Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2700547 times)

Hans Werner Mangold

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4350 am: 05.06.2023 12:45 »
Auf Biegen und Brechen spielen die Besoldungsgeber auf Zeit!

Landsknecht

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4351 am: 05.06.2023 12:50 »
Und vom Urteil bis zur Umsetzung fließt auch noch eine ganze Menge Wasser die Elbe hinunter.

In aller Regel wird dann dem Besoldungsgeber ein Jahr Zeit gegeben das Urteil umzusetzen. Oder irre ich mich da?! Dann wären wir schon beinahe im Jahr 2025  :o Wir haben einfach viel zu viele Baustellen! Amtsangemessene Alimentation, Tarifverhandlungen TV-L, Fachkräftemangel etc.

Ich weiß nicht, wie ich mich in dieser Zwischenzeit noch motivieren soll?! Habt ihr vielleicht irgendwelche kreative Ideen?!

Während der Arbeitszeit Widersprüche, bzw. Klageschrift vorbereiten ;) Zumindest ein Anfang...

justilegal

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4352 am: 05.06.2023 13:19 »
Das Urteil bezüglich der 3+ Kinder ist vom 4.05.2020, veröffentlicht Ende Juli 2020… in Niedersachsen ist nichts passiert seitdem. Die Gerichte spielen Mikado- jedenfalls soll das NLBV ( die Bezügestelle in Niedersachsen) mitteilen, falls ein Gericht entscheidet… der Gesetzgeber sitzt ist es aus. Die Gerichte wollen auch nicht entscheiden… Motivation fällt zunehmend schwerer mit Blick auf fast alle Nachbarländer..,

MitleserBW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4353 am: 05.06.2023 13:21 »
Zur anstehenden Entscheidung ist nun der Beitrag in der ZBR erschienen, von dem ich in der Vergangenheit gesprochen habe: http://www.zbr-online.de/ Der Beitrag zeigt sowohl die enge sachliche Verbindung der beiden Abstandsgebote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch am Bremer Beispiel, dass sich eine Erhöhung der Grundgehaltssätze kaum vermeiden lassen kann, da sie, die Vermeidung, prozedural sachlich nicht gerechtfertigt werden könnte - und zwar nach der jüngsten Entscheidung vom 24.01. - 2 BvF 2/18 - nur umso mehr. Denn auch diese Entscheidung verdeutlicht ja - wie hier im Forum in der Vergangenheit wiederkehrend gezeigt -, dass die "Einhegung des Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers durch die Verpflichtung, sich der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG selbst zu vergewissern (vgl. zu Art. 33 Abs. 5 GG BVerfGE 155, 1 <47 Rn. 96>)", von diesem in Gestalt aller 17 Besoldungsgesetzgeber augenscheinlich auch und gerade in den letzten rund drei Jahren nicht hinreichend beachtet worden ist (das Zitat ebd. Rn. 128; Hervorhebungen durch mich). Da die Gesetzgeber offensichtlich den eingehegten Entscheidungsspielraum verlassen haben, darf davon ausgegangen werden - denke ich -, dass sie auch dort nun die sie treffenden prozeduralen Anforderungen nicht hinreichend beachtet haben. Nicht umsonst hält das Bundesverfassungsgericht in der von ihm hervorgehobenen Rn. 96 der aktuellen Entscheidung fest:

"Eine Einschränkung dahingehend, dass eine unzureichende Begründung nur dann zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, wenn sich zuvor Anhaltspunkte für eine Verletzung des absoluten oder relativen Alimentationsschutzes ergeben haben (vgl. BVerwGE 161, 297 <303 Rn. 19>), würde die Ausgleichsfunktion der prozeduralen Anforderungen, den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch eine Verpflichtung zur Selbstvergewisserung zu kanalisieren (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 139, 64 <127 Rn. 130>; 140, 240 <296 Rn. 113>; 149, 382 <395 Rn. 21>), unterlaufen."

So verstanden dürften insbesondere die wiederkehrend massiven Erhöhungen der familienbezogenen Besoldungskomponenten mit dem Ziel, nicht die Grundgehaltssätze anzuheben, verfassungswidrig gewesen sein, da sie sachlich nicht hinreichend zu begründen gewesen waren. Dies lässt sich indiziell anhand der Mindestbesoldung in jedem Einzelfall zeigen. Der aktuelle ZBR-Beitrag exemplifiziert das anhand des Bremer Beispiels, über das das Bundesverfassungsgericht demnächst entscheiden wird.

