Das sog. "Vier-Säulen-Modell" zeigt ein weiteres Mal, wohin eine Reform der Besoldungsordnung führt, wenn nicht sachliche Gründe der handlungsleitende Antrieb sind, sondern es weiterhin vornehmlich um die Personalkosteneinsparung geht. Dazu hatte das Bundesverfassungsgericht dem Land erst vor gut drei Jahren in aller gebotenen Eindeutigkeit ins Stammbuch geschrieben: "Das im Gesetzgebungsverfahren für das Haushaltsbegleitgesetz 2013/14 angeführte Ziel der Haushaltskonsolidierung (vgl. LTDrucks 15/2561, S. 1) trägt die durch das Gesetz bewirkte, hier zur Prüfung gestellte Fassung des § 23 LBesGBW nicht. Ein schlüssiges und umfassendes Konzept der Haushaltskonsolidierung, welches nach der Rechtsprechung des Senats notwendige Voraussetzung für die Belastung der Beamten- und Richterschaft mit Sparmaßnahmen ist und das anhand einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien erkennbar werden muss, fehlt" (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, Rn. 27), nachdem zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2017 unter anderem bei Richtern mit Anspruch auf Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe R 1 das Grundgehalt und etwaige Amtszulagen für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs um acht Prozent abgesenkt worden waren (ebd., Rn. 2).
Und weiter:
"Darüber hinaus lässt sich die Auswahl der zur Einsparung ergriffenen Mittel nicht nachvollziehen. Das Haushaltsbegleitgesetz 2013/14 sieht neben der Einführung einer 'Schuldenbremse' in die Landeshaushaltsordnung (Art. 10 des Gesetzes) eine Reihe weiterer Sparmaßnahmen vor. Diese stehen aber auch unter Heranziehung der Gesetzgebungsmaterialien (siehe insbesondere den Gesetzentwurf der Landesregierung, LTDrucks 15/2561) lediglich unverbunden nebeneinander. Hinsichtlich der Auswahl der getroffenen Regelungen allgemein stellt der Gesetzentwurf lediglich pauschal fest, grundsätzlich wären auch andere Maßnahmen denkbar gewesen, die Landesregierung habe sich aber für die vorliegenden Maßnahmen entschieden (LTDrucks 15/2561, S. 3). In Bezug auf die für die Beamten und Richter bedeutsamen Regelungen der Besoldung, Versorgung und Beihilfe heißt es, die Landesregierung sei sich durchaus bewusst, dass die Beamten und Richter in der Vergangenheit bereits erhebliche Konsolidierungsbeiträge erbracht hätten. Im Hinblick auf die jetzt im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse könne bei einem Personalkostenanteil von rund 40 Prozent der Beamten- und Richterbereich bei Einsparmaßnahmen jedoch weiterhin nicht außen vor bleiben. Auf die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen sei geachtet worden (LTDrucks 15/2561, S. 31). Diese lediglich formelhaften Erwägungen sind zur Rechtfertigung des gesetzgeberischen Konzepts des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 unzureichend. [...] Zwar ist der Gesetzgeber wegen des ihm unverändert zustehenden weiten Gestaltungsspielraums nicht in Bezug auf jede Detailfrage rechtfertigungspflichtig. Mit dem vorliegenden Artikelgesetz, das sich letztlich als Ansammlung scheinbar zufälliger Einzelregelungen darstellt, hat er diesen Freiraum indes überdehnt." (ebd., Rn. 30 f.)
Das Bundesverfassungsgericht war am Ende zu folgendem Schluss gekommen:
"Die Landesregierung hat in ihrer hier eingereichten Stellungnahme selbst eingeräumt, dass die Gesetzesbegründungen den vom Senat konkretisierten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen. Entgegen ihrer Auffassung führt dies zur Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm. [...] Soweit sie vorträgt, die Rechtsprechung des Senats zur Prozeduralisierung sei bei Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 nicht bekannt gewesen, kann ihr schon tatsächlich nicht gefolgt werden. Der fragliche Gesetzentwurf der Landesregierung stammt vom 6. November 2012. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Senat die Prozeduralisierungsverpflichtung spätestens in seinem Urteil zur W-Besoldung vom 14. Februar 2012 (BVerfGE 130, 263 <301 f.>) bereits eindeutig formuliert." (ebd., Rn. 38)
Der also gerade erst vom Bundesverfassungsgericht kritisierte unverbundene Charakter der wahllos ergriffenen Mittel mit dem übergreifenden Ziel, Personalkosten zu senken (wie eingeräumt wird, führt die Regelung zu Mehrkosten in Höhe von nicht einmal 200 Mio. €, während die Anhebung der Grundgehaltssätze auf ein mit gewisser Wahrscheinlichkeit weitgehend verfassungskonformes Maß zu Mehrkosten von 2,9 Mrd. € geführt hätte), wird nun also ein weiteres Mal vorsätzlich wiederholt.
Man fragt sich, was vonseiten der Landesregierung erwartet wird, wie das Bundesverfassungsgericht auf das Vier-Säulen-Torso reagieren muss, nachdem es dem Land unlängst erst - anders als das vorlegende Verwaltungsgericht, über dessen Vorlage Karlsruhe deutlich hinausgegangen ist - ein Gesetz in mehr als deutlicher Sprache um die Ohren gehauen hat: "Das Verwaltungsgericht hat vorliegend nur einen Teil der Regelung für verfassungswidrig gehalten und zur Überprüfung gestellt. Das Bundesverfassungsgericht ist jedoch befugt, die Vorlagefrage zu präzisieren und klarzustellen; die Rechtsfrage kann begrenzt, erweitert, ausgedehnt oder umgedeutet werden (BVerfGE 121, 241 <253>; 145, 1 <7 Rn. 15>). Vorliegend betrifft die Verfassungswidrigkeit nicht nur die Besoldung von Richtern, die der Besoldungsgruppe R 1 zugeordnet sind, sondern alle von § 23 Abs. 1 LBesGBW erfassten Besoldungsgruppen. § 23 Abs. 2 bis 5 LBesGBW nehmen inhaltlich auf Abs. 1 der Vorschrift Bezug, sodass auch diese zur Klarstellung der Aufhebung unterliegen." (ebd., Rn. 13)
Bismarck soll dereinst auf die Frage, wie nun der Titel Wilhelms I. lauten sollte, geantwortet haben:" Nescio quid mihi magis farcimentum esset." ("Ich weiß nicht, was mir mehr Wurst wäre.") Die Baden-Württembergische Landesregierung scheint im Hinblick auf ihre Besoldungsgesetzgebung Bismarck zum Leitstern ihrer Politik auserkoren zu haben und dabei hinsichtlich der Frage, welche Bedeutung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für ihre Gesetzgebung hat, von gleicher staatstragender Wurstigkeit zu sein. Was man hört, schließt mit Winfried Kretschmann gerade einer der führenden deutschen Konservativen sein politische Autobiographie unter dem Titel ab: "Mir ging's immer um die Wurst, nie um den Hering. Wie ich progressive Politik im Geiste Bismarcks verantwortete und mir dabei immer treu blieb".