Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2700158 times)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4455 am: 29.06.2023 23:25 »
Neue kuriose Urteile:

VG Gießen, 19.05.2023 - 5 L 855/23 (Richterbesoldung in Hessen)

https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE230004633

Zitat
Es ist fraglich, ob Art. 19 EUV sowie Art. 47 EU-GR-Charta dahin auszulegen sind, dass ihnen die im Mitgliedstaat des vorlegenden Gerichts bestehenden Regelungen der Richterbesoldung im Gesetz zur weiteren Anpassung der Besoldung und Versorgung im Jahr 2023 sowie im Jahr 2024 des Bundeslandes Hessen (Drucksache des Hessischen Landtages 20/9499) dann entgegenstehen werden, wenn das Bundesland Hessen nicht innerhalb einer vom EuGH zu bestimmenden Frist nach der Zustellung der Entscheidung des EuGH eine europäischen Standards entsprechende Richterbesoldung in Geltung gesetzt haben wird.

In einem Asyl-Verfahren wird dem EuGH jetzt die Richterbesoldung vorgelegt?  :o


Die Entscheidung ist tatsächlich auf den ersten Blick kurios - auf den zweiten dann schon weniger, wenn man sich zunächst einmal eingelesen hat und eben beachtet, dass hier dem EuGH ein Eilantrag vorgelegt wird, sodass die Begründung zwangsläufig auf diesen zugeschnitten ist, was hinsichtlich der Lesegewohnheit mit Blick auf Vorlagebeschlüsse über besoldungsrechtliche Fragen zunächst gewöhnungsbedürftig ist. Die Klage und ihre Begründung gliedert sich in zwei Stränge:

1. Beim Antragssteller handelt es sich um einen russischen Staasbürger, der Ende Dezember 2022 in die Bundesrepublik eingereist und hier einen Asylantrag gestellt hat. Im Asylverfahren ist deutlich geworden, dass er über Kroatien nach Deutschland eingereist ist, was sich insbesondere über einen Abgleich von Fingerabdrücken ergeben hat. Die kroatischen Behörden erklärten im Januar 2023 im Rahmen eines Übernahmeersuchens ihre Zuständigkeit im Rahmen des Dublin-Verfahrens; der Antragssteller hat zugegeben in Kroatien gewesen zu sein und hat hervorgehoben, dass er dort unmenschlich behandelt worden sei und deshalb in Deutschland bleiben wolle. Sein Asylantrag ist daraufhin im März 2023 als unzulässig abgewiesen worden; die Begründung des Antragsstellers wurde als sachlich nicht stichhaltig zurückgewiesen. Zuständig sei hingegen als Folge der Dublin-Regelung Kroatien. Als Folge wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in der Bundesrepublik und die Abschiebung angeordnet; diese kann seitdem jederzeit vollzogen werden. Im April 2023 hat der Antragssteller beim VG Klage und einen Eilantrag gegen diese Bescheidung gestellt.

2. Das VG hebt nun hervor, dass es einen Verwaltungsakt zu prüfen habe. Dabei könne nur eine sachgerechte Prüfung den wirksamen Rechtsschutz und das Recht des Antragsstellers auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie auf ein unparteiisches Gericht garantieren, das sich jeweils aus Rechtsakten der EU ergibt. Denn nur so könne ein unionsweit einheitlicher Raum des gemeinsamen Rechts tatsächlich verwirklicht werden und könnten alle Mitgliedstaaten loyal zusammenarbeiten.

Während es also im ersten Strang der Entscheidung um die Frage geht, ob der Antragssteller einem Aufenthaltsverbot in Deutschland und damit zwangsläufig der Abschiebung unterliegt, geht es in ihrem zweiten Strang darum, ob das angerufene Gericht eine hinreichenden Rechtsschutz und damit verbunden einen wirksamen Rechtsbehelf sowie die eigene Unparteilichkeit garantieren könne, womit nun die in den Leitsätzen und im Tenor aufgeworfenen Fragen an den EuGH ihren Sinn entfalten. Denn sofern das nicht der Fall wäre, könnte das VG den Rechtsschutz ggf. nicht hinreichend garantieren, da es dazu ggf. nicht hinreichend unabhängig wäre. Entsprechend führt das Gericht hinsichtlich der festgestellten Zulässigkeit der Vorlage aus (Hervorhebung durch mich): "Gemeinsam ist diesen europarechtlichen Vorgaben eine wirksame Sicherung der Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Richterinnen und Richter, wobei nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH gerade eine der Bedeutung der richterlichen Funktion entsprechende Vergütung eine wesentliche Garantie für eine wirksame richterliche Unabhängigkeit darstellt (EuGH, Urteil vom 07.02.2019 – C-49/18; ferner s. EuGH, Urteil vom 27.02.2018 – C-64/16)."

