Nachfolgend habe ich mal mein früheres Widerspruchsschreiben aktualisiert und verallgemeinert, sodass es sich nicht ausschließlich auf Niedersachsen bezieht, sondern allgemein verwendet werden kann. Dabei kann ich natürlich nicht die Garantie übernehmen, dass es rechtsgültig ist, was für alle meine Anmerkungen gilt. Wer Rechtssicherheit haben möchte, sollte sich einen Anwalt nehmen, denn auch die nachfolgenden Zeilen ersetzen keine professionelle Rechtsberatung.
Darüber hinaus ist zu hoffen, dass die Gewerkschaften und Verbände im Bund und jenen Ländern, die bislang keine Widersprüche empfohlen haben, entsprechende Musterwidersprüche erarbeiten werden. Ein Widerspruch kann sich immer nur auf das aktuelle Kalenderjahr beziehen und sollte spätestens bis zum 30.12. des Jahres beim Land eingehen. Insofern kann man derzeit noch abwarten, was sich noch so in diesem Jahr tut. Andererseits werden die Länder aus den o g. Gründen erst dann wirklich tätig werden, wenn absehbar wird, dass die Anzahl der Widersprüche so hoch wird, dass es kostengünstiger wird, auch ohne abschließendem gerichtlichem Beschluss das aktuelle Besoldungsgesetz zu ändern. Allerdings dürfte wohl kaum von diesen Zeilen nun ein Widerspruchstsunami ausgelöst werden...
Zum Einlegen eines Widerspruchs ist an sich keine differenzierte Begründung nötig, theoretisch würde es reichen, kurz und knapp zu schreiben: "Ich lege Widerspruch gegen meine mir gewährte Besoldung des laufenden Kalenderjahres ein und beantrage auf Grundlage der maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine amtsangemessene Besoldung."
Zugleich sollte ein Widerspruch ausreichen, um seine Ansprüche geltend zu machen. Es ist also offensichtlich kein Klageverfahren nötig, was vor dem aktuellen Beschluss nicht klar war, da sich das BVerfG diesbezüglich nicht entsprechend klar geäußert hatte (und die Länder sich bei Rückfragen i.d.R. auch diesbezüglich bedeckt gehalten haben).
Im aktuellen Beschluss betont das BVerfG nun am Ende explizit (Rn. 183): "Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebt. Entscheidend ist, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird."
Spätestens mit dem Verweis auf BverfGE 140, 240, welche sich ausschließlich auf Klagen von Beamten bezieht, ist de facto klar, dass die abschließenden beiden Sätze des Zitats auch für Beamte gelten, was sich aber auch schon so aus dem Kontext erschließt.
Hier das Muster eines (sehr langen) Musterwiderspruchsschreiben, das zugleich noch einmal den Gang der juristischen Entwicklung seit 2015 nachzeichnet (was wie gesagt nicht nötig wäre):
[Name, Vorname ] [Ort, Datum]
[Adresse]
[Beschäftigungsbehörde]
[Personalnummer]
An
[Adresse der zuständigen Bezügestelle – (s. Gehaltsabrechnung)]
Antrag auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation im Haushaltsjahr 2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
Mit Urteil vom 05.05.2015 (2 BvL 17/09 u.a.) hat das Bundesverfassungsgericht die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2008 bis 2010 als mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar erklärt und dabei die Kriterien konkretisiert, nach denen die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation zu überprüfen ist.
Mit seinen Entscheidungen zur A-Besoldung verschiedener Bundesländer (2 BvL 5/13 u.a.) hat das Bundesverfassungsgericht am 17.11.2015 die Prüfparameter weiter konkretisiert und um ein Abstandsgebot zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum ergänzt, ohne hier zunächst noch eine operationalisierte Berechnungsmethode zur Bestimmung jenes Minimums vorzulegen. Diese Methodik hat es mit seinem Beschluss vom 04.05.2020 (2 BvL 4/18) nun rechtskräftig konkretisiert.
Mit Beschluss vom 23.05.2017 (2 BvR 883/14 u.a.) hat es dem Abstandsgebot als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums Verfassungsrang zugewiesen, um in seinem Urteil vom 16.10.2018 (2 BvL 2/17) noch einmal besonders hervorzuheben, dass Beamte nicht stärker als andere Berufsgruppen zur Haushaltskonsolidierung herangezogen werden dürfen; zugleich hat es den Blick dabei und noch einmal besonders auf die nötigen prozeduralen Anforderungen sowie die Gesamtwirkung, die in der jeweiligen Gesetzesbegründung besonders zu beachten ist, gelenkt.
In seinem Beschluss vom 28.11.2018 (2 BvL 3/15; vgl. hier Rn. 51) hat das Bundesverfassungsgericht dem Land Niedersachsen in nuce, jedoch zum wiederholten Male (vgl. seinen Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. – Rn. 168) bescheinigt, dass seine Gesetzesbegründungen in der Vergangenheit nicht immer den nötigen prozeduralen Anforderungen entsprochen hat, also nicht immer hat erkennen lassen, dass das entsprechend nötige Handeln des Landes das Ergebnis einer auf die Herstellung praktischer Konkordanz zielenden Abwägungsentscheidung gewesen ist.
Mit seinem aktuellen Beschluss vom 04.05.2020 (2 BvL 4/18) hat es die Prozeduralisierungspflichten des Besoldungsgesetzgebers noch einmal konkretisiert und diese als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips insoweit konkretisiert, dass ein Verstoß gegen die dem Besoldungsgesetzgeber obliegenden Prozeduralisierungspflichten zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, unabhängig davon, ob sich zuvor Anhaltspunkte für eine Verletzung des absoluten oder relativen Alimentationsschutzes ergeben haben (vgl. ebd., Rn. 96). Darüber hinaus hat es den prozeduralen Zusammenhang der drei Prüfungsstufen und die damit verbundenen Pflichten des Besoldungsgesetzgeber weiter konkretisiert (vgl. ebd., sechster Leitsatz und Rn. 84 f.). Schließlich hat es mit Blick auf das Mindestabstandsgebot die Bestimmung der Mindestalimentation, die als solche einen mindestens 15%igen Abstand zum sozialgesetzlichen Grundsicherungsniveau aufweisen muss, präzisiert (vgl. ebd., Rn. 46-71).
Mit Datum vom ….2019 hat der …. Landtag das aktuelle Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz beschlossen (…. [hier ggf. auf das entsprechende Gesetzblatt verweisen]).
Vor dem Hintergrund der Empfehlung aller maßgeblichen Gewerkschaften und Verbände lege ich hiermit Widerspruch gegen meine mir gewährte Besoldung ein. Zugleich beantrage ich unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung, die also der Prüfmethodik des Bundesverfassungsgerichts und damit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entspricht.
Aus verfahrensökonomischen Gründen bitte ich darüber hinaus darum, bis zur endgültigen höchstrichterlichen Entscheidung meinen Antrag ruhen zu lassen sowie auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und mir dies entsprechend schriftlich zu bestätigen.
Mit freundlichen Grüßen