Hallo Swen,

was würde denn mit den erhöhten Familienzuschlägen passieren, sollten die bereits umgesetzten Besoldungen (Beispiel BW) verfassungswidrig sein? Sollte dann die Grundbesoldung angehoben werden und der Rest bleibt, da Besitzstandswahrung oder wird das dann gestrichen? In der Summe dürfte man dann denke ich dennoch mehr haben.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4354 am: 05.06.2023 14:20 »
Die mit Gesetzeskraft vollzogene Entscheidung ist genauso, wie hier gerade verschiedentlich dargelegt, vom jeweils konkret betroffenen (Besoldungs-)Gesetzgeber zu beachten. Der konkrete Gehalt ergibt sich aus der Entscheidungsformel. An diese ist der (Besoldungs-)Gesetzgeber mit Gesetzeskraft gebunden. Die Entscheidungsformel der aktuellen Entscheidung lautete (Hervorhebungen durch mich):

"IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
zur verfassungsrechtlichen Prüfung,
      

ob die Grundgehaltssätze der Bundesbesoldungsordnung R, soweit sie vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Juli 2010 die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 im Land Berlin betreffen, und
      

die Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R, soweit sie vom 1. August 2010 bis 31. Dezember 2015 die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 und vom 1. Januar bis 31. Dezember 2015 darüber hinaus die Besoldungsgruppe R 3 im Land Berlin betreffen,
      

mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes vereinbar sind
      

– Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 22. September 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses
vom 22. Januar 2018 - BVerwG 2 C 56.16, 2 C 57.16, 2 C 58.16 –

hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -

unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter

[...]

am 4. Mai 2020 beschlossen:

1.    Mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar sind

a.    Anlage IV Nummer 4 zu § 37 Absatz 1 Satz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 vom 10. September 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 1798 – Grundgehaltssätze der Bundesbesoldungsordnung R ab 1. August 2004),

    soweit sie gemäß Artikel 125a Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 85 des Bundesbesoldungsgesetzes vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Juli 2010 die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 im Land Berlin betrifft,

b.    Anlage 1 Nummer 4 zu § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für Berlin 2010/2011 vom 8. Juli 2010 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Seite 362 – Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R ab 1. August 2010),

    Anlage 2 des Gesetzes zur Besoldungsneuregelung für das Land Berlin vom 29. Juni 2011 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Seite 306 – Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R ab 1. August 2011),

    Anlage 1 Nummer 4 zu Artikel I § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1 und 2 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2012/2013 vom 21. September 2012 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Seite 291 – Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R ab 1. August 2012) und

    Anlage 16 Nummer 4 zu Artikel I § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2012/2013 vom 21. September 2012 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Seite 291 – Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R ab 1. August 2013),

    soweit sie vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2014 die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 betreffen, sowie

    Anlage 1 Nummer 4 zu Artikel I § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 9. Juli 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Seite 250 – Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R ab 1. August 2014) und

 c.   Anlage 15 Nummer 4 zu Artikel I § 2 Absatz 4 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 9. Juli 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Seite 250 – Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R ab 1. August 2015),

    soweit sie vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2015 die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 und vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015 die Besoldungsgruppe R 3 betreffen.

2.    Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Juli 2021 an zu treffen."

Der Gesetzgeber hat mit dem RBesRepG 2009-2015 v. 23.06.2021 zum 01.07.2021 (GVBl. 2021 S. 678; https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-RBes2009_15RepGBErahmen) im Sinne der Ziff. 2 der Entscheidungsformel auf die mit Gesetzeskraft vollzogene Entscheidung reagiert. Die konkreten monetären Folgen hat der Landesverband Berlin des DRB in einem so lesenswerten wie launigen Beitrag treffend zusammengefasst: https://www.drb-berlin.de/mitgliedschaft/votum/votum/news/watt-krich-ick-denn-nu-jenau-eine-kleine-rechenhilfe-zum-rbesrepg-2009-2015 Ob der Gesetzgeber damit der mit Gesetzeskraft ergangenen Entscheidung hinreichend sachgerecht nachgekommen ist, ist nicht ganz einfach - denke ich - zu entscheiden.

Jedoch ist offensichtlich, dass er über die Jahre 2009 bis 2015 hinaus (bzw. vor sie zurück) keine Veranlassung gesehen hat, sich an die zur Begründung der Entscheidung herangezogenen Direktiven des Bundesverfassungsgerichts zu halten (vgl. bspw. https://www.berliner-besoldung.de/berliner-besoldung-bis-weit-in-den-gehobenen-dienst-hinein-unterhalb-der-grundsicherung/). Wie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit alle anderen Besoldungsgesetzgeber seitdem ebenso, hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus das Grundsicherungsniveau bzw. die Mindest- bzw. die gewährte Nettoalimentation nicht sachgerecht bemessen und auf dieser Basis insbesondere die familienbezogenen Besoldungskomponenten stark angehoben.