Entsprechend geht es nun im Kern um die vom VG dem EuGH vorgelegte Frage, ob der zu garantierende Rechtschutz, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und die richterliche Unparteilichkeit hinreichend gegeben seien, sofern das Bundesland Hessen mit dem aktuellen Besoldungsgesetz in den Jahren 2023 und 2024 "nicht innerhalb einer vom EuGH zu bestimmenden Frist nach der Zustellung der Entscheidung des EuGH eine europäischen Standards entsprechende Richterbesoldung in Geltung gebracht haben wird". Das VG sieht nun die richterliche Unabhängigkeit, die als Folge des Grundsatzes des wirksamen gerichtlichen Schutzes der Rechte aus dem Unionsrecht garantiert sein müsse, als durch die im Sinne des Art. 33 Abs. 5 nicht amtsangemessene Alimentation als nicht hinreichend garantiert an, was es entsprechend begründet, um seine Vorlage so dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Da der Antragssteller von der - ggf. nicht sachgerechten - Abschiebung bedroht ist, aber auch die Rechtswirksamkeit weiterer gerichtlicher Asyl-Entscheidungen ggf. nicht garantiert werden könne, wird die Entscheidung des VG als Eilantrag formuliert. Zugleich stellt die Vorlage wiederkehrend auf eine amtsangemessene Grundbesoldung ab und führt entsprechend bspw. aus:

"Im Bundesland Hessen beträgt das monatliche Einstiegsgrundgehalt von Richterinnen und Richtern in der Besoldungsgruppe R 1 brutto 4.663,29 Euro (ab dem 01.08.2023: brutto 4.751,43 Euro und ab dem 01.01.2024: brutto 4.893,97 Euro). Das monatliche Endgrundgehalt, das nach 18 Dienstjahren erreicht werden kann, liegt zwischen brutto 6.897,22 Euro am 01.04.2023 und brutto 7.455,56 Euro am 01.01.2024; in der Besoldungsgruppe des Beförderungsamtes R 2 liegt das monatliche Grundgehalt zwischen brutto 5.965,55 Euro und im monatlichen Endgrundgehalt bei brutto 8.136,84 Euro. Hinzu kann jeweils ein Familienzuschlag kommen, der je nach Familienstand und Kinderanzahl erhöht worden ist. Daran wird jedoch kritisiert, dass durch einen übermäßigen Familienzuschlag die Einstiegsgehälter nicht mehr konkurrenzfähig seien. Denn Berufsanfänger seien oft nicht verheiratet und hätten auch nicht typischerweise Kinder. Es wird ausdrücklich herausgestellt, dass die Besoldung dann für Unverheiratete oder Kinderlose nicht mehr akzeptabel sei (hierzu s. Stuttmann, NVwZ-Beilage 2020, 83, 88). Das vorlegende Gericht merkt hierzu an, dass das Verheiratet-Sein und das Kinder-Haben als solches keinen maßgeblichen Einfluss auf das diskriminierungsfrei zu gewährende Arbeitsentgelt (Art. 3 Abs. 1 c RL 2000/78/EG) haben darf. Denn die Verknüpfung der Besoldung, die die berufliche Hingabe und Leistungsbereitschaft der Richterinnen und Richter würdigen soll, mit den Merkmalen „Ehe“ und „Elternstellung“, die beide einen privaten – wenngleich häufig gewählten – Lebensentwurf darstellen, steht möglicherweise in der Nähe zu einem Verstoß gegen die in Art. 1 RL 2000/78/EG genannten verpönten Diskriminierungsmerkmale, wobei das zugleich herausgestellt wird, dass der besondere Schutz von Ehe und Familie durch Privilegien im Steuer- und Sozialversicherungsrecht – insbesondere im Krankenversicherungs- und Beihilferecht – zu verwirklichen und dort gerechtfertigt und geboten ist. Dieser Schutz von Ehe und Familie ist aber nicht aber mit den Mitteln einer nur ein Lebensmodell einseitig unterstützenden Vergütungsbemessung sicherzustellen. Denn zu vergüten ist allein die dienstliche Hingabe, nicht aber die private Familiensituation."

