Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2669369 times)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4380 am: 12.06.2023 12:27 »
Es spricht einiges dafür, dass die Aufgabe des Alleinverdienermodells tief in das unmittelbare Rechtsverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten eingreift, ohne dass das bislang von einem der Dienstherrn auch nur in weiteren Ansätzen reflektiert worden wäre, wenn ich das richtig sehe.

Der BGH versteht in ständiger Rechtsprechung unter einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1
ZPO eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu
einer Sache. Entsprechend liegen zunächst einmal beamtenrechtlich geregelte unmittelbare Rechtsverhältnisse zwischen dem Dienstherrn als juristische Person des öffentlichen Rechts und dem jeweiligen Beamten vor. Durch das Doppelverdienermodell sollten sich nun erweiterte mittelbare Rechtsverhältnisse zwischen dem Dienstherrn und dem verheirateten Lebenspartner des Beamten einstellen. Sobald der Familienergänzungszuschlag gleichfalls an die Kinder(zahl) gebunden wird, sollten m.E. auch hier wiederum erweiterte mittelbare Rechtsverhältnisse zwischen dem Dienstherrn und dem jeweiligen Kind entstehen. Diese mittelbaren Rechtsverhältnisse wiederum sollten allein deshalb schon besonders sorgsam zu betrachten sein, weil ja Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, was sich spätestens durch Art 6 Abs. 5 GG identisch ebenso auf uneheliche Kinder erstreckt. Die jeweiligen besonderen Schutzrechte jener Dritten, die in keinem unmittelbaren Dienstverhältnis zum Dienstherrn stehen, hat nun der Dienstherr - auf den ersten Blick mindestens hinsichtlich des Ehepartners - offensichtlich zu beachten, sollte er also offensichtlich nicht so ohne Weiteres einschränken können, da sich jener Dritte dem Dienstherrn gegenüber in keinem Sonderrechtsverhältnis befindet. Wenn er nun also Spielarten der Residenzpflicht weiterhin aufrechterhalten will, wie sie bspw. in § 72 BBG geregelt wird, sich aber nicht mehr daran gebunden sieht, de facto den amtsangemessenen Gehalt des Beamten und seiner Familie zu garantieren, indem er das Alleinverdienermodell zugunsten des Doppelverdienermodells aufgibt, sollte er nicht nur wie zuvor auch mittelbar in die Freizügigkeit des Dritten eingreifen, sondern nun dem Beamten und seiner Familie dafür keine materielle Kompensation mehr zur Verfügung stellen, die garantierte, dass der Beamte mit seinem Gehalt allein dafür sorgen konnte, dass er und seine Familie amtsangemessen alimentiert worden sind. Sofern diese gerade getätigte - recht allgemeine - Herleitung sich nun als sachlich stichhaltig erweisen sollte, dürften sich weiterhin deutliche Folgen bspw. hinsichtlich von Abordnungen und Versetzungen ergeben. Denn sofern es nun dem Dienstherrn weiterhin gestattet sein sollte, im Sinne des Sonderrechtsverhältnisses die Freizügigkeit des Beamten einzuschränken - und einfachgesetzlich ist das weiterhin in allen Rechtskreisen so geregelt -, ihn also abzuordnen oder zu versetzen, müsste er klären, inwieweit er damit die aus Art. 6 Abs. 1 resultierenden Schutzrechte des oder der Dritten hinreichend beachtete oder eben nicht verletzte, da ja die vormalige Kompensation nun so nicht mehr gegeben wäre (oder in verschiedenen Rechtskreisen heute schon nicht mehr ist).

