Ich kann Deine Bedenken und Deinen Frust gut nachvollziehen, Nordlicht. Wie ich es hier ja bereits mehrfach begründet ausgeführt habe, komme ich aber auf Grundlage meiner Beschäftigung mit dem Thema zu einem anderen Schluss.
Zunächst einmal ist klar und spätestens seit 2020 offensichtlich, dass der als länderübergreifend konzertiert vollzogene Verfassungsbruch, wie ihn Ulrich Battis begründet hervorgehoben hat, im starken Interesse der Besoldungsgesetzgeber liegt: die aktuellen Gesetzentwürfe im Bund oder in Hamburg zeigen das noch einmal in aller gebotenen Deutlichkeit. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich dieses Interesse in nächster Zeit ändert, dazu stehen neben dem Interesse an einer spezifischen Form der Gesichtwahrung insbesondere sowohl allzu große Nachzahlungskosten als auch zukunftsgerichtet exorbitant hohe Personalkostensteigerungen in letztlich allen Rechtskreisen im Raum, die mit der Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation anfallen werden - beides, davon darf man spätestens nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre ausgehen, wird sich darin niederschlagen, dass die Besoldungsgesetzgeber weiterhin ihr starkes Interesse zu verteidigen versuchen werden, der Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation zu entgehen.
Auf der anderen Seite zeigen sich aber deutliche Tendenzen, die auf das Ende der Möglichkeit,
konzertiert zu handeln hinweisen. Ich muss das nicht alles noch einmal wiederholen, dazu habe ich erst vor einer Woche eine weitere umfangreichere Betrachtung in der Nr. 6823 angestellt
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.6810.htmlWichtig ist hier insbesondere, dass in den letzten drei Jahren seit der Veröffentlichung der aktuellen Entscheidung bislang mit Ausnahme des Bunds und Hamburg alle Gesetzgeber ein nicht selten deutlich höheres Besoldungsniveau akzeptiert haben, wie sich das derzeit auch in Hamburg zeigt, das das Besoldungsniveau in der untersten Besoldungsgruppe A 4/1 vom 30.11.2022 zum 01.01.2023 für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern von 2.858,73 € auf 4.070,44 € um also über 1.200,- € monatlich anheben will (+ 42,4 %). Zwar ist der Weg der Anpassung über die praktisch ausschließlich Erhöhung familienbezogener Besoldungskomponenten hier wie in praktisch allen anderen Rechtskreisen ebenfalls offensichtlich verfassungswidrig - aber diesne Erhöhungswerten liegt nun zunächst einmal hier wie in den anderen Rechtskreisen auch das Eingständnis zugrunde, dass das Besoldungsniveau bislang deutlich zu gering gewesen ist. Zwar kommt diese Steigerung des Besoldungsniveaus von deutlich über 42 % nur auf Basis nicht sachgerechter Bemessungen zustande (in der Realität liegt der Fehlbetrag noch um einiges höher) - nichtsdestotrotz können die Gesetzgeber nun hinter dieses Eingeständnis kaum mehr zurück: In den letzten drei Jahren ist in den meisten Rechtskreisen eine deutliche Erhöhung des Besoldungsniveaus vollzogen worden. Damit haben die Besoldungsgesetzgeber bereits die Kröte als solche geschluckt, auch wenn sie noch nicht im Magen angekommen und ihnen dort also noch nicht schwer auf denselben geschlagen ist: Denn das wird tatsächlich erst die gezwungenermaßen eingeführte Erhöhung von Grundgehaltssätzen mit sich bringen.
In diesem Zusammenhang hat nun das Bundesverfassungsgericht nicht zuletzt mit dem Parameter der Mindestbesoldung mit der letzten Entscheidung ein scharfes Schwert in seine Rechtsprechung eingefügt. Sofern es dieses Schwert nun methodisch ausformen sollte, läge eine präzise Methodik zur Prüfung der Besoldungstabelle und ihrer Systematik vor. Diese würde zwangsläufig den verfassungswidrigen Gehalt der seit dem Jahreswechsel 2020/21 vollzogenen Hinwendung zur vielfach exorbitanten Erhöhung familienbezogener Besoldungskomponenten offenlegen - und da mit der Ausformung dieses Parameters eine entsprechende Prüfung verpflichtend wäre, das seit 2020 von praktisch allen Gesetzgebern angehobene Besoldungsniveau nun aber kaum mehr ohne völligen Gesichtsverlust zurückgedreht werden könnte (die entsprechenden Bemessungen sind in den Gesetzgebungsmaterialien festgehalten), würde es nur umso schwieriger, von einer weiteren Anhebung der Grundgehaltssätze abzusehen. Denn das deutlich höhere Besoldungsniveaus will ja weiterhin verteilt werden; die Kröte wieder auszuwürgen, dürfte kein die Besoldungsgesetzgeber erquickendes Verhalten sein, schätze ich - nicht zuletzt, weil ihm das Publikum ob der vorliegenden Begründungen aus den letzten Gesetzgebungsverfahren dabei wiederkehrend interessiert zuschauen würde.
Darüber hinaus bereitet das Bundesverfassungsgericht offensichtlich gezielt eventuelle Vollstreckungsanordnungen vor und hat dafür, wenn ich das richtig sehe, insbesondere Niedersachsen auserkoren, wobei sich hinsichtlich der übernächsten Entscheidung des Zweiten Senats ebenso bereits mindestens Sachsen und Berlin ganz in die erste Reihe von einer solchen Maßnahme potenziell betroffener Gesetzgeber gespielt haben. Sofern das besoldungsrechtliche Trauerspiel sich im nächsten Winter fortsetzen sollte, dürfte es - wie in der Vergangenheit dargelegt - höchstwahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis den ersten Rechtskreis die Vollstreckungsanordnung treffen wird.