Zugleich hebt die Vorlage hervor, dass das Land Hessen weiterhin eine gezielt nicht amtsangemessene Alimentation gewährt, wie es das eben in der aktuellen Gesetzesbegründung selbst formuliert hat. Entsprechend führt das VG aus:

"Das Bundesland Hessen hat die Besoldungshöhe im Gesetz zur weiteren Anpassung der Besoldung und Versorgung im Jahr 2023 sowie im Jahr 2024 (Drucksache des Hessischen Landtages 20/9499) festgelegt. Aus der Begründung zu diesem Gesetz ist aber zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst hinter den Vorgaben zurückbleibt, die nach dem mitgliedstaatlichen Verfassungsrecht mindestens einzuhalten sind. In der Gesetzesbegründung heißt es wörtlich:

    'Dieses Gesetz zielt deshalb nicht darauf ab, die Schließung der vom VGH [Verwaltungsgerichtshof] für Hessen festgestellten Alimentationslücke hinsichtlich des Abstandes der Netto- zur Mindestalimentation für eine vierköpfige Familie von zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit nur einem Familieneinkommen bis zum Jahr 2024 bereits vollständig zu erreichen, sondern es sollen im Rahmen der bestehenden finanziellen Möglichkeiten auf Grundlage der für die Bemessung der ausreichenden Alimentation erforderlichen und bereits gesicherten Datengrundlage erste Maßnahmen zur Behebung des bestehenden Alimentationsdefizits ergriffen werden.' (Seite 2 der Gesetzesbegründung, online einsehbar unter: http://starweb.hessen.de/cache/DRS/20/9/09499.pdf)."

Nun gut, im Kern stellt das VG klar, dass es seiner Meinung nach erst dann hinreichend sachgerecht über den ersten Strang des Verfahrens entscheiden könne, sofern das EuGH feststellen würde, dass die richterliche Unabhängigkeit und damit verbunden der hinreichende Rechtsschutz sowie ein wirksamer Rechtsbehelf von einer deutlichen Unteralimentation der von ihr betroffenen Richter nicht maßgeblich beeinträchtigt werden würden. Damit dürfte nun mit dem EuGH ein weiterer Akteur die Besoldungsbühne betreten, womit mindestens weitere Facetten an diesem an Komplexität nicht armen Thema sichtbar werden dürften.

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4456 am: 30.06.2023 00:36 »
Kurz und Knapp: Die hessischen Richter bekommen zu wenig, weshalb es sein könnte, dass sie nicht unabhängig sind?

xap

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4457 am: 30.06.2023 06:48 »
Kurios trifft es wohl ganz gut. Das VG ist der Meinung nicht korrekt arbeiten zu können, weil die Alimentation zu niedrig ist und packt das in die Vorlage zum EuGH? Nun gut, immerhin haben die Richter so die Möglichkeit auf die Missstände hinzuweisen, die seit Jahren von der Politik ignoriert werden. Welcher normale Beamte hat diese Möglichkeit schon. Vielleicht sollte ich mir angewöhnen in jedes Dokument einen Textbaustein aufzunehmen, dass für die Arbeitsqualität keine Haftung übernommen wird, bis nicht das Entgelt endlich konform zur Verfassung ist.

DrStrange

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4458 am: 30.06.2023 08:01 »
Kurz und Knapp: Die hessischen Richter bekommen zu wenig, weshalb es sein könnte, dass sie nicht unabhängig sind?

So kann man das sehen.