Genau an dieser Stelle hakt der aktuelle ZBR-Beitrag ein, indem er die 2022 in einem vorherigen ZBR-Beitrag entwickelte Methodik zur Bemessung der Mindestbesoldung weiterhin konkretisiert und dann am Bremer Beispiel erneut exemplifiziert. Er zeigt damit den engen Zusammenhang der beiden Abstandsgebote sowie deren gezielt vom Bundesverfassungsgericht hergestellte Verkopplung mit den prozeduralen Anforderungen, die den Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren treffen. Als Ergebnis dürfte sich feststellen lassen, dass auch nach 2020 kein Besoldungsgesetzgeber die ihn treffenden prozeduralen Anforderungen hinreichend erfüllt hat - denn es findet sich seitdem in keinem Rechtskreis eine sachgerechte Begründung, wieso nicht die Grundgehaltssätze angehoben wurden, obgleich der Gesetzgeber mittlerweile in allen Rechtskreisen eingestanden hat, dass die Alimentation zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nach der 2020er Entscheidung evident unzureichend gewesen ist.

Stattdessen hätten die Gesetzgeber nun nach 2020 zunächst einmal jeweils die Höhe einer amtsangemessenen Alimentation als Folge des Art. 33 Abs. 5 GG begründen müssen, um diese Begründung mit der weiteren Begründung zu verbinden, wie hinsichtlich des Art. 33 Abs. 2 das Leistungsprinzip hinreichend zu erfüllen wäre - hier nun hätte eine Begründung der Grundgehaltssätze erfolgen müssen, da ja die Alimentation evident unzureichend gewesen ist und da das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidungsformel genauso wie in der Entscheidungsbegründung hinsichtlich des Berliner Besoldungsgesetzgebers unmissverständlich klargestellt hat, dass die Grundgehaltssätze in den Jahren 2019 bis 2015, die R-Besoldung im Land Berlin betreffend, verfassungswidrig zu gering gewesen sind.

Der langen Rede kurzer Sinn: Ich denke, es dauert u.a. deswegen nach dem gut nachvollziehbaren Empfinden der meisten von uns so lange, bis das Bundesverfassungsgericht zu seiner Entscheidung sowie deren Begründung kommt, da es das Ziel verfolgen wird, dass nicht nur die drei nun zu betrachtenden Besoldungsgesetzgeber, sondern dass im Gefolge der anstehenden Entscheidung alle Besoldungsgesetzgeber wieder zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückkehren. Dabei dürfte man in Karlsruhe - denke ich - das Verhalten der Gesetzgeber seit 2020 eingehend studiert und daraus sachliche Schlüsse gezogen haben, um so den "konzertierten Verfassungsbruch", von dem Ulrich Battis spricht, zu seinem verdienten Ende zu führen.

Nun werden einige von uns hier die Ansicht vertreten - "never, geht nicht, wird nicht passieren, die werden sich weiterhin darumherumdrücken, ist sowieso alles sinnlos" (pardon für die plakative Überspitzung). Und kaum jemand von uns wird bestreiten, dass genau das, was ich gerade etwas plakativ zusammengefasst habe, das deutliche Interesse der Gesetzgeber sein wird - denn eine wieder amtsamgemessene Alimentation wird allein unmittelbar exorbitant teuer werden, da die Rückkehr zu verfassungskonformen gesetzlichen Regelungen das verfassungwidrige Interregnum beenden wird, sodass die massiven Einsparungen der letzten rund 20 Jahre dann nicht mehr möglich sein werden. Mittelbar werden dann noch die Tariflöhne deutlich steigen, was die Personalkosten noch einmal stark vergrößern wird - nicht zuletzt auch ebenso hinsichtlich der sowieso zunehmend höher ausfallenden Kosten zur Gewährleistung (bzw. Rückkehr zu) einer amtsangemessenen Versorgung, die sich als Folge einer wieder amtsangemessenen Alimentation zwangsläufig einstellen wird oder muss.

Ob das dem Bundesverfassungsgericht bereits vor dem Vollzug einer Vollstreckungsanordnung gelingen wird, steht in den Sternen - ich denke aber, dass die Zeichen für ein ungebrochenes "Weiter so" vonseiten der Dienstherrn nach der anstehenden Entscheidung insbesondere in Niedersachsen und in kaum geringerer Art und Weise auch in Schleswig-Holstein nicht unendlich gut stehen werden. Denn das Bundesverfassungsgericht reagiert offensichtlich damit, dass es die 2022 angekündigte Entscheidung über die Bremer Besoldung nun auf diese Rechtkreise erweitert hat - und dass es dabei offensichtlich das hier schon mehrfach betrachtete "verfassungsrechtliche Faustpfand" einbehält -, nun noch einmal deutlich weitergehend auf den konzertierten Verfassungsbruch, als es das offensichtlich noch im Frühjahr 2022 geplant hat, worin sich genau eine solche Reaktion auf den "konzertierten Verfassungsbruch" widerspiegeln dürfte, wie sie offensichtlich auch notwendig ist (vgl. zur gesamten Problematik https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf). Das Bundesverfassungsgericht dürfte folglich aus den sich 2022 weiter vollzogenen Entwicklungen sachlich Konsquenzen gezogen haben, die es bewogen haben dürften, den Kreis der zu betrachtenden Gesetzgeber um Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu erweitern. Das dürfte, da das Bundesverfassungsgericht seinem verfassungsrechtlichen Auftrag folgend grundsätzlich sehr gezielt vorgeht, nicht von Ungefähr erfolgt sein.