Darüber hinaus macht sich der Konkurrenzföderalismus in Anbetracht des immer mehr durchschlagenden Fachkräftemangels auch heute schon mehr und mehr bemerkbar, was sich u.a. auch darin zeigt, dass die 17 Dienstherrn trotz aller konzertanten Bemühungen schon lange nicht mehr in der Lage sind, die Wirrnis ihrer besoldungsrechtlichen Gedankenblässe zu vereinheitlichen, sondern mittlerweile eine Vielfalt an sachlichem Unsinn verrechtlicht worden ist, mit dem man nicht nur Personalkosten sparen, sondern gleichfalls auch eine "Attraktivität" gegnenüber anderen Dienstherrn suggerieren möchte, worin sich die Konkurrenz zeigt. Nicht umsonst hat der bayerische MP bereits vor geraumer Zeit angekündigt, dass er in den Nachbargefilden wildern möchte, wenn ihm dafür auch weiterhin die Mittel fehlen, weil der von ihm zentral mitzuverantwortende Unsinn, der in das bayerische Besoldungsrecht eingeflossen ist, keine sachlich hinreichende Attraktivität mehr bietet, weshalb die ihn kennzeichnende Großmäuligkeit wohl kaum ausreichen wird, um den Ankündigungen auch Taten folgen lassen zu können. Hessen und Thüringen als direkte Nachbarn beginnen dahingegen bereits - wenn auch noch eher zaghaft - mit ersten Anhebungen der Grundgehaltssätze. Auch hier dürfte also die Normativität des Faktischen - des mehr und mehr durchschlagenden Fachkräftemangels - zukünftig eine eher größere als kleinere Wirkung auf die Politik ausüben, so ist zu vermuten.
Und schließlich befindet sich das Bundesverfassungsgericht nicht nur hinsichtlich des von allen Besoldungsgesetzgeber in Kauf genommenen und so gezielt in Anschlag gebrachten drohenden Autoritätsverlusts, der durchschlagen würde, wenn es sich nicht in der Lage sehen würde, mit den angekündigten Entscheidungen deutlichen Druck auf erste auszuüben, in einer hier schwierigen Lage, ebenso wird man vonseiten verschiedener Institutionen der EU recht genau ein Auge darauf werfen, wie sich insbesondere die Richter-, aber auch die Beamtenbesoldung in der Bundesrepublik weiterentwickeln wird. Auch hier müsste das Bundesverfassungsgericht eine offene Flanke zu erkennen geben, wenn es ihm nicht mit den anstehenden Entscheidungen gelingt, den Besoldungsgesetzgebern wieder den Weg zurück auf den Boden des Grundgesetzes zu weisen. Dieser europäische Autoritätsverlust würde sich für Karlsruhe als besonders schmerzhaft erweisen (können), da damit seine grundsätzliche Ansicht, nur es selbst habe das Recht, über das deutsche Verfassungsrecht auf deutschen Boden zu entscheiden, schwer angegriffen werden könnte. Dieser Autoritätsverlust, der das Resultat des fortgesetzt verfassungswidrigen Handelns der Besoldungsgesetzgeber wäre, kann nicht im Interesse beider Senate liegen, wobei entsprechend der Erste Senat deutliches Interesse daran haben wird, wie sich der Zweite nun hinsichtlich seiner Besoldungsrechtsprechung stellen wird. Denn wenn sich der Zweite Senat nicht wieder die Autorität als anerkannter Hüter über die Verfassung auch hinsichtlich des Art. 33 Abs. 5 zurückholt, wird das im europäischen Kontext deutliche Auswirkungen auf den Ersten Senat und seine Autorität haben. Auch wenn beide Senate in ihrer Rechtsprechung vollständig voneinander getrennt sind, wird der Zweite Senat diese Problematik nicht ausblenden - auch dessen darf man sich sicher sein.
Ergo: Die Kontinuität der Politik des permanenten Verfassungsbruchs im Besoldungsrecht neigt sich m.E. dem Ende entgegen - tatsächlich wäre m.E. mittlerweile alles andere erstaunlich, soll heißen, anstehende Entscheidunfsbegründungen, die vom Ton her nicht wie immer sachlich verbindlich, doch inhaltlich nicht recht deutlich den bereits recht stark eingeschränkten Entscheidungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber weiterhin einschränken würden. Auch das Bundesverfasungsgericht hat mit den anstehenden Entscheidungen einiges zu verlieren, wofür es keine Verantwortung trägt, da die Missachtung seiner Rechtsprechung ausschließlich in die Verantwortung aller 17 Besoldungsgesetzgeber liegt - aber allein wegen dieser Verantwortung dürften die 17 Besoldungsgesetzgeber kaum mit allzu großer Nachsichtigkeit des Zweiten Senats rechnen. Denn dafür steht auch für ihn zu viel auf dem Spiel, was einer der Gründe dafür sein dürfte, wieso die angekündigten Entscheidungen weiterhin auf sich warten lassen. Sie werden mitsamt ihren Begründungen weiterhin eine umfassende Beratung und Abwägung der Sachlage finden. Alles andere wäre wie gesagt erstaunlich.