Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2700267 times)

xap

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3075 am: 07.02.2022 11:38 »
Würde das bedeuten, dass für einen Widerspruchsbescheid für 2021 (Ruhestellung Ende 2021) bis 31.03.2022 ungeachtet der Ruhestellung geklagt werden müsste? Und was bedeutet das für einen Bescheid mit Ruhestellung von Ende 2018 bei dem die Frist von 3 Monaten (März 2019) nicht eingehalten wurde? Kann man hiergegen trotzdem noch mit Erfolgsaussicht klagen oder würde die Klage mangels Fristverletzung ins Leere laufen?

Oder verstehe ich unter Vorverfahren etwas falsch? Es gibt doch in der Regel gar keine Bescheide sondern lediglich Eingangsbestätigungen.

m3mn0ch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3076 am: 07.02.2022 13:37 »
Wenn ich es bisher richtig verstanden haben, hat der Großteil - wie auch ich - bisher lediglich eine Eingangsbestätigung mit dem Hinweis auf die Ruhendstellung des Verfahrens erhalten. Dies ist kein Bescheid.
Insofern läuft die 3monatige Frist nicht.

Die übliche 3 jährige Verjährung ist hiervon unabhängig zu betrachten. Soll heißen, wenn in den drei Jahren
kein Bescheid ergeht, sind deine Ansprüche ohne eine Klage deinerseits trotzdem futsch.     

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3077 am: 07.02.2022 13:51 »
Die übliche 3 jährige Verjährung ist hiervon unabhängig zu betrachten. Soll heißen, wenn in den drei Jahren
kein Bescheid ergeht, sind deine Ansprüche ohne eine Klage deinerseits trotzdem futsch.     

Dem kann ich so nicht zustimmen. Die statthafte Rechtsverfolgung hemmt die Verjährungsfrist gem. § 204 Abs, 1 Nr. 12 BGB ("(1) Die Verjährung wird gehemmt durch [...] die Einreichung des Antrags bei einer Behörde [hier die Bezügestelle], wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird;").

Die Klage vor Durchführung des Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren würde vom VG unter Bezug auf § 68 VwGO wohl abgewiesen werden. Das Vorverfahren endet erst durch einen Widerspruchsbescheid. Es wäre ja noch schöner, wenn die Bezügestellen eingelegte Widersprüche einfach aussitzen könnten bzw. jeder Widerspruchsführer zur bloßen Anspruchswahrung auch noch vorweg eine Untätigkeitsklage gegen die Bezügestelle erheben müsste.

ChRosFw

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3078 am: 07.02.2022 14:14 »
Die regelmäßige Verjährung von 3 Jahren beginnt mit Ablauf des Jahres in dem Widerspruch eingelegt wurde. Heisst z.B.: Für 2021 ist zwingend in 2021 Widerspruch einzulegen (das hat nichts mit Verjährung, sondern der Haushaltsnahen Geltendmachung zu tun). Die Verjährungsfrist läuft demnach für 2021 mit Ende des 31.12.2024 ab.

Ergeht kein Widerspruchsbescheid bis zum Ablauf der Verjährung, ist die Untätigkeitsklage statthaft. Wartefrist sind hier 3 Monate ab Einlegung des Widerspruchs , § 75 S.2 VwGO.

Mit Erhebung der Klage wird die Verjährung dann gehemmt nach § 204 I Nr.1 BGB. Wenn mit alsbaldiger Zustellung zu rechnen ist, gilt insoweit auch die Vermutung nach § 167 ZPO mit Einreichung der Klage.

M.E. muss man, wenn kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung vorliegt, vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist tätig werden.

m3mn0ch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3079 am: 07.02.2022 14:16 »
Die übliche 3 jährige Verjährung ist hiervon unabhängig zu betrachten. Soll heißen, wenn in den drei Jahren
kein Bescheid ergeht, sind deine Ansprüche ohne eine Klage deinerseits trotzdem futsch.     

Dem kann ich so nicht zustimmen. Die statthafte Rechtsverfolgung hemmt die Verjährungsfrist gem. § 204 Abs, 1 Nr. 12 BGB ("(1) Die Verjährung wird gehemmt durch [...] die Einreichung des Antrags bei einer Behörde [hier die Bezügestelle], wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird;").

Die Klage vor Durchführung des Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren würde vom VG unter Bezug auf § 68 VwGO wohl abgewiesen werden. Das Vorverfahren endet erst durch einen Widerspruchsbescheid. Es wäre ja noch schöner, wenn die Bezügestellen eingelegte Widersprüche einfach aussitzen könnten bzw. jeder Widerspruchsführer zur bloßen Anspruchswahrung auch noch vorweg eine Untätigkeitsklage gegen die Bezügestelle erheben müsste.