Ergo können wir einige Überraschungen erwarten, denke ich, was die weiter auszuformenen Direktiven des Bundesverfassungsgerichts anbelangt, so wie sich das bspw. hinsichtlich der prozeduralen Anforderungen in der Entscheidung 2 BvF 2/18 bereits andeutet. Die Besoldungsgesetzgeber sind verpflichtet, diese Direktiven hinsichtlich des Alimentationsprinzips zu beachten - und das Bundesverfassungsgericht dürfte spätestens nach den letzten drei Jahren ein starkes Interesse haben, dass diese Beachtung spätestens ab dem Herbst bzw. Winter wieder erfolgt, wenn es also um die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Besoldung gehen wird. Da mindestens Niedersachsen, Sachsen, Berlin und Baden-Württemberg nicht mehr unendlich weit von einer Vollstreckungsanordnung entfernt sein dürften, wird man - so denke ich - nun insbesondere dem Erstgenannten sachlich ruhig, aber inhaltlich unmissverständlich die möglichen Instrumente vor Augen führen. Da der Finanzminister den verfassungswidrigen sachlichen Gehalt der derzeitigen Gesetzeslage noch in seiner Funktion als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses bereits eingestanden hat, dürfte es für die aktuelle Landesregierung nur noch umso schwieriger sein bzw. werden, ggf. sachlich nicht zu rechtfertigende Entscheidungen zu treffen (https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gerald-heere/fragen-antworten/in-der-letzten-landtagssitzung-haben-sie-die-ablehnung-des-gesetzentwurfs-18/11498-fuer-buendnis-90/die-gruenen).

Schauen wir also mal, wohin die Reise geht: Mit einer eher später erfolgende Entscheidung, die aber in ihrer substanziierten Begründung um so treffender ist, dürfte den Beamten und ihren Familien allemal mehr gedient sein, als wenn die Gesetzgeber sich nach der Entscheidung nicht deutlich an Art. 20 Abs. 3 GG erinnert fühlten, denke ich. Und es sollte davon auszugehen sein, dass alle drei Besoldungsgesetzgeber unmittelbar und alle anderen mittelbar an ihre sie treffenden verfasungsrechtlichen Bindungen erinnert werden werden. Denn alles andere wäre in Anbetracht dessen, wie in den letzten drei Jahen mit der neuen Besoldungsdogmatik von ihrer Seite verfahren worden ist, doch eher erstaunlich.


@ Mitleser

Das liegt, solange er nicht rechtkräftig zu etwas anderem veranlasst wird, zunächst einmal im Ermessen des Gesetzgebers. Jener hat ja in Baden-Württemberg bereits im Gesetzgebungsverfahren eingestanden, dass eine amtsangemessene Alimentation zu Mehrkosten von 2,9 Mrd. € geführt hätte (diesen Betrag wie auch den folgenden schreibe ich aus der Erinnerung), während man am Ende eine Lösung gewählt hat, die Mehrkosten in Höhe von 219 (?) Mio. € nach sich gezogen hat. Da darüber hinaus die Bemessung des Grundsicherungs-, der Mindest- und der gewährten Nettoalimentation im Gesetzgebungverfahren weiterhin wiederkehrend sachwidrig erfolgt ist, sollte davon auszugehen sein, dass auch in Baden-Württemberg heute alle Beamte - in individuell unterschiedlichem Maße - evident unzureichend alimentiert werden. Um eine wieder amtsangemessene Alimentation auch in Baden-Württemberg zu garantieren, die das sog. "Vier-Säulen-Modell" offensichtlich in keinem Fall gewährleistet, wird auch Baden-Württemberg nicht darum herumkommen, die Grundgehaltssätze deutlich anzuheben. Nicht umsonst belief sich der absolute Fehlbetrag zwischen der Mindest- und der gewährten Nettoalimentation 2020 - also vor Vollzug jenes "Vier-Säulen-Modells" - auf monatlich mehr als 870,- €, was rund 26 % betrug. Eine solch eklatante Verletzung des Alimentationsprinzips kann offensichtlich nicht hinreichend geheilt werden - also unter Beachtung des Leistungsprinzips -, ohne dass die Grundgehaltssätze nicht deutlich angehoben werden würden. Alles andere ließe sich augenscheinlich nicht hinreichend begründen. Genau darin liegt die Quintessenz des aktuellen ZBR-Beitrags, wenn ich das richtig sehe.
« Last Edit: 05.06.2023 14:30 von SwenTanortsch »

Nordlicht97

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4355 am: 05.06.2023 14:46 »
Ich stimme dir in allen Punkten zu Swen, und dennoch glaube ich nicht, das nach einem Urteil zeitnah mit einer deutlichen Anpassung zu rechnen ist.