"Gemeinsam ist diesen europarechtlichen Vorgaben eine wirksame Sicherung der Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Richterinnen und Richter, wobei nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH gerade eine der Bedeutung der richterlichen Funktion entsprechende Vergütung eine wesentliche Garantie für eine wirksame richterliche Unabhängigkeit darstellt (EuGH, Urteil vom 07.02.2019 – C-49/18; ferner s. EuGH, Urteil vom 27.02.2018 – C-64/16)."

Dogmatikus

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4459 am: 30.06.2023 08:20 »
So kurios ist das nicht. Im EU-Vergleich sind gerade in den Ländern Besoldungen im oberen Bereich, in denen es zu erwarten wäre, dass Gericht und Staatsanwaltschaft eben nicht unabhängig arbeiten, sondern sich gerne "nebenher bezahlen" lassen.

Soll das VG nun über einen europaweiten Sachverhalt im Rahmen der Abschiebung entscheiden, müsste erstmal sichergestellt sein, dass sie überhaupt unabhängig sind. Im Hinblick auf Polen wird das ja immer wieder gerne diskutiert, warum also nicht auch für Deutschland?

Der Obelix

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4460 am: 30.06.2023 08:32 »
Als Richter 4600€ Brutto. Tja da fällt einem nichts mehr ein. Schön dass immer von Attraktivität des öffentlichen Dienstes gefaselt wird. Aber das sind leider nur alles leere Worthülsen.

Ab 2003 hat man die Besoldungsfestung sturmreif geschossen.....Wobei, es war ja mehr ein Festüngchen

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4461 am: 30.06.2023 08:48 »
Ergibt sich dadurch irgendeine Möglichkeit für Beamte sich auf EU-Recht zu berufen und einen Vorlagebeschluss an den EuGH zu beantragen? Schließlich erlassen Beamte Verwaltungsakte und sind ein wichtiger Teil der Eingriffsverwaltung.

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4462 am: 30.06.2023 08:51 »
Tja, ich möchte nicht wissen wie viele sich "schmieren" lassen. Bei dem Geld würde es mich nicht wundern.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4463 am: 30.06.2023 09:27 »
Ergibt sich dadurch irgendeine Möglichkeit für Beamte sich auf EU-Recht zu berufen und einen Vorlagebeschluss an den EuGH zu beantragen? Schließlich erlassen Beamte Verwaltungsakte und sind ein wichtiger Teil der Eingriffsverwaltung.

Das VG hebt den prinzipiellen Unterschied zwischen einem Verwaltungsakt und der Rechtsprechung hervor und betont, dass allein Richter anders als Beamte originäre Garanten des effektiven Rechtsschutz seien, da letzterer durch die richterliche Kontrollfunktion, nicht aber durch Verwaltungsakte garantiert werde. Hinsichtlich Hessens ist dabei die gesamte Passage, in deren Rahmen die Darlegung erfolgt, interessant:

"Allein Richterinnen und Richter sind – anders als Beamtinnen und Beamte – originäre Garanten eines effektiven Rechtsschutzes. Auch stehen bestimmte staatliche Eingriffe unter einem Richtervorbehalt. Insoweit werden gerade Richterinnen und Richter als Garanten von Verfahrensgrundrechten zur Sicherung von Freiheiten insbesondere in ein staatliches Handeln eingebunden, das einen Eingriff in die (Bewegungs-)Freiheit und den Wohnungsbereich darstellt. Diese das staatliche Eingriffshandeln kontrollierende Einbindung richterlicher Funktionstätigkeit ist bei der Bemessung der Besoldungshöhe abzubilden, was sich aus der Gesetzesbegründung aber nicht ergibt. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass Richterinnen und Richter im Bundesland Hessen – anders als Beamtinnen und Beamte sowie (!) Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – keine Zeitgutschriften auf einem Lebensarbeitszeitkonto nach § 1a der Verordnung über die Arbeitszeit der hessischen Beamtinnen und Beamten (Hessische Arbeitszeitverordnung - HAZVO) in der Fassung vom 15. Dezember 2009 (GVBl. I S. 758). Dazu hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass das für hessische Richterinnen und Richter geltende einfache Recht eine Zuteilung richterlicher Arbeit in Zeiteinheiten nicht vornehme, sondern im Gegenteil davon ausgehe, dass für Richterinnen und Richter keinerlei Vorgaben im Hinblick auf Arbeitszeiten gelten. Die beamtenrechtlichen Regelungen der Arbeitszeit, zu denen auch die das Lebensarbeitszeitkonto betreffenden Vorschriften zählten, fänden vor diesem Hintergrund auf hessische Richterinnen und Richter keine entsprechende Anwendung (Hess. VGH, Urteil vom 28.10.2021 – 1 A 2254/17). Insoweit werden Richterinnen und Richter gegenüber Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in finanzieller Hinsicht sogar schlechter gestellt, was bereits für sich genommen schwerlich mit dem Standard der europarechtlich zu beachtenden Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 c) RL 2000/78/EG zu vereinbaren sein dürfte. Auch die seit dem 01.04.2023 bestehende geringe Besserstellung von Richterinnen und Richtern gegenüber Beamtinnen und Beamten durch den Wegfall der ersten beiden Erfahrungsstufen in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 gleicht diese Schlechterstellung gegenüber Beamtinnen und Beamten nicht ansatzweise aus, zumal dieser Erfahrungsstufenwegfall auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zugutekommt, denen unabhängig davon ein Lebensarbeitszeitkonto offensteht."