Es stellte sich von daher die Frage, ob es dem Dienstherrn tatsächlich noch gestattet sein darf, den verheirateten Beamten abzuordnen oder zu versetzen - spätestens also, ob das verhältnismäßig bspw. in dem Moment geschehen könnte, wenn das dazu führen müsste, dass der verheiratete Ehepartner sein Arbeitsverhältnis aufgeben müsste, da es ihm nicht zugemutet werden könnte, ausgehend von dem neuen Wohnort die tägliche Wegstrecke zu ihm zurückzulegen. Auch und gerade deshalb, weil von der Neuregelung als Doppelverdienermodell unmittelbar Dritte betroffen sind, die wiederum in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zum Dienstherrn stehen, wäre es nun zu erwarten gewesen, dass sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung mit solchen sachlichen Fragen auseinandergesetzt hätte. Denn zugleich müsste dann weiterhin geklärt werden - sofern sich innerhalb des geschilderten Rahmens eine Abordnung oder Versetzung nicht in jedem Fall rechtfertigen ließe -, ob dann im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG Abordnungen und Versetzungen überhaupt noch möglich wären. Denn die Ehe und Familie des Beamten sind als solche offensichtlich kein innerdienstliches, unmittelbar amtsbezogenes Kriterium. Insofern stellte sich die Frage, wie es zu rechtfertigen wäre, dass der aus dienstlichen Gründen für eine Versetzung besser geeignete Bundesbeamte auf Grundlage von § 28 (1) BBG wegen seines Familienstands nicht versetzt werden sollte oder könnte, sodass ein anderer, sachlich weniger geeigneter Beamte zu jener anderen Dienststelle versetzt werden würde. Ich sehe zunächst einmal keinen sachlichen - also innerdienstlichen - Grund, der eine solche Entscheidung hinreichend rechtfertigen könnte. Als Folge stände dann aber das gesamte Abordnung- und Versetzungswesens als solches zur Disposition.

Sofern nun aber als Folge des so geregelten Doppelverdienermodells keine Abordnungen oder Versetzungen mehr möglich wären, würde sich andersherum zunächst einmal die Frage stellen, ob ein so geregeltes Besoldungsmodell prinzipiell sachlich begründet werden könnte. Denn zwar hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass dem Gesetzgeber aus dem Alimentationsprinzip keine Verpflichtung erwächst, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können (Rn. 47 der aktuellen Entscheidung). Nicht umsonst verfügt er hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung über einen breiten Gestaltungsspielraum, wie das das Bundesverfassungsgericht an derselben Stelle festgehalten hat. Dieser Gestaltungsspielraum ist jedoch hinsichtlich seiner Breite insofern eingeschränkt, als dass das Bundesverfassungsgericht ebenfalls festgehalten hat, dass der Gesetzgeber, wenn er von der einen auf eine andere Gestaltungsvariante der Besoldung übergeht (also im hier betrachteten Fall von dem Allein- auf das Doppelverdienermodell), neben den vom Alimentationsprinzip gestellten Anforderungen auch den sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge tun muss (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, LS. 3). Wie weiter oben dargelegt, steht zunächst in Zweifel, dass er mit dem Doppelverdienermodell, so wie es bislang konzipiert und vollzogen worden ist, offensichtlich - wie gezeigt - allen sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge tun könnte.

Zugleich handelt es sich aber beim Residenzpflicht ebenfalls um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. Entsprechend muss weiterhin auf die Bedeutung jener hergebrachten Grundsätze als Folge von Art. 33 Abs. 5 GG rekurriert werden. Hierzu hält das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung fest: "Bezugspunkt des auf alle Beamtinnen und Beamten anwendbaren Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht das gewachsene Beamtenrecht, sondern das Berufsbeamtentum (vgl. BVerfGE 117, 330 <349>). In ihrem Bestand geschützt sind daher nur diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen, sodass ihre Beseitigung das Berufsbeamtentum als solches antasten würde" (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 -,  Rn. 119). Sofern nun also als Folge der konkreten Regelung des Doppelverdienermodells die Residenzpflicht auch nicht in einer spezifischen Spielart mehr aufrechterhalten werden könnte, würde aber als Folge eine Regelung vorliegen, die offensichtlich nicht nur sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend Genüge tun würde, sondern ebenso würde sie damit eine jener Regelungen verletzen, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen, sodass ihre Beseitigung das Berufsbeamtentum als solches antasten würde. Auch von daher sollte sich in diesem Fall ein so geregeltes Doppelverdienermodell - unabhängig von den weiteren Problematiken, die hier im Forum bereits wiederholt betrachtet worden sind - nicht vor Art. 33 Abs. 5 GG sachlich rechtfertigen lassen.