Was ich bisher zu der Verjährungsthematik recherchieren konnte sagt leider genau das Gegenteil. Ohne die Erklärung auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, verjähren die Ansprüche regelmäßig nach 3 Jahren.
Insofern kann die Behörde das sehr wohl aussitzen.

Ich lasse mich jedoch gern eines besseren belehren, was mir dann selbst ein Klage ersparen sollte in naher Zukunft.     

ChRosFw

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3080 am: 07.02.2022 14:30 »
Die Frage ist, ob das "Aussitzen" insoweit nicht dem besonderen Treueverhältnis im Beamtenrecht widerspricht. Schließlich darf die Behörde das Verfahren m.E. eigentlich nur mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhend stellen. Sich im weiteren dann auf die Verjährung zu berufen, wäre m.E. geradezu treuwidrig. Besondere Regelungen über die Verfahrensruhe nennt die VwGO nicht. Im Grunde tritt dieser seltsame Sachverhalt nur auf, weil man eigentlich auf Untätigkeit klagen müsste, sich der Großteil der Beamtenschaft aber nicht traut.

Systematisch betrachtet, müsste dann das Gericht das Verfahren unter den Voraussetzungen des § 75 S.3 VwGO aussetzen, wenn dessen enge Voraussetzungen vorliegen.

Eventuell würde ein Flut an Untätigkeitsklagen auch einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen, als eine Flut an Einsprüchen, auf deren Geltendmachung man dann in den Folgejahren großzügig verzichtet oder die man einfach gleichgültig abheftet.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3081 am: 07.02.2022 16:36 »
Das, was Malkav schreibt, sollte richtig sein. Eine Klage vor Abschluss des Widerspruchsverfahren ist kaum möglich (das war schon in der Vergangenheit hier Thema), da ja der Widerspruch nicht beschieden ist, ein Gericht aber über einen nicht beschiedenen Widerspruch nicht entscheiden kann, da kein Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG vorliegt: Denn ohne Bescheid ist keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gegeben. Der Verwaltungsakt kann aber nur nach seinem Vollzug bestritten werden: Was keine Rechtswirkung nach außen hat, kann gerichtlich nicht bestritten werden, da es verwaltungsrechtlich nicht gegeben ist.

Sofern der Dienstherr auf die Einrede der Verjährung verzichtet, erkennt er an (ich habe mich mit dem Thema in der Vergangenheit recht umfassend beschäftigt, aber vieles vergessen, merke ich gerade, sodass ich aus der Erinnerung schreibe), dass durch das Ruhen des Verfahrens eventuell bestehende Ansprüche auf höhere Bezüge mit Beginn des Jahres, in dem Widerspruch geführt worden ist, sowohl gegenwärtig als auch zukünftig bestehen bleiben, die Verjährung also bis zu dem Zeotpunkt gehemmt ist, an dem der Widerspruch beschieden wird. Bis zu diesem Zeitpunkt ist dann kein Wiederholen des Widerspruchs mehr nötig. Denn wenn ich es richtig erinnere, ist dann von einer "tatsächlichen Fiktion" auszugehen, durch die die Verjährung gehemmt ist.

Sollte kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung vorliegen, ist die Hemmung nicht gegeben, da keine "tatsächliche Fiktion" vorhanden ist. Es sollte aber davon auszugehen sein, dass für das Jahr, für das Widerspruch eingelegt ist, weiterhin solange keine Verjährung eintreten kann, wie der Dienstherr den Widerspruch nicht bescheidet, da es dem Betroffenen ja nicht möglich ist, ohne einen entsprechenden Bescheid Klage zu erheben. Insofern sollte der Widerspruchsführer dadurch, dass kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt wird, offensichtlich gezwungen sein, sich weiterhin regelmäßig und aktiv sowie mit den statthaften Rechtsbehelfen für seine Belange einzusetzen, also den Widerspruch - in unserem Fall - jährlich zu wiederholen, um seine Ansprüche auch für diese Zeit zu wahren.