Mag sein, dass ich da skeptisch eingestellt bin, aber ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Länder eine Anpassung der Alimentation beschließen werden, die regelmäßig Milliarden an Mehrkosten verursacht.
Dazu kommt in SH noch die Nachzahlung betreffend das Weihnachtsgeldes seit 2007, die ja schriftlich durch das FM zugesagt wurde.
Und die gerade erst wieder aufgehobene Haushaltssperre in SH.

Wie will Frau Heinold dem Landtag und der Bevölkerung „verklickern“, dass man im Mai kurzfristig eine Haushaltssperre beschließen musste und im Herbst / Winter Nachzahlungen und Anpassungen der Besoldung in Milliardenhöhe beschließen muss…


SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4356 am: 05.06.2023 16:21 »
Mir geht es zunächst genauso, Nordlicht, wenn ich in mich hineinhöre, sagen mir meine Emotionen, dass die langwierige Kontinuität auch nach der anstehenden Entscheidung sich ungebrochen fortsetzt - in mir winkt mir also wohl die Macht der Gewohnheit zu. Rational sieht es aber anders aus. Zunächst einmal geht es den in Verantwortung stehenden Politikern zwar immer auch um das Geld: Denn die anstehenden Mehrausgaben werden die Möglichkeit, andere (Lieblings-)Projekte monetär voranzutreiben, behindern. Zugleich können sie aber die Verantwortung dafür auf das Bundesverfassungsgericht übertragen und sich dabei zugleich als verfassungstreu zeigen, und zwar je sachlich unmissverständlicher die kommende(n) Entscheidung(en) aus Karlsruhe ausfallen, desto stärker.

Was mich in der Vermutung bestärkt, dass die Chancen heute 2023 besser stehen als noch 2020, liegt neben den vorhin genannten Punkten auch darin, dass das Konzert des Verfassungsbruchs heute nicht mehr so einmütig von allen 17 Akteuren gesungen wird als noch 2020. Thüringen ist bereits ein wenig ausgeschert; Hessen, das generell eine Sonderrolle spielt (es ist kein Teil der TdL und geht deswegen auch hinsichtlich seiner Beamten eigenständigere Wege), hat gleichfalls diese Sonderrolle hervorgehoben; der bayerische antivegane Veganer hat ja schon als baumumarmender Antiökologe angekündigt, dass er möglichst umfassend in den Nachbarländern um Personal wildern will (weshalb er in der ihm eigenen strengen Logik, die seinen etwas sprunghaften Kopf bevölkert, die Besoldungssituation für nicht wenige Landesbeamte verschlechtert hat) - soll heißen: Der Konkurrenzföderalismus wird in dem Moment, da das Konzert ins Wasser fällt und also der erste Gesetzgeber deutlicher aus dem Orchester ausschert, sein je eigenes Gesicht zeigen, so wie sich das in den 1960er Jahren schon einmal vollzogen hat. In Anbetracht des so oder so zunehmenden Fachkräftemangels wird hier zugleich noch ein ganz anderer Keilriemen den Motor antreiben, als das in den endenden 1960er Jahren der Fall gewesen ist, als sich weniger ein Fachkräftemangel, sondern sich tendenziell eher ein Fachkräfteüberschuss anbahnte.

Damit will ich nun nicht sagen, dass die Gesetzgeber schon heute voller Freude nur darauf warten, nun endlich einen Überbietungswettbewerb hinsichtlich der gewährten Besoldung anszustreben - vielmehr wird ihr Ziel weiterhin bleiben, den verfassungswidrigen Zustand so lange wie irgendmöglich aufrechtzuerhalten. Allerdings ändern sich die Zeitläufte, wie ja bereits die größere Verhandlungsmaße der Gewerkschaften in den gerade vergangenen (und den gerade laufenden) Tarifverhandlungen zeigt. Damit wird nicht von heute auf morgen eine ganz andere Entwicklung sich Bahn brechen - aber der Dienstherr, der als erstes tatsächliche Verbesserungen anbieten kann und in der Lage ist, diese als solche zu verkaufen und also nicht nur Glasperlen als Rohdiamenten verkaufen will, wird sich einen Vorteil verschaffen können, der dann andere, die nicht über Gebühr in Nachteil geraten wollen, gleichfalls zum Handeln zwingen wird - wie gesagt, das geschieht nicht morgen: Jener Trend ist aber gesellschaftlich absehbar.

