Um zum Anfang zurückzukehren, dem aktuellen Beschluss: Betrachtet man die für die weitere Alimentationspraxis zentrale Passage zum Mindestabstandsgebot, also zur lang erwarteten und nun vollzogenen, hinreichend genauen Bestimmung der Mindestalimentation (Rn. 46-71), die als solche einen mindestens 15%igen Abstand zum sozialgesetzlichen Grundsicherungsniveau aufweisen muss, so wird auch und gerade hier durchgehend - wie in einem Beschluss zur Alimentationspraxis allgemein auch nicht anders zu erwarten - von Beamten gesprochen, was in jener Passage natürlich besonders hervortreten muss, weil die Bestimmung der Mindestalimentation wie oben dargelegt nicht anhand der R-Besoldung erfolgen kann.
Im Umkehrschluss wird damit deutlich, dass sich die hier für Recht erklärte und auch hinreichend genau operationalisierte Methodik zur Bestimmung der Mindestalimentation auf alle derzeit geltende Besoldungsgesetze bezieht, also in dieser oder einer vergleichbaren, folglich hinreichend rechtssicheren Form ihnen zugrunde liegen muss. Da das Bundesverfassungsgericht nicht zuletzt in dieser Passage durchgehend ein realitätsgerechtes Vorgehen anmahnt (Rn. 52 f., 59, 63, 67, 70), macht es deutlich, dass es sich - ebenfalls, wie nicht anders zu erwarten - nicht nur auf vergangene Gesetze, sondern insbesondere auf die aktuell geltenden bezieht. Denn sind diese nicht im Sinne des Beschlusses "realitätsgerecht", sind sie als nicht mit der Verfassung vereinbar anzusehen.
Daraus folgt, dass die Besoldungsgesetzgeber die geltenden Besoldungsgesetze anhand der vom Beschluss dargestellten oder einer vergleichbaren Methodik, die aber nicht zu grundlegend anderen Ergebnissen gelangen darf als die vom Bundesverfassungsgericht nun operationalisiert dargelegte, auf ihren realitätsgerechten Charakter hin zu überprüfen haben.
Da das Bundesverfassungsgericht zugleich die Mindestalimentation monetär für so hoch bemessen hat, dass kein Besoldungsgesetz diese erfüllt, sind folglich alle - wie so dann auch automatisch sämtliche R-Besoldungen - verfassungswidrig. Daraus folgt nicht, dass sie nun automatisch geändert werden müssen - jedoch unterliegen sie der gerichtlichen Kontrolle, sodass sie sich spätestens allesamt mit der ersten folgenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung in Luft auflösen werden. Denn sofern der Bund oder ein Land nach der den aktuellen Beschluss reproduzierenden Entscheidung keine Neufassung seines verfassungswidrigen Besoldungsgesetzes vornehmen werden, reichte eine einfache Klage vor einem Verwaltungsgericht, um das Gesetz zu kippen. Denn in Anbetracht dessen, dass das Bundesverfassungsgericht den eigenständigen Charakter des Mindestabstandsgebot mitsamt der daraus herrührenden Folgen im fünften Leitsatz explizit hervorhebt, dürfte es ausgeschlossen sein, dass ein VG das Anrufen der nächsthöheren Instanz zuließe, wenn es auf Grundlage der operationalisierten Bestimmung zu dem Schluss einer nicht ausreichenden Mindestalimentation kommen sollte. Denn da die Methodik nun für alle anwendbar ist, wäre es unsinnig, noch eine weitere Instanz zuzulassen; die Mindestalimentation ist nun rechtssicher bestimmbar, ergo benötigte man keine zweite Instanz mehr. Der Klageweg, der in den letzten 15 Jahren grundsätzlich immer sehr lang war, ist nun sehr kurz und kann mit Blick auf die Mindestalimentation nie mehr lang sein - sodass es für die Besoldungsgesetzgeber spätestens mit der Prozeduralisierung der nächsten Besoldungsgesetze keinen Sinn mehr machte, auf Zeit zu spielen.
Es war so betrachtet zugleich eine schlaue Entscheidung der Länder, die sicherlich unter allen Umständen derzeit (solange kein expliziter Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung erfolgt ist) weiterhin auf Zeit spielen wollen, mit Blick auf die Übertragung des letztjährigen Tarifergebnisses auf die Besoldung einen so langen Zeitraum herausverhandelt zu haben - denn wenn nun doch sämtliche Besoldungsgesetze offensichtlich plump verfassungswidrig sind, wird das für die nächsten nicht mehr gelten können. Die Länder werden dann erneut versuchen, so ist aus langer Erfahrung zu vermuten, vielfältige Register der Tricks und Täuschungen zu ziehen; jedoch sind die Fesseln, die der aktuelle Beschluss ihnen anlegt, vom Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Mindestalimentation sehr fest gezogen. Der Beschluss zwingt alle Besoldungsgesetzgeber, auf Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht operationalisierten Methodik eine ausreichende Mindestalimentation zu gewähren - mit allen Folgen für die höheren Gehaltsgruppen, für die das allgemeine Abstandsgebot einzuhalten ist.
Es ist schon erstaunlich, dass das Verfassungsgericht monetär so weit über die beiden Vorlagebeschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts (die sich de jure auf verschiedene Besoldungsordnungen beziehen, de facto aber argumentativ identisch sind) hinausgegangen ist. Mit einem so weitgehenden Beschluss dürfte kaum einer gerechnet haben.