Hallo Swen, schön dich wieder hier zu haben. Ich habe mir die Tabelle 7 angesehen. Diese geht immer von den jeweiligen untersten Besoldungsstufen im Bundesland aus oder? Gibt es ein rechtssicheres Abstandsgebot unter den Besoldungsstufen mit dem man sich rechnerisch seinem Fehlbetrag dann nähern kann?
Hallo HansGeorg, ich bin auf einem guten Weg, sodass ab Ende der nächsten Woche wieder mehr von mir zu hören sein dürfte (schätze ich). Die Tabelle 7 bemisst, so wie Du schreibst, die gewährte Nettoalimentation eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe besoldet wird, und führt im Vergleich mit der in der Tabelle 5 festgehaltenen Mindestalimentation den jeweiligen Fehlbetrag in € und % aus. Zum Vergleich mit einer höheren Besoldungsgruppe müsstest Du nun die Nettowerte in Bruttowerte überführen, wie das beispielsweise hier auf der S. 6 dargelegt wird:
https://www.berliner-besoldung.de/berliner-besoldung-bis-weit-in-den-gehobenen-dienst-hinein-unterhalb-der-grundsicherung/Allerdings verfügt der Besoldungsgesetzgeber weiterhin über einen weiten Entscheidungsspielraum, wie er die Abstände der Grundgehaltssätze zwischen Besoldungsgruppen bemisst - das systeminterne Abstandsgebot des vierten Prüfparameters der ersten Prüfungsstufe ist nur ein Indiz für die Vermutung einer nicht amtsangemessenen Alimentation und keine ihn in irgendeiner Art und Weise bindende Regelung -; er ist also durchaus dazu berechtigt, die Abstände zwischen Besoldungsgruppen ggf. auch deutlich zu verringern (also auch über 10 % innerhalb von fünf Jahren hinaus), solange er das sachlich begründen kann - das ausschließliche Ziel, Personalkosten einzusparen, wäre allerdings kein sachlicher Grund. Sofern er also Abstände zwischen der Besoldung unterschiedlicher Grundgehaltssätze deutlicher verringern wollte, ist er dazu jederzeit berechtigt, müsste das aber sachlich begründen, also sicherlich mindestens, indem er das Leistungsgefüge seiner Systematik neu bewertete, was für sich genommen - sofern ein verfassungsrechtlich gebotener Rahmen eingehalten werden sollte - eine durchaus komplexe Angelegenheit wäre.
Insofern ist nicht so ohne Weiteres daraus zu schließen, dass ein Fehlbetrag zwischen Mindest- und gewährter Nettoalimentation von bspw. 26,0 % in Baden-Württemberg im Jahr 2020 (wie ihn die Tabelle 7 ausweist) automatisch zu einer dortigen Erhöhung um 26,0 % der Grundgehaltssätze aller Besoldungsgruppen führen müsste oder sollte - denn nach wie vor verfügt der Besoldungsgesetzgeber über ein weites Feld an die Bruttobesoldung differenzierender Entscheidungen: Sei es beispielsweise hinsichtlich der Familien- oder Ortszuschläge oder auch nachrangig der Beihilfe. Was allerdings offensichtlich ist, wie auch der im ersten Absatz genannte Link verdeutlicht, ist, dass die Tabelle 7 zeigt, dass die Fehlbeträge in allen Ländern ausnahmslos so hoch sind - insbesondere unter Beachtung der Darlegungen die Tabelle 8 betreffend -, dass auf Grundlage der Entscheidung 2 BvL 4/18 eine deutliche Anhebung der Grundgehaltssätze zwangsläufig erfolgen
muss. Dazu wird in der kommenden Zeit ein Beitrag in der ZBR erscheinen, der dieses Muss anhand der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung der letzten Jahre erläutert.
Der langen Rede kurzer Sinn: Ein rechnerischer Weg, um aus der Verletzung des absoluten Alimentationsschutzes, wie sie in allen Bundesländern deutlich gegeben ist, eine Bemessung der Grundgehaltssätze von höheren Besoldungsgruppen abzuleiten, ist verfassungsrechtlich insbesondere ob des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Gesetzgeber verfügt, nicht möglich - deutlich ist aber, dass der jeweilige Grundgehaltssatz in der untersten Besoldungsgruppe in allen Bundesländern deutlich ansteigen muss, um eine wieder verfassungskonforme Alimentation herzustellen, und dass das zwangsläufig trotz des weiten Entscheidungsspielraums, über der Besoldungsgesetzgeber in der Ausgestaltung von Art. 33 Abs. 5 GG verfügt, zu ebenfalls deutlichen Erhöhungen der weiteren Grundgehaltssätze führen muss - jedenfalls in dem Moment, in dem die Besoldungsgesetzgeber sich entschlössen, wieder zu einer verfassungskonformen Besoldungssystematik zurückzukehren (was offensichtlich nicht morgen geschehen wird). Von der Tendenz her dürfte es dabei wahrscheinlich sein, dass die Grundgehaltssätze in den unteren Besoldungsgruppen prozentual höher angehoben werden sollten als jeweils in den höheren - das aber ist noch reine Zukunftsmusik. Und um auf diese Zukunftsmusik hinzuarbeiten, sind in der umfassenden Stellungnahme an der Bundesverfassungsgericht, die im Winter erarbeitet worden ist, auf den S. 32 ff. entsprechende Darlegungen erfolgt (vgl. den Anhang unter
https://www.berliner-besoldung.de/stellungnahme-zum-normenkotrollverfahren-2-bvl-4-bis-9-18/; zur Herleitung der These vgl. ebd., S. 28 ff.), wobei zu beachten wäre, dass diese Ausführungen vergangenheitsbezogen erfolgten, was hinsichtlich des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, nicht anders möglich wäre. Entsprechende vergangenheitsbezogene Regelungen sollten aber, sofern sie vom Bundesverfassungsgericht - am jeweiligen (gesetzlichen) Einzelfall betrachtet - ausgesprochen werden würden, einen gewissen Ausstrahlungswert hinsichtlich zukünftiger Gestaltungen von Besoldungsordnungen entfalten, ohne dass sie damit den Besoldungsgesetzgeber in seinem weiten Entscheidungsspielraum begrenzten: Denn sie würden ihn offensichtlich dazu zwingen - hier läge die Ausstrahlungswirkung -, sich mit der jeweils vorliegenden Systematik seiner entsprechenden Besoldungsordnung beschäftigen
zu müssen - jedenfalls solange, wie er das Ziel verfolgte, Personalkosten in verfassungsrechtlich statthafter Art und Weise zu begrenzen. Die genannten Passagen verfolgen insofern das wiederkehrende Ziel, die Rechtssicherheit zu erhöhen. Sie geben dem Bundesverfassungsgericht - sofern es diesbezüglich (bereits) Handlungen für geboten hielte - die Möglichkeit, sich entsprechend mit den Darlegungen auseinanderzusetzen.
Nun gut, nun gehe ich erst einmal wieder gen Sonnenschein und Ruhe und lass das Forum Forum sein...