Ergo: Mit all diesen Fragen hätte sich der Gesetzgeber beim Übergang von der einen Gestaltungsvariante - dem Alleinverdienermodell - auf die andere - auf das Doppelverdienermodell - auseinandersetzen müssen, um ausschließen zu können, dass er mit der konkreten einfachgesetzlichen Regelung nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht verstößt, wie es sich nicht nur aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt, sondern auch aus weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie sich bspw. aus Art 3 Abs. 1 ergeben. Da auch das ein weiteres Mal bislang in keinem Gesetzgebungsverfahren geschehen ist, dürfte mit guten Gründen davon ausgegangen werden, dass die jeweiligen Gesetzgeber hier nun erneut nicht ihren prozeduralen Pflichten hinreichend nachgekommen sind, was ebenfalls dazu führen könnte oder dürfte, dass die entsprechenden Regelungen verfassungswidrig sind - darüber hinaus ist aber das Schöne, dass nun offensichtlich auch der Bundesgesetzgeber einen entsprechenden Übergang von der einen auf die andere Gestaltungsvariante ab dem nächsten Jahr zu planen scheint, sodass er dort dann ausreichend Gelegenheit hat, all die vielen Zweifel und Problematiken, die mit der Aufgabe des Alleinverdienermodells im Raum stehen und bereits vielfach in den bereits vollzogenen Gesetzgebungsverfahren zur Sprache gekommen sind, nun sachgerecht und hinreichend umfassend aus dem Weg zu räumen. Bestimmt werden ihm dort bspw. der Wissenschaftliche Dienst, aber auch andere Sachverständige umfangreich zur Verfügung stehen, die zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls keine sachgerechten Antworten wissen werden, dem Bundesgesetzgeber aber genügend Probleme und Fragen mit auf dem Weg geben, dass es ihm ein Leichtes sein wird, sie durch ein verfassungsrechtlich geregeltes Gesetzgebungsverfahren sachlich aus dem Weg zu räumen.
« Last Edit: 12.06.2023 12:41 von SwenTanortsch »

NochEinMecklenburger

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4381 am: 12.06.2023 13:08 »

Für mich riecht das mach alle unter z.B. A8 bekommn durch Abschmelzbeträge das Gleiche.
Das ist in Mecklenburg-Vorpommern seit ein paar Jahren tatsächlich Realität. In meinem Verfahren vor dem VG trug das Land vor, durch § 73 LBesG M-V liege keine verfassungwidrige Alimentation vor. Dafür fügte es auch eine Tabelle bei, aus der sich ergab, dass alle Besoldungsgruppen bis A7 oder A8 (je nach Jahr; Erinnerung zurzeit etwas vage, müsste es nachsehen) durch den Zuschlag dasselbe Brutto haben. Das Gericht zeigte sich in der mündlichen Verhandlung auch erstaunt und führte von sich aus das Abstandsgebot an. Dem Land fiel dazu dann auch nicht mehr viel ein.  ::)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4382 am: 12.06.2023 13:16 »
PS. Der Abschnitt ab "darüber hinaus ist aber das Schöne, dass nun offensichtlich auch der Bundesgesetzgeber einen entsprechenden Übergang von der einen auf die andere Gestaltungsvariante ab dem nächsten Jahr zu planen scheint, sodass er dort dann ausreichend Gelegenheit hat, all die vielen Zweifel und Problematiken, die mit der Aufgabe des Alleinverdienermodells im Raum stehen und bereits vielfach in den bereits vollzogenen Gesetzgebungsverfahren zur Sprache gekommen sind, nun sachgerecht und hinreichend umfassend aus dem Weg zu räumen. Bestimmt werden ihm dort bspw. der Wissenschaftliche Dienst, aber auch andere Sachverständige umfangreich zur Verfügung stehen, die zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls keine sachgerechten Antworten wissen werden, dem Bundesgesetzgeber aber genügend Probleme und Fragen mit auf dem Weg geben, dass es ihm ein Leichtes sein wird, sie durch ein verfassungsrechtlich geregeltes Gesetzgebungsverfahren sachlich aus dem Weg zu räumen" ist von mir missverständlich formuliert und setzt ggf. Gerüchte in die Welt, für die es keinen sachlichen Beleg gibt. Leider kann ich ihn nun nicht mehr löschen, da das nur zeitlich begrenzt möglich ist und der Zeitraum dafür mittlerweile überschritten ist. Der Gesetzentwurf des Bunds, mit dem er zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation zurückkehren will, lässt keine Planungen für entsprechende Regelungen erkennen, vgl.

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAngG.pdf;jsessionid=D208117B3B18F99286CED62358D67BFD.2_cid287?__blob=publicationFile&v=3

und

https://ikt-bayern.verdi.de/beamte/++co++edfe9326-e273-11ed-ada4-001a4a160110

OpaJürgen

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4383 am: 12.06.2023 15:48 »
Vor dem Hintergrund, was sich HH letztes Jahr bereits mit der - völlig unzureichenden - temporären sog. Angleichungszulage ausgedacht hat und dass es sich bzgl. der Besoldung mit den anderen Nordländern, welche ähnliche Modelle eingeführt haben, abstimmt, war wohl leider nichts anderes zu erwarten, aber es sorgt dann doch für sehr schlechte Laune.

