Der konzertierte Verfassungsbruch, von dem Ulrich Battis spricht, zeigt sich offensichtlich vor allem seit 2020, da sich seitdem als Folge des Mindestabstandsgebots das bisherige Besoldungsniveau, das zu einer amtsangemessenen Alimentation führt, in allen Rechtskreisen als deutlich bis eklatant unterschritten offenbart, A 6. Ausgehend von dem Berliner Besoldungsgesetzgebungsverfahren aus dem Winter 2020/2021, mit dem das Abgeordnetenhaus von Berlin auf die ihn treffende Entscheidung vom 04. Mai 2020 reagiert hat, sind die willkürlichen Bemessungsverfahren und darauf fußenden massiven Anhebungen von (familien-)bezogenen Besoldungskomponenten in die Tat umgesetzt worden (vgl. zur damaligen Gesetzgebung den Anhang unter
https://www.berliner-besoldung.de/gutachten-bestaetigt-berlbvanpg-2021-vorsaetzlich-verfassungswidrig/). Da mindestens in Teilen der Dienstherrn auch schon vor dem Winter 2020/21 offensichtlich war, dass es gemeinsame Absprachen gegeben hat - was für sich genommen in über Ländergrenzen hinweg Auswirkungen zeitigenden Entscheidungen von Gesetzgebern per se erst einmal nichts Ungewöhnliches ist -, dürfte insbesondere hier ein umfangreicheres Handeln vonseiten der "Berliner-Besoldung" initiiert worden sein. Die Befürchtung eines zukünftig nun umfassend konzertierten Handelns der Besoldungsgesetzgeber zeigt sich entsprechend in jener Stellungnahme bereits im Titel, der die Frage stellte, ob nun "willkürliche Bemessungsverfahren als Zukunft deutscher Beamtenbesoldung" fungieren würden (
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2021/01/Untersuchung-von-BerlBVAnpG-2021-24.01.21.pdf). Damals ist es nicht gelungen, dass offensichtlich konzertierte - also über alle Parteiengrenzen hinweg vollzogene - Handeln im Abgeordnentenhaus zu verhindern, weshalb das damalige Gesetzgebungsverfahren einstimmig vollzogen worden ist. Es hat sich dann augenscheinlich als "stilbildend" herausgestellt, denn die nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren in allen anderen Besoldungsrechtskreisen verliefen danach vielfach sowohl von der Form als auch sachlich nicht gänzlich unähnlich. Darüber hinaus hat bspw. die Schleswig-Holsteinische Landesregierung 2021/22 darauf hingewiesen, dass man sich hinsichtlich der Aufgabe des "Alleinverdienermodells" mit den anderen Nordstaaten abgesprochen hat, sodass es wenig verwundert, dass seitdem auch Bremen und Niedersachsen die Aufgabe vollzogen haben und Hamburg sie gerade vollziehen will - unabhängig davon, dass auch hier ein nicht unbeträchtlicher Aufwand von verschiedenen Seiten betrieben worden ist, um das aufzuhalten und dass insbesondere die parlamentarischen Wissenschaftlichen Dienste in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf deutliche sachliche Problematiken hingeweisen haben, die kaum Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht haben können. Dass die gesetzlichen Regelungen trotzdem vollzogen worden sind, verweist ggf. auf den konzertierten Gehalt ihrer Umsetetzung.
Wie weit also das konzertierte Handeln zurückreicht und wie tiefgehend es vor 2020 war, lässt sich schwerlich abschätzen. Auf Grundlage der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der bekannte DÖV-Beitrag aus dem letzten Jahr zunächst einmal nachgewiesen, dass durch das neu betrachtete Mindestabstandsgebot die Alimentation in allen 16 Länder-Rechtskreisen seit 2008 evident unzureichend ist. Es ist auf dieser Grundlage davon auszugehen, dass die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Jahre 2005 bis 2012 und 2014 bis 2016 vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls insoweit als sachgerecht betrachtet werden wird, dass hier die Alimentation seit 2005 als verfassungswidrig betrachtet werden wird. Insofern reicht die Kontinutität offensichtlich mindestens in Teilen der Rechtskreise noch deutlich vor das Jahr 2008 zurück, wobei allerdings kaum mehr Entscheidungen aus dieser Zeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind. Soweit zunächst zur Geschichte des "konzertierten Verfassungsbruchs".