Die Frage wird nun also sein, wie formt das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungsbegründung konkret aus (auch deswegen benötigt sie Zeit, vermute ich; es wird einiges zu diskutieren und abzuwägen geben hinter den verschlossenen Türen in Karlsruhe), welche neuen oder präzisierten Hürden stellt es unmittelbar den drei zu betrachtenden und mittelbar auch allen anderen Dienstherrn in den Weg - dabei sollte es m.E. zunächst einmal bis zu einem gewissen Grad reichen, einen der Besoldungsgesetzgeber stärker als bislang aus dem Konzert des wiederkehrenden Verfassungsbruchs herauszulösen. Als Folgen würden sich mit einiger Wahrscheinlichkeit neue Sachlagen entwickeln, denke ich, ohne dass wir das Feld heute bereits hinlänglich überblicken könnten - eben weil uns die anstehenden Entscheidungen mitsamt der ihnen zugrunde liegenden Begründungen noch nicht vorliegen. Sobald sie uns vorliegen, dürfte wir bereits schon einmal ein bisschen klarer sehen. Dabei sollte auch im Blick behalten werden, dass es einigen Gesetzgebern - insbesondere in den weiterhin sog. neuen Ländern - leichter fallen dürfte, wieder zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Nicht umsonst gibt es in jenen tendenziell noch eher wenig(er)e Beamte, sodass eine höhere Besoldung weniger starke Personalkostenerhöhungen zu Folge haben wird, auch ist die Differenz zwischen der vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Mindest- und der gewährten Nettoalimentation in jenen Ländern tendenziell eher geringer. Über kurz oder lang werden sich einige von ihnen auch deshalb einen Vorteil verschaffen können, der ebenfalls den sich abzeichnenden Konkurrenzföderalismus eher antreiben als verringern dürfte.

Ergo: Es wird auch nach der anstehenden Entscheidung ein zähes Ringen geben und sicherlich nicht sogleich eitler Sonnenschein ausbrechen. Aber im politischen Elysion der allenthalben Zeitenwende dürften in den nächsten Jahren noch einige Gewissheiten umstürzen, die heute noch festgemauert in der Erden erscheinen, was dann alles rennet, rettet, flüchtet, wird sich zeigen.

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4357 am: 05.06.2023 17:30 »
Ja, der bayrische König...

Wenn man die Tabellen so grob überschlägt kann er das Abwerben bald vergessen. Die Differenz dürfte bis zum 01.01.24 auf ein Taschengeld zusammenschmelzen und teilweise nicht mehr vorhanden sein.

Da kann höchsten noch in Bawü gewildert werden.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4358 am: 07.06.2023 12:39 »
Die Zahl 2,9 Milliarden Euro in BW habe ich auch noch im Kopf.

BW hat zufällig ca. 10% aller Beamter und Versorgungsempfänger in Deutschland. Damit kann man leicht ausrechnen, was eine amtsangemessene Alimentation kosten würde, wenn man BW als Maßstab* für Deutschland nimmt. Nämlich 30 Milliarden Euro im Jahr, seit 2020 wären dann knapp 100 Milliarden nötig.

Für die Zeiträume davor ebenfalls, wobei hier vieles verjährt ist. Für die Heilung aller Verstöße seit 2010 gegen die amtsangemessene Alimentation benötigt man also weitere 100 Milliarden. (Mehr Jahre, aber geringere Summen pro Jahr, im Kopf abgezinst). Nach Berücksichtigung der Verjährung sind es vielleicht noch 10 Milliarden. Also hat man schon mal rund 90 Milliarden gespart, oder 90 Milliarden geklaut - wie man es sehen möchte.

Da kann das BVerfG so viel einhegen wie es will, am Ende sind die ökonomischen Gegebenheiten eben so, wie sie sind. Und die vorherige und aktuelle Bundesregierung haben eben andere "Lieblingsprojekte" gehabt, die teilweise größere Summen verschlungen haben. Darüber lässt sich sicherlich viel streiten.

Jedenfalls kann das BVerfG keine ~100 Milliarden aus dem Hut zaubern.
Eine Rechtssprechung mit solch massiven Auswirkungen hat es in der Vergangenheit nicht gegeben und ist auch deshalb sehr unwahrscheinlich. Bei immensen Haushaltsauswirkungen hat sich das BVerfG immer sehr zurückgehalten.


*Realistisch zieht man vielleicht noch 20-30% ab, da BW laut Swen einer der größten Verletzer beim Mindestabstandgebot ist und deshalb nicht ganz als Maßstab geeignet ist.

Mit Excel und Co. könnte man das alles sicherlich ganz genau ausrechnen. Die Größenordnungen halte ich jedoch für richtig. Es geht glaube ich unzweifelhaft um sehr große Summen, wegen den vielen Beamten und den vielen Jahren, um die es geht.


Knarfe1000

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« Antwort #4359 am: 07.06.2023 12:54 »
Ich stimme dir in allen Punkten zu Swen, und dennoch glaube ich nicht, das nach einem Urteil zeitnah mit einer deutlichen Anpassung zu rechnen ist.

Mag sein, dass ich da skeptisch eingestellt bin, aber ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Länder eine Anpassung der Alimentation beschließen werden, die regelmäßig Milliarden an Mehrkosten verursacht.
Dazu kommt in SH noch die Nachzahlung betreffend das Weihnachtsgeldes seit 2007, die ja schriftlich durch das FM zugesagt wurde.
Und die gerade erst wieder aufgehobene Haushaltssperre in SH.