Bisher stieß der Entwurf auch auf massive Ablehnung, ich befürchte, viel ändern wird das aber leider nicht. Ende Juni sollten die Stellungnahmen der Gewerkschaften und damit auch der Gesetzentwurf öffentlich werden. Man kann nur hoffen, dass das BVerfG sich mit seinen „demnächst“  anstehenden Entscheidungen beeilt, damit das Gesetz noch im Gesetzgebungsverfahren aufgehalten wird / werden muss.

HH scheint das Thema Besoldung aktuell generell anzugehen. Ende letzter Woche wurden Teilwiderspruchsbescheide versendet, die Odyssee geht weiter…

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4384 am: 12.06.2023 17:35 »
M.E. passen bei einer Umstellung auf das Doppelverdienermodell auch die ganzen Vergleiche die das BVerfG zur Überprüfung einer verfassungsgemäßen Beamtenbesoldung aufgestellt hat nicht mehr. Ob die Bezüge evident unzureichend sind, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der
konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden. Beim Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder, wird man wohl auch mit Doppelverdienern vergleichen können. Welche Vergleichsgruppe bei der Betrachtung in Frage kommt, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten wird, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Es kann aber meiner Meinung nach nicht sein, dass die 4-köpfige Doppelverdienerbeamtenfamilie mit der 4-köpfigen Bürgergeldfamilie verglichen wird.
Des weiteren stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Partner des Beamten/der Beamtin kein Erwerbseinkommen hat, aus welchem Grund auch immer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier eine fiktive pauschale Doppelverdienerfamilie angesetzt werden kann.

InVinoVeritas

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4385 am: 12.06.2023 18:02 »
Aber genau das macht man seit 01.04.2023 mit dem Gesetz zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile in Bayern. Hier wird dem Partner pauschal ein Einkommen von 20.000 Euro unterstellt.  ;D

Ich frage mich nur wie zuversichtlich wir sein dürfen, dass sich solcherlei Taschenspielertricks von den Besoldungsgesetzgebern nicht weiterführen lassen.. ich bin da in den nächsten 5 Jahren sehr skeptisch so lahm wie das alles läuft und die Gesetzgeber einfach verfassungswidrig handeln... Offensichtlich ist Rechtsprechung hierzulande gegenüber reaktionär opportunem Handeln nachrangig:

das lässt sich angesichts der Haushaltslage dem gemeinen Bürger nicht vermitteln. Außerdem möchten die Herrschaften mit allererster Priorität wiedergewählt werden und haben die Medien bzgl. Beamtenbashing auf ihrer Seite.

Opa

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4386 am: 12.06.2023 18:49 »
Servicelink:

Hier nochmal aus 2021 vom Beamtenbund BW:

"Der BBW hätte zwar eine Neuordnung der gesamten Besoldungsstruktur bevorzugt, räumt Rosenberger ein. Doch eine Anhebung der Grundgehälter mitsamt der Einhaltung der Abstandsgebote zwischen den Besoldungsgruppen, sei – auch in Anbetracht der immensen Kosten infolge der Corona-Pandemie – nicht durchsetzbar gewesen. Dies hätte das Land nämlich 2,9 Milliarden Euro mehr pro Jahr gekostet."

https://www.bbw.dbb.de/aktuelles/news/verfassungskonforme-besoldung-das-land-macht-sich-auf-den-weg/

Mit der Begründung hätte er gleich „nämlich“ mit „h“ schreiben können.
Wir haben kein Geld, also verstoßen wir weiter gegen die Rechtsprechung des BverfG.