Insgesamt liegt in Hessen der besondere Fall vor, dass der Gesetzgeber - ähnlich (wenn auch nicht identisch) wie bspw. der Bund - als Folge der VGH-Entscheidung in der Gesetzesbegründung offen zugegeben hat, dass die gewährte Alimentation unzureichend ist. Das Vorgehen des VG kann es ggf. auch Gerichten in anderen Bundesländern insbesondere in Asyl-Verfahren ermöglichen, in denen es also um zwischen den Mitgliedsstaaten abgestimmtes und vereinheitlichtes EU-Recht wie das Dublin-Verfahren geht, die nicht amtsangemessene Alimentation und Besoldung vor den EuGH zu bringen. Damit würde wie gesagt ein weiterer Akteur auf der Bühne erscheinen, was mittelfristig zu Abstimmungsprozessen zwischen dem EuGH und dem Bundesverfassungsgericht führen müsste - wobei beide weiterhin ein Dissens hinsichtlich der Frage des jeweiligen Vorrangs der Rechtssprechung in Grundrechtsfragen haben. Die spannungsgeladene Situation könnte insofern ggf. durch eine zunehmende Komplexität noch vergrößert werden - insbesondere sofern die (dann notwendigen) Abstimmungsprozesse zwischen dem EuGH und dem Bundesverfassungsgericht nicht zu einer gemeinsamen Sicht auf die Dinge führen sollten.

Der Obelix

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« Antwort #4464 am: 30.06.2023 09:58 »
Oder um es kurz zu sagen für alle Besoldungsgesetzgeber:

Ladys and Gentlemen: "EUGH is in da house".

Ozymandias

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« Antwort #4465 am: 30.06.2023 10:21 »
Oder um es kurz zu sagen für alle Besoldungsgesetzgeber:

Ladys and Gentlemen: "EUGH is in da house".

Bei einem Eilverfahren dürfte da glaube ich eher nicht viel rauskommen.

Wenn sich EuGH und BVerfG anfangen zu streiten, darf man aber sein Popcorn rausholen.
Die Ansichten des EuGH zu einem europarechtlich konformen und auch korruptionsbeständigen Besoldungsgefüge dürften sehr interessant werden.

Leider sind die EuGH-Entscheidungen für Laien nicht immer leicht verständlich und ich habe keine Ahnung was es da bisher an Rechtsprechung bezüglich Besoldungen gibt.

Der EuGH darf sich aber gerne an den EU-Gehältern orientieren.

Laut dieser Tabelle:
https://oeffentlicher-dienst.info/beamte/eu/besoldungsgruppen.html

entspricht AD 10 ungefähr A14 der deutschen Besoldungsordnung.
Spanne 8201 Euro bis 10499 Euro. In den Bundesländern ist bei rund ~6.500 Euro Schluss.