Wie will Frau Heinold dem Landtag und der Bevölkerung „verklickern“, dass man im Mai kurzfristig eine Haushaltssperre beschließen musste und im Herbst / Winter Nachzahlungen und Anpassungen der Besoldung in Milliardenhöhe beschließen muss…
Die Politiker haben es doch einfach, weil sie dem BVerfG bzw. anderen Gerichten die "Schuld" dafür geben können.

SwenTanortsch

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« Antwort #4360 am: 07.06.2023 15:44 »
Die Zahlen sind schlüssig, Ozy. Hier in Niedersachsen dürfte die Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation gleichfalls jährlich deutlich über eine Mrd. € an Mehrkosten mit sich bringen, tendenziell dürften es eher mehr als zwei Mrd. € sein, auch über drei Mrd. € an jährlichen Mehrkosten lassen sich nicht so ohne Weiteres ausschließen (bei geschätzten Haushaltseinnahmen von rund 35,5 Mrd. € im Jahr 2023). Hinsichtlich der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehe ich aber von einer anderen Entwicklung aus als Du. Denn sofern der Berliner Besoldungsgesetzgeber wieder zu einer verfassungskonformen Alimentation seiner Richter und Beamten im Jahr 2021 zurückgekehrt wäre, so wie das sicherlich das Ziel des Bundesverfasungsgericht gewesen ist, dann wären entsprechende Mehrkosten offensichtlich ebenfalls oberhalb von einer Mrd. € notwendig gewesen - das hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht davon abgehalten, seine Rechtsprechung so zu vollziehen, wie es sie vollzogen hat.

Darüber hinaus lässt nicht zuletzt die Entscheidung 2 BvL 2/18 von Ende Januar es m.E. kaum erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht von seiner bisherigen Linie der Rechtsprechung abweichen wollte, denke ich. Entsprechend gehe ich eher davon aus, dass das Bundesverfasungsgericht verschiedene Direktiven noch weiter präzisieren wird, um seiner Rechtsprechung Geltung zu verschaffen - und Präzisierungen beinhalten tendenziell eher höhere als niedrigere Mehrkosten, da mit ihnen Entscheidungsspielräume verengt werden.

Ich halte es weiterhin für wahrscheinlich, dass uns das Bundesverfassungsgericht ähnlich wie mindestens 2012, 2015 und 2020 in einigen Punkten überraschen wird - und diese Überraschungen sollten für die Interessen der Gesetzgeber eher unangenehm sein, da das Bundesverfassungsgericht kein Interesse daran haben kann, dass nicht nur der Geist, sondern wiederkehrend auch der sachliche Inhalt seiner Rechtsprechung ignoriert wird. Es ist m.E. offensichtlich, dass die Gesetzgeber spätestens 2020 hätten realisieren müssen, dass sie sich tief ins eigene Fleisch schneiden würden, wenn sie nicht endlich auf den Boden der Verfassung zurückkehrten. Dem Verstreichen dieser Chance werden noch einige Politiker zukünftig nachtrauern - so wie heute sicherlich die Politiker, deren Blick weit genug ist, noch heute bereuen dürften, nicht spätestens 2015/16 wieder zur Einsicht gelangt zu sein. Das hätte ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig viele Mehrkosten erspart.

Ich gebe Dir ein Bier aus, wenn Du Recht behalten solltest - auch wenn der Anlass ein für uns dann eher trauriger wäre...

VierBundeslaender

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4361 am: 07.06.2023 16:39 »
Hast Du oder hat jemand hier im Forum die Möglichkeit...
Kann man Dir eine PM schicken? Mir ist das nicht gelungen.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4362 am: 07.06.2023 17:00 »
Im besten Fall gibt es, wie so oft einen richterlichen Kompromiss. Das ganze wird ein bisschen eingehegt und ein bisschen wird dem Gesetzgeber an Gestaltungsspielraum zugesprochen. Insbesondere bei den "Zuschlagsorgien" sei es Wohnort oder Familie.

Ich übernehme gerne die sehr populärwissenschaftlichere Brille. Rundfunk und Beamte sind so etwas wie die Lieblingskinder des BVerfG. Egal welche Verfassungsbeschwerde eingereicht wird, ein bisschen etwas gibt es immer.

Aber das BVerfG hat sicherlich auch die Staatshaushalte im Blick.

Ich habe etwas recherchiert bzgl. großen finanziellen Entscheidungen des BVerfG:
https://www.faz.net/aktuell/politik/paul-kirchhof-der-teuerste-richter-1256494.html
Die Pendlerpauschale in 2008 war summenmäßig nicht ohne, rund 2,5-3,5 Milliarden pro Jahr. Am Ende ca. 5-7 Mrd Euro, weil das ganze relativ schnell innerhalb von 2 Jahren abgeurteilt wurde.
Die Kernbrennstoffsteuer wurde kassiert ca. 6,3 Mrd Rückzahlung insgesamt.
Die Grundsteuer wurde insbesondere wegen Haushaltsgründen nur für die Zukunft geändert. Mit einer "Aufkommensneutralen Neugestaltung".
Größere Entscheidungen sind mir nicht bekannt oder fallen mir in der Schnelle nicht ein.

