Juni vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet worden ist, mit einiger Berechtigung auf Untätigkeit plädiert werden (vgl.
https://www.berliner-besoldung.de/berliner-besoldung-bis-weit-in-den-gehobenen-dienst-hinein-unterhalb-der-grundsicherung/), und mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit sollte das aktuelle Besoldungsanpassungsgesetz mindestens in starker Richtung gen Untätigkeit tendieren (
https://www.berliner-besoldung.de/gutachten-bestaetigt-berlbvanpg-2021-vorsaetzlich-verfassungswidrig/). Für Letzteres liegt aber noch keine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung vor, da über die A-Besoldung erst im Verlauf des nächsten Jahres entschieden wird, sodass formal noch keine Untätigkeit betrachtet werden kann oder könnte.
Sofern das Abgeordnetenhaus allerdings nach der anstehenden bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zur A-Besoldung weiterhin gegen maßgebliche Direktiven verstoßen sollte (es wird nach der anstehenden Entscheidung in einem angemessenen Zeitraum ein entsprechendes Reparaturgesetz zur A-Besoldung verabschieden müssen), dürfte das ggf. als Untätigkeit im Sinne der gerade hervorgehobenen Ausnahme betrachtet werden, da dass eventuell "materiell einer Untätigkeit" gleichkommen könnte.
In diesem Sinne sind meine Anmerkungen in letzter Zeit zu verstehen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Besoldungsgesetzgeber nun mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal zur Einsparung von Personalkosten offensichtlich verfassungswidrige Anpassungsgesetze verabschieden werden, dass das aber mit den nächsten Anpassungsgesetzen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dann ab Ende 2023 zu verabschieden sein sollte, dann nicht mehr so "einfach" möglich sein sollte. Denn es ist zu vermuten, dass es bis dahin über die anstehende Berliner Entscheidung hinaus weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts geben wird - jedenfalls, sofern nun vonseiten der Besoldungsgesetzgeber keine hinreichenden Schlüsse aus der akuellen Entscheidung gezogen werden. Irgendwann wird dann von "materieller Untätigkeit" auszugehen sein (entsprechend zu der Entscheidung von 1998) und zugleich sollten bis zu jenem Zeitpunkt auch die Bemessungsverfahren für die Mindest- und Nettoalimentation vollständig operationalisiert vorliegen (denn dazu sind nicht mehr alzu viele direktive Schritte nötig), sodass auch von daher kein Grund mehr gegeben sein sollte, nicht nach § 35 BVerfGG (erster) Vollstreckunganordnungen für die Vergangenheit zu erlassen.
Und sofern dann tatsächlich für die Vergangenheit eine verfassungskonforme, also amtsangemessene Alimentation gegeben sein dürfte, sollte es schwierig bis unmöglich sein, dahinter auch zukünftig wieder zurückzufallen, da in allen Bundesländern davon auszugehen ist, dass die gewährte Nettoalimentation bis mindestens weit in den mittleren Dienst hinein hinter der Mindestalimentation zurückbleibt.