Die Deutsche Verwaltunspraxis hat 2017 zur genannten BVerwG-Entscheidung aus dem Jahr 2013 (
https://www.bverwg.de/de/301013U2C23.12.0) Folgendes geschrieben (S. 286):
"BVerwG-Urteil vom 30. Okt. 2013 zum Az. 2 C 23/12
Erklärungen gegenüber einer Behörde sind im Rahmen von §§ 133,
157 BGB analog so auszulegen, dass der Erklärende sein Rechts-
schutzziel erreichen kann (vgl. auch Ziff. 33.; vgl. Beckmann, Neue
Rechtsprechung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren, DVP
2005 S. 80 ff. Nr. 1 sowie DVP 2011 S. 110 ff. Nr. 17.).
Ein Widerspruchsverfahren ist entbehrlich, wenn sich die Behörde
gegenüber dem Kläger vorgerichtlich endgültig auf die Ablehnung
des Begehrens festgelegt hat. Daran ändert es dann auch nichts, wenn
die Beklagte im gerichtlichen Verfahren nun das Fehlen des Wider-
spruchsverfahrens rügt (Anmerkung der Verfasser: Es ist sicherlich
widersprüchlich, wenn die Behörde einerseits auf die Durchführung
eines Widerspruchsverfahrens ausdrücklich verzichtet und dies je-
doch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren rügt –„Meine Rede
sei „ja, ja“, meine Rede sei „nein, nein“. Dennoch wird man zu Recht
die Frage stellen dürfen, ob das vom BVerwG gefundene Ergebnis mit
der gesetzlichen Vorgabe im Einklang steht, dass bei Einlegung eines
Widerspruchs das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO be-
ginnt und durchzuführen ist; vgl. auch Ziff. 12.)."
Letztlich ist durch den fortgesetzt konzertierten Verfassungsbruch der Besoldungsgesetzgeber die Verunsicherung allenthalben so groß, dass weiterhin wiederholt unklar bleibt, welches Verhalten wann wie sinnvoll ist, da die durch die Besoldungsgesetzgeber geschaffenen rechtsfreien Räume und deren Exekution durch die Dienstherrn wiederholt ebenso den Vertrauensschutz verschluckt haben. Entsprechend bleibt unklar, was bspw. der vom Bundesverwaltungsgericht 2019 nachfolgen genannte Rechtsgrundsatz hinsichtlich der wiederholten Verfahrenstricks von Dienstherrn bedeuten möge:
"Für die Geltendmachung des [durch einen Widerspruch erhobene; ST] Anspruchs genügt es, dass der Beamte zum Ausdruck bringt, sich mit der Höhe seiner Besoldung oder Versorgung insgesamt nicht mehr zufrieden zu geben. So hätte es im vorliegenden Fall ausgereicht, wenn der Kläger - so wie später im gerichtlichen Verfahren - im Jahr 2004 erklärt hätte, dass er für den Fall einer zulässigen Kürzung der jährlichen Sonderzahlung jedenfalls die danach verbleibende Gesamthöhe seiner Versorgungsbezüge für zu niedrig halte, weil sie ihm und seiner Familie keinen angemessenen Lebensstandard mehr ermögliche und sie sich in ihrer Lebensführung einschränken müssten. Ein solches Vorbringen wäre ihm auch als juristischen Laien möglich gewesen. Rechtskenntnisse sind dafür nicht erforderlich." (BVerwG, Urteil vom 21.02.2019 - 2 C 50.16 -, Rn. 27;
https://www.bverwg.de/210219U2C50.16.0)
Denn in Anbetracht wiederholter dienstherrlicher Winkelzüge dürfte vorauszusetzen sein, dass der juristische Laie ebenso wie der recht rechtssichere Beamte sich seiner Rechtskenntnisse nicht immer sicher sein kann, da er ob der rechtsfreien Räume wiederholt womöglich nicht mehr wissen kann, was eigentlich noch Recht ist. Wer unsicher ist, wie er sich verhalten soll, sofern ihm kein Verjährungsverzicht vonseiten des Dienstherrn zugesichert wird, dem kann man leider tatsächlich nur raten, einen qualifizierten Fachanwalt um Rat zu fragen. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte dann zur Anspruchswahrung eine Klage im Sinne von dem, was lotsch gerade geschrieben hat, nötig sein.
Die im Zitat genannte Nr. 12 lautet übrigens (S. 285 f.):
"Für die Annahme eines VA [Verwaltungsakts; ST] in Abgrenzung zu einem Nicht-VA =
Scheinakt ist dann, wenn die betreffende Maßnahme nach außen eine
Behörde als Entscheidungsträger ausweist – intern jedoch eine private
juristische Person sie getroffen hat – erforderlich, aber auch ausrei-
chend, dass die nach außen allein in Erscheinung tretende Behörde
das Tätigkeitwerden des Privaten als Geschäftsbesorger veranlasst hat.
Von der Prüfung, ob ein im Wege der Anfechtungsklage angreifbarer
VA vorliegt, ist die Prüfung seiner formellen und materiellen Vor-
aussetzungen zu unterscheiden.
Die Rechtmäßigkeitskontrolle eines VA setzt zunächst voraus, dass
die gewählte Handlungsform auch bestimmt genug ist.
Aus der Unterscheidung zwischen der Bestimmung der Handlungs-
form und der Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlung folgt, dass –
wenn ein Fehler den VA unwirksam oder gar nichtig macht – dies
nichts daran ändert, dass dem Grunde nach ein – wenn auch rechts-
widriger/nichtiger – VA vorliegt.
§ 68 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. VwGO ermöglicht dem Gesetzgeber
nicht nur den gänzlichen Ausschluss des Widerspruchsverfahrens,
sondern auch nur eine Beschränkung der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz auf z.B. eine Rechtmäßigkeitsprüfung (vgl. auch
Ziff. 14., 19. und 20.)."
Lasst euch nicht unterkriegen!
Ich wünsche allen ein frohes Fest, auf dass das Jahr 2023 uns allen durch die anstehende bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung eine deutlich gesteigerte Klarheit bringen möge.