Tut er das nicht, wirkt der bislang gestellte Widerspruch offensichtlich nicht in die Zukunft fort, sodass zukünftige Ansprüche nicht gewahrt bleiben - und kann eventuell der bislang getätigte Widerspruch nach gesetzlich geregelter Zeit verjähren, auch wenn er nicht beschieden ist, da sich der Beamte nicht regelmäßig und aktiv mit den statthaften Rechtsbehelfen zu Wehr gesetzt hat, woraus gegebenenfalls resultieren könnte oder dürfte, dass er sich stillschweigend mit der Verjährung einverstanden erklärt. Hinsichtlich dieses letzten Absatzes bin ich mir im Moment unsicher - aber er dürfte die Konsequenz aus den entsprechenden Regelungen sein, denke ich.

Der langen Rede kurzer Sinn: Der nicht erklärte Verzicht auf die Einrede der Verjährung zwingt den Beamten, seinen Widerspruch Jahr für Jahr zu wiederholen. Tut er das mit den statthaften Rechtsbehelfen, sollten seine Ansprüche über den gesamten Zeitraum hinweg, den er bestritten hat, aufrechterhalten bleiben.

HessenDude

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3082 am: 07.02.2022 20:57 »
Danke für die (doch recht komplexen) Ausführungen dazu. Sicherheitshalber werde ich mir spätestens im März eine Rechtsberatung gönnen. Dafür geht es um zu viel.


SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3083 am: 07.02.2022 22:16 »
Das kann ich gut nachvollziehen - berichte im Anschluss mal, denn die Frage ist ja von generellem Interesse.

lumer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3084 am: 08.02.2022 08:50 »
Die Quintessenz dürfte richtig sein, dass die Ansprüche nach eingelegtem Widerspruch nicht verjähren. Die Begründung ist jedoch ein bisschen anders:
Die Verjährung ist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB gehemmt. Nun könnte man an § 204 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB denken, was dazu führte, dass Verjährung bei Nichtbetreiben des Verfahrens eintreten könnte, also wenn man nach Erhebung des Widerspruchs nichts mehr tut. Das BVerwG und das BSG sind jedoch der Auffassung, dass diese Vorschrift in amtswegigen Verfahren nicht greift, da der Widerspruchsführer keinen weiteren Einfluss auf den Gang des Widerspruchsverfahrens hat. Im Verwaltungsrecht wird die Widerspruchsbehörde auch als "Herrin des Verfahrens" bezeichnet, was dies nochmals deutlich machen sollte.

boysetsfire

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3085 am: 10.02.2022 19:11 »
Der Schl.-Holsteinische Landtag hat u. a. Prof. Dr. Battis und den PKV-Verband um Stellungnahme zu dem Entwurf des   "Gesetzes zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern" gebeten.

Beide Stellungnahmen sind kurz, prägnant und sehr lesenswert:

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07100/umdruck-19-07135.pdf (Dr. Battis)

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07000/umdruck-19-07025.pdf (PKV-Verband)

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3086 am: 10.02.2022 21:32 »
Zitat Battis: "Der Familienergänzungszuschlag in der Fassung des
Gesetzesentwurfes ist verfassungswidrig." Wie schön :) Und die verantwortliche Ministerin will MP werden.

Der Schl.-Holsteinische Landtag hat u. a. Prof. Dr. Battis und den PKV-Verband um Stellungnahme zu dem Entwurf des   "Gesetzes zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern" gebeten.

Beide Stellungnahmen sind kurz, prägnant und sehr lesenswert:

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07100/umdruck-19-07135.pdf (Dr. Battis)

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07000/umdruck-19-07025.pdf (PKV-Verband)

sapere aude

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« Antwort #3087 am: 11.02.2022 07:46 »
Warum wird solch eine Stellungnahme eingeholt, um dann - was ich vemute - trotzdem weiterzumachen?

was_guckst_du

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« Antwort #3088 am: 11.02.2022 07:55 »
...das ist wie Wahlkampf...viel versprechen und kaum was halten... 8)

...alles Bühnenschauspielerei...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3089 am: 11.02.2022 08:51 »
Warum wird solch eine Stellungnahme eingeholt, um dann - was ich vemute - trotzdem weiterzumachen?


Herr Battis wurde vom SSW als Opposition auf die Liste der Anzuhörenden gesetzt. Dass diese bekannte Experten anhören, welche erwartungsgemäß (z.B. aufgrund Ihrer vorher bereits geäußerten Expertise (vgl. Battis-Gutachten im Auftrag des tbb)) das Vorhaben der Regierung kritisieren ist im parlamentarischen Betrieb gute Tradition.

Es kann halt später nur keine Parlamentarier sagen "Wie haben ja von nichts von der drohenden Verfassungswidrigkeit des Entwurfs gewusst und uns auf die Expertise des FM verlassen, sonst hätten wir natürlich..."