Darf ich daraus schließen, das ich mit Verweis auf meine allgemeine Haushaltslage künftig keine Einkommensteuer und keinen Soli mehr zahlen muss?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4387 am: 12.06.2023 18:55 »
Wie ich es ja vorhin skizziert habe, verfügt der Gesetzgeber zwar prinzipiell über das Recht, eine Doppelverdienermodell in das Besoldungsrecht zu integrieren - jedoch hat er offensichtlich zunächst einmal die Pflicht, den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Teil der zu gewährenden Nettoalimentation selbst zu gewährleisten (als Folge würden sich verschiedene der von Dir berechtigt skizzierten Fragen zum Prüfverfahren nicht mehr stellen, lotsch). Alles andere ließe sich - wie wiederkehrend gezeigt - offensichtlich auf dem Boden des Grundgesetzes sachlich nicht hinreichend begründen. Und selbst, sofern der Dienstherr dann Besoldungsbestandteile, die über den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Teil der Besoldung hinausreichten, mit einem Doppelverdienermodell vermitteln wollte, dürften ihm noch immer komplexe rechtliche Probleme im Weg stehen. Der Besoldungsgesetzgeber verfügt entsprechend über das prinzipielle Recht, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie nicht als Alleinverdiener unterhalten können müssen - aber ein Doppelverdienermodell sachgerecht zu begründen - also im Rahmen des einfachgesetzlichen und höherwertigen Rechts -, halte ich für ein kaum hinreichend zu erfüllendes Ding, jedenfalls dann, wenn es darum gehen sollte, als Folge im hohen Maße Personalkosten einzusparen. Ein sachgerechtes Doppelverdienermodell wird in einem nur stark eingeschränkten Maße genutzt werden können und also dürfen, um damit Personalkosten einzusparen. Innerhalb eines solchen Rahmens dürfte es statthaft und sachlich auch möglich sein (um dann noch immer eine komplexe Begründung zu erfordern, die ich mir weiterhin sachlich nicht vorstellen kann, was an mir liegen dürfte).

Es wird interessant werden, ob das Bundesverfassungsgericht in der anstehenden Entscheidung indirekte Hinweise zum Doppelverdienermodell geben wird (so wie es das in der aktuellen Entscheidung ebenfalls getan hat), ohne dass dieses weitergehend betrachtet werden könnte, da in den drei Vorlagebeschlüssen ausnahmslos noch das Alleinverdienermodell betrachtet worden ist. Ich gehe davon aus, dass wir hinsichtlich der angekündigten Entscheidungen sachlich einen recht komplexen Begründungskatalog vorfinden werden, was mit eine der Ursachen dafür sein dürfte, wieso die Entscheidungen weiterhin noch nicht veröffentlicht worden sind. Wir können auf jeden Fall davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht weiterhin sachlich seinem Auftrag nachgehen wird, die Kontrolle des Gesetzgebers so zu vollziehen, dass er im Gefolge der Rechtsprechung wieder in den Rahmen der Verfassung zurückkehrt. Zugleich darf man voraussetzen, dass der Zweite Senat die gesetzgeberischen Entscheidungen der letzten drei Jahre sehr genau beobachtet hat und aus ihnen seine Konsequenzen ziehen wird, ohne dass diese selbst in den anstehenden Entscheidungen im Mittelpunkt stehen können, da der Betrachtungszeitraum die Jahre 2005 bis 2016, 2007 sowie 2013 und 2014 umfasst. Meine Zuversicht ist begründet recht hoch, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber noch einmal starke Hürden in den Weg legt, die es ihm deutlich erschweren sollten, den vom Grundgesetz eingezäunten Bereich zu verlassen - am Ende werden es aber politische Prozesse sein, die zu einer Rückkehr auf den Boden des Grundgesetzes führen müssen. In diesem Sinne gehe ich davon aus, dass die streng verfassungsrechtlich begründeten Entscheidungen einen hohen politischen Gehalt haben werden.

Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, ohne das jemand den genauen Zeitpunkt voraussagen könnte, dann werden wir schlauer sein.

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4388 am: 12.06.2023 23:33 »
Das Alleinversorgermodell des BVerfG ist doch eine reine Fiktion, eine fiktive Indikation der Mindestbesoldung. Es sagt ausdrücklich, dass es nicht darum gehe, ob dies (noch) Realität sei. Es gesteht auch zu, eine andere Herangehensweise zu wählen. Das öffnet aber nur den Weg zu einer neuen indikativen Methode, nicht zu einem neuen Ergebnis. Es darf daher nicht sein, dass von den Gesetzgebern eine Metode gewählt wird, die eine deutlich geringere Besoldung gewährt.

