Mal ne halbwegs naive Frage: Hier wird ja immer damit argumentiert, dass aus „verfassungsrechtlich hergebrachte[n] Grundsätze[n] des Berufsbeamtentums“ eine entsprechende Alimentation folgen müsste, wie sie hier einige fordern. Die meisten Besoldungsgesetzgeber sehen das aber wohl — zumindest in der gewünschten Höhe und auch manchen Regelungen — anders. Gesetzt der Fall, dass die hiesigen Rechtsexperten doch im Recht liegen: Was müsste sich rechtlich ändern, damit die von den Legislativen beschlossenen Gesetze zur jeweiligen Besoldung rechtskonform sind? Ich meine, im Zweifelsfall eine Grundgesetzänderung wäre doch möglich; hier wird ja weder die Menschenwürde noch die Ordnung der BRD als Bundesstaat angegriffen, sondern „nur“ die Frage, was der Dienstherr seinen Beamten zu zahlen hat…
Ganz so einfach ist das für die Dienstherrn nicht, cyrix, da es sich bei dem Recht auf eine amtsangemessene Alimentation um ein sog. "grundrechtsgleiches Recht" handelt, was bedeutet, dass es nicht direkt in einem der Artikel des Grundgesetzes zu finden ist, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit festgestellt, dass der Anspruch von Beamten auf Dienstbezüge in seinem Kernbestand als eine so starke, im öffentlichen Recht wurzelnde Rechtsposition gedacht ist, dass sie dem Privateigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG an einer Sache oder einer Forderung nahekommt. Der Dienstherr hat hier also ein grundrechtsgleiches Recht zu beachten, wenn er entsprechend dem Art. 33 Abs. 5 handelt, der lautet: "Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln."
Dabei hat er sich nun der Tatsache zu stellen, dass das Alimentationsprinzip als ein besonders wesentlicher Grundsatz des Berufsbeamtetums zu betrachten ist, der als solcher vom Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten ist. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht erst unlängst wieder in seiner Entscheidung zum Streikverbot von Beamten unmissverständlich herausgestellt: "Deshalb ist die Folgerung unabweisbar, dass die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts als ein besonders wesentlicher hergebrachter Grundsatz anzusehen ist, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber verpflichtet ist" (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 -, Rn. 123;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rs20180612_2bvr173812.html)
Entsprechend sehen die Dienstherrn die jeweiligen grundrechtsgleichen Ansprüche der Beamten nicht anders als das Bundesverfassungsgericht - sie legen nur die seit 2012 erfolgten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wiederkehrend sachwidrig und sachfehlerhaft aus, was dazu führt, dass das Bundesverfassungsgericht ihnen seit 2015 zunehmend engere Fesseln anlegt, als deren Folge das Besoldungsniveau, das für eine amtsangemessene Alimentation notwendig ist, zunehmend größer wird - und dagegen können die Dienstherrn tatsächlich nur eines machen: sich wieder in den Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zurückbegeben, also die vom Bundesverfassungsgericht in den letzten 65 Jahren ausgeformten hergebrachten Grundsätze mitsamt ihrer Folgen zu respektieren und zu achten, um so zur Gewährung einer amstangemessenen Alimentation zurückzukehren. Eine andere Möglichkeit haben sie innerhalb unserer Rechtsordnung nicht - es sei denen sie würden die Art. 33 Abs. 5 GG, den ich oben zitiert habe, abschaffen und damit auch das Berufsbeamtentum.
Solange sie das aber nicht tun, das Berufsbeamtentum also nicht abschaffen, sind sie offensichtlich allesamt gezwungen, im unterschiedlich hohen Maße die Grundgehaltssätze anzuheben, da sich in allen 17 Rechtskreisen weiterhin nicht nur, aber gerade auch das Mindestabstandsgebot als deutlich bis eklatant verletzt darstellt. Denn da sich zugleich neben dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG regelmäßig ebenso das Leistungsprinzip aus Art. 33 Abs. 2 GG als verletzt herausstellt, der lautet: "Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte", zeigen sich zumindest die Besoldungsordnungen A, B und R als systematisch verletzt. Und da das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung seit 2012 in einer immer weiter ausgeformten Besoldungsodgmatik, deren Grundsätze regelmäßig sachlich aufeinander verweisen, erneuert hat und das Ergebnis sich also ein in sich geschlossenes Rechtsinstitut darstellt, darf man davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht auch zukünftig von seinen das Verfassungsrecht konkretisierenden Ansichten nicht abweichen wird: Die Besoldungsgesetzgeber können sich wieder in der Verfassungsrecht fügen und ihren verfassungsrechtlichen Bindungen gerecht werden - oder es wird sich der sich seit 2016 stark beschleunigte Klagekreislauf als Folge immer weiterer Klagen zunehmend weiter drehen, was den oben genannten Prozess praktisch zwangsläufig verstetigt: Durch die immer kleinschrittigeren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wird der heute bereits recht stark eingeschränkte weite Entscheidungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers immer schmaler, was fast zwangsläufig zu einem zunehmend höheren Besoldungsniveau führt, dass er zur Gewährung der amtsangemessenen Alimentation zu grantieren hat. Hier liegt die Crux, die die Besoldungsgesetzgeber durch ihren länderübergreifenden konzertierten Verfassungsbruch, von dem Ulrich Battis spricht, nicht aus der Welt schaffen können.
@ Nanum
"Leistung" meinte ich hier gar nicht so sehr im Sinne des Leistungsprinzips, sondern ich gehe davon aus, dass ich über meine Qualifikation als Beamter hinaus das eine oder andere in meinem Leben gemacht habe, was mit dazu geführt haben dürfte, dass ich mich heute im höheren Dienst tummeln darf - und zugleich dürfte auch ich wiederkehrend in meinem Leben Glück gehabt haben, um dahinzukommen, und sei es auch nur, die Erlaubnis zu erwirken, die "Leistung" in Qualifizierungssituationen zeigen zu dürfen und abrufen zu können. Dass darüber hinaus das formal unter anderem auf Erfahrungsstufen basierende Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst sachlich hinterfragbar ist, bleibt dabei unbenommen. Mit etwas mehr Pech hätte ich niemals ein Abitur gemacht; und dann säße ich höchstwahrscheinlich heute nicht hier oder falls doch, dann anders. Wenn man lang genug und dabei regelmäßig gesehen hat, mit welch unterschiedlichen Voraussetzungen, die nicht in ihrer Hand liegen (unabhängig davon, dass es genügend Voraussetzungen gibt, die in ihrer Hand liegen), junge Menschen die Schule bestreiten müssen, dann bleiben grundlegend Fragen zu der Vorstellung von "Leistungsgerechtigkeit", denen sich alle erfolgreichen Gesellschaften stellen (müssen) - und ob da die Bundesrepublik immer den klügsten Weg geht, der kaum in einem Patentrezept zu finden ist, kann man durchaus in verschiedenen Bereichen hinterfragen, denke ich.