Also der EuGH darf da gerne die Besoldung harmonisieren.  8) Bitte in der Warteschlange bei den Porsche hinten anstellen, wenn es die extra 4.000 Euro mehr pro Monat gibt.  ;D ;D ;D

PolareuD

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« Antwort #4466 am: 30.06.2023 11:22 »
Laut dieser Tabelle:
https://oeffentlicher-dienst.info/beamte/eu/besoldungsgruppen.html

entspricht AD 10 ungefähr A14 der deutschen Besoldungsordnung.
Spanne 8201 Euro bis 10499 Euro. In den Bundesländern ist bei rund ~6.500 Euro Schluss.

Hier mal etwas aktuellere Zahlen von 2020:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020XC1211(01)

Laut EU entspricht AD9-AD12 der mittleren Führungsebene. Ich interpretiere mal die Besoldungsgruppe A12-A15 rein.

https://epso.europa.eu/de/eu-careers/staff-categories

Organisator

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4467 am: 30.06.2023 13:33 »
Oder um es kurz zu sagen für alle Besoldungsgesetzgeber:

Ladys and Gentlemen: "EUGH is in da house".

Bei einem Eilverfahren dürfte da glaube ich eher nicht viel rauskommen.

Wenn sich EuGH und BVerfG anfangen zu streiten, darf man aber sein Popcorn rausholen.
Die Ansichten des EuGH zu einem europarechtlich konformen und auch korruptionsbeständigen Besoldungsgefüge dürften sehr interessant werden.

Leider sind die EuGH-Entscheidungen für Laien nicht immer leicht verständlich und ich habe keine Ahnung was es da bisher an Rechtsprechung bezüglich Besoldungen gibt.

Der EuGH darf sich aber gerne an den EU-Gehältern orientieren.

Laut dieser Tabelle:
https://oeffentlicher-dienst.info/beamte/eu/besoldungsgruppen.html

entspricht AD 10 ungefähr A14 der deutschen Besoldungsordnung.
Spanne 8201 Euro bis 10499 Euro. In den Bundesländern ist bei rund ~6.500 Euro Schluss.

Also der EuGH darf da gerne die Besoldung harmonisieren.  8) Bitte in der Warteschlange bei den Porsche hinten anstellen, wenn es die extra 4.000 Euro mehr pro Monat gibt.  ;D ;D ;D

Da darf man aber nicht vergessen, dass mit dem Extra 4.000 € auch extra-Kosten verbunden sind. z.B. für den zweiten Dienstort in Brüssel und die Pendelei dahin. Extra-Schmerzensgeld für einen Job, bei dem man Mo-Fr nicht zu Hause ist, dürfte erforderlich sein.
Würde es das, ähnlich wie ein Auslandstrennungsgeld für nach Brüssel abgeordnete Beamte, nicht geben, sähe die Bewerberlage mau aus.

Ozymandias

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« Antwort #4468 am: 30.06.2023 15:30 »
Ja, das darf man nicht vergessen, ist auch nicht völlig ernst gemeint gewesen. Aber das sind aber nur die Grundgehälter. Es gibt noch Zuschläge für den Haushalt und Kinder, Auslandszulage und den "EU-Steuertarif".
Jedenfalls nagen die nicht am Hungertuch und haben oftmals weniger Verantwortung als ein einfacher Richter.

Das sind die Zahlen vor 10 Jahren:
https://www.focus.de/finanzen/news/arbeitsmarkt/3500-euro-nettogehalt-fuer-neueinsteiger-tarifstreit-de-luxe-eu-beamte-legen-arbeit-nieder_id_2745359.html

Meine Vermutung: Der EuGH wird sich auf irgendeine Weise formaljuristisch vor einer wirklichen Entscheidung drücken, im Sinne von Richter müssen auch unteralimentiert ihre Entscheidungen treffen, etc.

PolareuD

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4469 am: 30.06.2023 17:26 »
https://www.focus.de/finanzen/news/arbeitsmarkt/3500-euro-nettogehalt-fuer-neueinsteiger-tarifstreit-de-luxe-eu-beamte-legen-arbeit-nieder_id_2745359.html


Ist ja super, wenigstens ein Dienstherr alimentiert seine Beamten amtsangemessene in der untersten Besoldungsgruppe. Die 17 anderen Dienstherren glänzen in der Hinsicht durch Unfähigkeit. Auf zum EU-Dienstherrn.  8)