Wäre das möglich, würde es bedeuten, dass die 15% Mindestabstand im bisherigen Modell rein beliebig gewählt worden wären. Tatsächlich beruhen sie aber auf der Analyse historischer Mindestabstände, denn es geht ja gerade darum, die althergebrachten Grundsätze des Beamtentums zu bewahren, wie es die Verfassung vorschreibt. Eine analoge Analyse müssten auch die Gesetzgeber auf ihr neues Modell anwenden, um eine konsistente neue Methodik einzuführen. Stattdessen verwenden sie eine neue Methode, übernehmen aber fälschlicherweise einfach die 15% der alten Methode - das ist völlig unsinnig und passt nicht zusammen. Absichtlich.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4389 am: 13.06.2023 07:03 »
Das Alleinversorgermodell des BVerfG ist doch eine reine Fiktion, eine fiktive Indikation der Mindestbesoldung. Es sagt ausdrücklich, dass es nicht darum gehe, ob dies (noch) Realität sei. Es gesteht auch zu, eine andere Herangehensweise zu wählen. Das öffnet aber nur den Weg zu einer neuen indikativen Methode, nicht zu einem neuen Ergebnis. Es darf daher nicht sein, dass von den Gesetzgebern eine Metode gewählt wird, die eine deutlich geringere Besoldung gewährt.

Wäre das möglich, würde es bedeuten, dass die 15% Mindestabstand im bisherigen Modell rein beliebig gewählt worden wären. Tatsächlich beruhen sie aber auf der Analyse historischer Mindestabstände, denn es geht ja gerade darum, die althergebrachten Grundsätze des Beamtentums zu bewahren, wie es die Verfassung vorschreibt. Eine analoge Analyse müssten auch die Gesetzgeber auf ihr neues Modell anwenden, um eine konsistente neue Methodik einzuführen. Stattdessen verwenden sie eine neue Methode, übernehmen aber fälschlicherweise einfach die 15% der alten Methode - das ist völlig unsinnig und passt nicht zusammen. Absichtlich.

Genau hier liegt das zentrale Feld, wieso sich ein Doppelverdienermodell nicht eignen würde, um im hohen Maße Personalkosten zu sparen - es sei denn, der Gesetzgeber könnte innerhalb eines sachgerecht begründeten Doppelverdienermodells nachweisen, dass das Lohnniveau in Deutschland im Zeitraum vor einer deutlichen Besoldungskürzung generell massiv zurückgegangen ist und dass die massive Besoldungskürzung notwendig sei, um innerhalb einer gleichheitsgerecht vollzogenen Haushaltskonsolidierung einen entsprechenden Beitrag der Beamten einzufordern - aber selbst dann dürfte nicht erkennbar sein, wie man so in den verschiedenen Rechtskreisen sachgerecht etliche hunderte Millionen bis mehrere Milliarden an Personalkosten jährlich einsparen könnte, wobei auch das dann höchstwahrscheinlich nur in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation möglich wäre. Ein entsprechender Lohnverlust, wie er dafür allerdings gleichfalls notwendig wäre, um eine sachgerechte Begründung für massive, aber noch verfassungskonforme Gehaltskürzungen vorzunehmen (denn das wird aus dem Blickwinkel einer verfassungskonformen Besoldung und Alimentation seit spätestens 2008 vollzogen: eine massive Besoldungskürzung), sollte sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum innerhalb eines kurzen Zeitraums in Deutschland einstellen, auch wenn jetzt ggf. ein Wohlstandsverlust für große Teile der Bevölkerung ansteht bzw. sich gerade vollzieht. In diesem Sinne kann man das Doppelverdienermodell als reine Fiktion begreifen - das Bundesverfassungsgericht kann allerdings auch das Eintreten eines solchen Wohlstandsverlusts nicht ausschließen, da er zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist und weil der Gesetzgeber eben innerhalb der einfachgesetzlichen und höherwertigen Rechtsnormen das prinzipielle Recht hat, ein sachgerechtes Doppelverdienermodell einzuführen. Genau dieses Recht hat es betont, da es weiterhin davon ausgehen muss, dass der Gesetzgeber sich zukünftig an Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sieht.