Sollte wie hier viele erwarten, die amtsangemessene Alimentation ganz eng im Sinne der Beamten geurteilt werden, wäre es das Urteil mit der größten finanziellen Auswirkung überhaupt und weder Bund, Länder noch Kommunen haben dazu auch nur ansatzweise ausreichend finanziell vorgesorgt im Sinne von Rückstellungen für Prozessrisiken bei Nachzahlungen. Jeder Haushalt würde dadurch durcheinandergeworfen werden, in finanziell nicht ganz einfachen Zeiten. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass so geurteilt wird - auch wenn ich es jedem gönnen würde.

Das BVerfG hat eine gewisse Staatsräson bzgl. den Haushalten und würde maximal scheibchenweise vorgehen und immer mal wieder etwas zugestehen/einhegen bei der amtsangemessenen Alimenation. Aber nicht alles auf einmal.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4363 am: 08.06.2023 00:17 »
Ich kann das, was Du schreibst, weiterhin gut nachvollziehen, Ozy - und ich denke dennoch, dass Du die Sachlage zu pessimistisch betrachtest, was in Anbetracht der Erfahrung der letzten mindestens fünfzehn Jahre nicht gänzlich unverständlich ist, auch wenn dafür nicht das Bundesverfassungsgericht die Verantwortung trägt.

Ich kann mir allerdings sachlich nicht vorstellen, dass es zu einem solchen "richterlichen Kompromiss" kommen sollte, was sich recht einfach begründen lässt: Als sachliche Folge der letzten Entscheidung ist der Gesetzgeber schon heute in allen Rechtskreisen gezwungen, sowohl das Besoldungsniveau alsauch die Grundgehaltssätze deutlich anzuheben, sofern er die heute bereits gegebenen Direktiven des Bundesverfassungsgericht hinreichend beachten wollte. Das Bundesverfassungsgericht würde also mit einem solchen "Kompromiss" sein gerade erst getätigte Rechtsprechung und die immer deutlicher erkennbare neue Besoldungsdogmatik, die es seit 2012 entwickelt, deutlich verwässern und in Teilen - nämlich insbesondere die Bemessung der Mindestalimentation betreffend - gänzlich zurücknehmen. Das würde gleichfalls, unabhängig davon, dass das Bundesverfassungsgericht nicht zuletzt den Qualitätsverlust in der Öffentlichen Verwaltung sachlichstark kritisch sieht, mit einem recht starken Autoritätsverlust einhergehen, der als dann selbst verursachte Beschädigung des eigenen Renommees wirken müsste - es ließe sich dann nämlich nicht rechtfertigen, wieso man 2020 präzise Direktiven formuliert hat, wenn die 2023 dann - nachdem sie zwischenzeitlich systematisch von der Legislative missachtet worden sind - weitgehend wieder zurückgenommen werden würden.

All das wird nicht geschehen - und zugleich bräuchte es sachlich schon heute keiner Verschärfung der gegebenen Direktiven: Die Personalkosten würden also schon heute jenes von Dir genannte Mehrkostenniveau erreichen, sofern die Gesetzgeber das täten, wozu sie verfassungsrechtlich verpflichtet sind, nämlich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu folgen. Die Verschärfung der Direktiven bedarf es folglich nicht, um das Maß der amtsangemessenen Alimentation hinreichend bemessen zu können - dazu ist seit 2020 sachlich weitgehend alles, was nötig ist, hinreichend gesagt -, sondern es bedarf ihrer, um die Besoldungsgesetzgeber dazu zu bringen, sich nicht weiterhin über sie hinwegzusetzen. Und genau dafür wird - davon muss auszugehen sein - das Bundesverfassungsgericht Vorsorge treffen. Alles andere wäre m.E. mehr als erstaunlich.

DrStrange

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4364 am: 08.06.2023 13:16 »
Servicelink:

Hier nochmal aus 2021 vom Beamtenbund BW:

"Der BBW hätte zwar eine Neuordnung der gesamten Besoldungsstruktur bevorzugt, räumt Rosenberger ein. Doch eine Anhebung der Grundgehälter mitsamt der Einhaltung der Abstandsgebote zwischen den Besoldungsgruppen, sei – auch in Anbetracht der immensen Kosten infolge der Corona-Pandemie – nicht durchsetzbar gewesen. Dies hätte das Land nämlich 2,9 Milliarden Euro mehr pro Jahr gekostet."

https://www.bbw.dbb.de/aktuelles/news/verfassungskonforme-besoldung-das-land-macht-sich-auf-den-weg/