Darüber hinaus die weiterhin willkürlichen Maßnahmen der Dienstherrn zu unterbinden, also nun die sachlich nicht begründete Einführung von Doppelverdienermodellen in den verschiedenen Rechtskreisen, wird für das Bundesverfassungsgericht sachlich schwierig sein, solange es gemäß seines Prüf- und Kontrollauftrags diese Modelle noch nicht (tiefgehend) betrachten kann, da sie nicht Teil des Prüf- und Kontrollverfahrens sind. Von daher dürfte davon auszugehen sein, dass das Bundesverfassungsgericht, das diese willkürlichen Ausartungen im Besoldungsrecht natürlich ebenfalls verfolgt, nach sachlichen Mitteln und Wegen sucht, sie zu unterbinden, ohne dabei seinen Prüf- und Kontrollauftrag außerhalb seines Verfassungauftrag zu überdehnen - denn überdehnte es diesen, handelte es prinzipiell nicht anders als die Gesetzgeber. Darin dürfte eines der sachlich komplexen Probleme des Bundesverfassungsgerichts liegen, die wiederum mit dazu führen dürften - denke ich -, wieso die Veröffentlichung der anstehenden Entscheidungen weiterhin auf sich warten lässt. In diesem Sinne hatte ich vor geraumer Zeit hier im Forum geschrieben, dass das Interesse der Betroffenen eher auf Genauigkeit und weniger auf Schnelligkeit abzielt, wenn auch das Warten an den Nerven zehren kann.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4390 am: 13.06.2023 09:14 »
Danke an Swen und Nordwest für die Erläuterungen. Ich habe jetzt verstanden, dass dass bisherige Prüfkriterium des BVerfG, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten wird, durch die Einführung des Doppelverdienermodells obsolet geworden ist. Statt des bisherigen 15- %-Abstands beim Einverdienermodell müsste beim Doppelverdienermodell rein fiktiv z.B. ein Abstand von 115 %, oder 100 %, oder so ähnlich, festgesetzt werden. Diesen neuen Mindestabstand müsste der Besoldungsgesetzgeber natürlich im Gesetzgebungsverfahren erläutern und prozeduralisieren. Da bin ich ja mal gespannt. Faktisch gesehen will der Besoldungsgesetzgeber dadurch nur Zeit gewinnen und Personalkosten sparen. Er schickt seine Beamten erneut in einen Widerspruchs- und Klagezyklus in dieser unendlichen Geschichte.

SwenTanortsch

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« Antwort #4391 am: 13.06.2023 12:02 »
Offensichtlich habe ich das, was ich sagen wollte, nicht hinreichend klar formuliert, lotsch; die Materie ist weiterhin komplex - ich versuche es entsprechend noch einmal von einer anderen der vielen Seiten der Materie her: Ich denke, dass durch die Einführung eines Doppelverdienermodells die bisherige Methodik zur Bemessung der Mindestalimentation und der Vergleich mit der tatsächlich gewährten Nettoalimentation im einfachen Dienst als der von der Qualifikation her heranzuziehenden Vergleichsgruppe nicht obsolet geworden ist, sondern vielmehr gehe ich davon aus, dass der Dienstherr selbst eine Besoldung zu garantieren hat, die am Ende hinsichtlich des einfachen Diensts eine gewährte Nettoalimentation oberhalb der Mindestalimentation gewährte, unabhängig davon, ob nun der betreffende Beamte seine Familie als Alleinverdiener ernährte oder nicht. Denn die Mindestalimentation umfasst den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Teil der zu gewährenden Nettoalimentation, in den keine Einschnitte möglich sind. Sofern also der Gesetzgeber nur eine Alimentation unterhalb der Mindestalimentation gewährt(e) und meinte, den fehlenden Betrag könnte ein Dritter übernehmen, nimmt er einen Einschnitt in den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Teil der zu gewährenden Alimentation vor, was verfassungswidrig und ihm deshalb nicht gestattet ist.

Entsprechend kann der Gesetzgeber sicherlich ein Doppelverdienermodell vollziehen, worauf ihn das Bundesverfassungsgericht in der Betonung seines prinzipiellen Rechts aktuell hinweist - aber zunächst einmal hat er weiterhin selbst den Mindestabstand zur Grundsicherung zu garantieren; denn niemand anders kann diese Garantie hinreichend gewährleisten, so wie auch niemand anderes als der Dienstherr über die Arbeitskraft seiner Beamten uneingeschränkt verfügen kann. Auf Grundlage dieser Garantie(n) kann der Besoldungsgesetzgeber dann weiterhin Bemessungen sachgerecht begründen, um mittels eines Doppelverdienermodells im Rahmen des Abstandsgebots zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen statthafte Personalkosteneinsparungen vorzunehmen, denke ich. Sowohl die hinreichende Begründung dieses Vorgehens als auch die Prüfungsmethodik seines Vorgehens, mit der er seine Begründung vorbereitet und absichert, sind dann gleichfalls seine Aufgabe im Gesetzgebungsverfahren und dürften im Anschluss, sofern die Besoldung beklagt werden würde, von den Gerichten auf den jeweils sachgerechten Gehalt hin geprüft, also entsprechend kontrolliert werden. Die sachgerechte Einführung eines Doppelverdienermodells dürfte so verstanden zu einem erheblichen Begründungsaufwand für den Gesetzgeber führen, was ihn nicht daran hindern sollte, diesen Aufwand zu betreiben, wenn er die Aufwandbetreibung für richtig erachtet. In Anbetracht des geringen Potenzials, das mit dem Doppelverdienermodell hinsichtlich von Personalkosteneinsparungen einhergeht, wird ihm dann sein Scheitern an einer sachgerechten Begründung im Anschluss sicherlich kaum wehtun, nicht zuletzt, weil jeder Gesetzgeber, der sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegt, in Rechnung stellt, dass ihm nicht begründbare Entscheidungen verwehrt sind, weshalb er nur sachgerecht begründbare Entscheidungen vollziehen wird. Gesetzgeber, die nicht entsprechend handelten, sich also vom Boden des Grundgesetz absentierten, könnten dann ja immer noch überlegen, ob sie sich um eine andere Staatsbürgerschaft und dort um ein anderes Abgeordnetenmandat bewerben wollten: Denn wer die Werte unseres Grundgesetzes nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Ich denke, dieser Satz ist nicht erst durch seinen Kontext für jeden zeitlos wahr, der ausnahmslos fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht.

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4392 am: 13.06.2023 15:29 »
Im GG gesichert sind die alterhergebrachten Grundsätze des Beamtentums. Dazu gehört laut BVerfG ein Mindestabstandsgebot. Dies gilt es in der Tat zu methodisieren. Das BVerfG hat mit seiner Methode (fiktives Alleinverdienermodell) festgestellt, dass 15% oberhalb des Grundsicherungsniveaus althergebracht die Untergrenze der Besoldung darstellen und betont, dass dies weiter einzuhalten ist - aber dass alternativ auch ein neuer Ansatz gewählt werden kann.

Wenn nun aber ein Gesetzgeber eine neue Methode wählt, muss er dies ebenfalls systemgerecht tun und darauf achten, dass er mit dieser Methode die althergebrachte Untergrenze einhält. Er müsste also seine Methode daraufhin überprüfen, ob in einer Vergangenheitsbetrachtung diese Methode die früher eingehaltenen Abstände zur sozialen Grundsicherung ebenfalls eingehalten hätte. Nur dann wäre diese neue Methode genauso zielführend wie die des BVerfG, um festzustellen, ob die althergebrachte Untergrenze eingehalten wird.

Stattdessen erfindet der Gesetzgeber aber mitunter eine neue Methode, führt kein Backtesting durch, sondern behauptet einfach, dass auch bei dieser Methode 15% Aufschlag ausreichten, um die althergebrachte Untergrenze zu erreichen. Das ist methodisch aber völlig falsch, denn es richtet sich eben nicht wie vorgeschrieben an althergebrachten und empirisch geprüften Grundsätzen.

Die Kontinuität der Besoldungsgrundsätze ist das entscheidende Verfassungselement und genau diese Kontinuität müsste daher jede neue Methodik in einem Backtest überstehen. Die Kontinuität versuchen die Gesetzgeber aber mit ihren neuen Methoden verfassungswidrig zu durchbrechen, um Geld zu sparen.

InternetistNeuland

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4393 am: 13.06.2023 17:22 »
Soweit ich weiß gilt bei der Grundsicherung das Zufluss Prinzip. Sollte der Ehegatte also keine Einkünfte haben kann diesem natülich auch kein fiktives Einkommen angerechnet werden, da ja kein Geldfluss vorhanden ist.

Opa

  • Gast
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4394 am: 13.06.2023 17:36 »
Vor allem gilt in der Grundsicherung, dass Einkommen nicht vermutet sondern nachgewiesen wird. Es gibt mit Sicherheit eine mehr als nur zu vernachlässigende Zahl an Beamten-Ehegatten, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen daran gehindert sind, ein Erwerbseinkommen von 20.000 Euro pro Jahr zu erwirtschaften. Da fängt an bei Betreuungspflichten und reicht bis zu gesundheitlichen Einschränkungen.

Auf der anderen Seite gibt es aber ganz sicher auch Beamten-Ehegatten in ebenfalls nicht unerheblicher Zahl, die ein persönliches Jahreseinkommen in 6-stelliger Höhe haben. Und schon sind wir wieder bei der Frage der (Un-) Gleichbehandlung.