@ Unknown
Das Bundesverfassungsgericht kann zur Kenntnis nehmen und ggf. das auch ausführen, dass der Nachweis der Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen 16 Länderrechtskreisen seit 2008 getätigt worden ist - eine entsprechende Ausführung in der aktuellen Entscheidung wäre aber eher überraschend, wobei man von einer Kenntnissnahme des Beitrags durch das Bundesverfassungsgericht ausgehen dürfte, da es i.d.R. die gesamte Literatur zum Thema rezipiert. Letztlich ist hinsichtlich einer Entscheidung aber zu beachten, dass sich der Verfassungsauftrag des Bundesverfassungsgericht formell und prozessual auf die Prüfung des konkret von ihm zu betrachtenden Gesetzes erstreckt. Insofern ist eine Vollstreckungsanordnung über den konkret betrachteten Zeitraum und konkreten Rechtskreis, auf den sich die Wirkung des Gesetzes erstreckt, erst einmal ausgeschlossen, ist der sogenannte akzessorische Gehalt des jeweils geltenden Rechts in der gerichtlichen Prüfung zu beachten. Eine Vollstreckungsanordnung, die sich auf alle 17 Rechtskreise erstreckt, kann also nicht vollzogen werden, solange nicht ein jeweils konkretes Gesetz zu jedem der Rechtskreise geprüft wird.
Dabei ist zugleich zu beachten, dass es sich bei der Vollstreckungsanordnung um die Ultima Ratio des Verfassungsrechts handelt. Entsprechend dürfte es weiterhin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sein, bereits heute eine Vollstreckungsanordnung auszusprechen - ggf. wäre das heute bereits hinsichtlich Sachsen und Berlin zwar möglich. Nach den angekündiigten Entscheidungen dürfte dass ggf. anders sein, entsprechend wird vom "verfassungsrechtlichen Faustpfand" - insbesondere hinsichtlich Niedersachsens - gesprochen, auch wenn dieser Begriff offensichtlich nicht sehr glücklich ist (vgl. hier ab der S. 10
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf). Je nachdem, wie die Begründung der aktuell angekündigten Entscheidungen ausfällt, dürfte dann mit der übernächsten Entscheidung eine Vollstreckungsanordnung sachlich begründbar sein, insbesondere eben ggf. mit Blick auf Sachsen, Berlin und Niedersachsen, sofern ihr Handeln so zu bewerten wäre, dass es besoldungsrechtlich einer Untätigkeit gleichkäme.
Entsprechend wird ggf. Niedersachsen, dessen Finanzminister vor der letzten Landtagswahl in seiner Funktion als Vorsitzender des Finanzausschusses hervorgehoben hat, dass der am Ende von der Regierungsmehrheit (der er damals nicht angehörte) verabschiedete Gesetzentwurf verfassungswidrig ist (
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gerald-heere/fragen-antworten/in-der-letzten-landtagssitzung-haben-sie-die-ablehnung-des-gesetzentwurfs-18/11498-fuer-buendnis-90/die-gruenen), durch das "verfassungsrechtliche Faustpfand" bereits juristisch und damit mittelbar politisch unter Druck gesetzt bzw. sich unter Druck gesetzt fühlen. Höchstwahrscheinlich auch von daher ist weiterhin eine zum 01.01.2023 vom Gesetz geplante Verordnung zur Wiederherstellung einer amtsangemessenen Alimentation nicht vollzogen worden.
Je nachdem, wie konkret und darin sachlich eindeutig die angekündigten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ausfallen, dürfte sich gehöriger Druck insbesondere auf Niedersachsens entfalten (auch als Folge des ggf. zurückgehaltenen "verfassungsrechtlichen Faustpfands"), A 6, womit der oben skizzierte Argumentationsfaden wieder aufgenommen wird. Am Ende wird die Rückkehr zu einer verfassungskonformen Alimentation das Ergebnis eines politischen Prozesses sein, der ggf. durch die angekündigten Entscheidungen nun eingeläutet werden wird - und sofern das nicht der Fall sein würde, also die Politik des konzertierten Verfassungebruchs, von dem Ulrich Battis begründet spricht, in allen Rechtskreisen fortgesetzt werden würde, dürfte eine Vollstreckungsanordnung m.E. nicht mehr unendlich weit enfernt sein. Mit ihr würde das Ende des über die Ländergrenzen konzertierten Verfassungsbruchs endgültig eingeläutet werden, denke ich.
Nach der Veröffentlichung der Begründung der angekündigten Entscheidung werden wir in verschiedener Hinsicht schlauer sein, weil sich dann zeigt, welche konkreten Darlegungen und Direktiven sich finden werden, die über die aktuellen hinausgehen. Zugleich wird das Bundesverfassungsgericht keine Rücksicht auf eine eventuelle Höhe zukünftiger Kosten nehmen, Jörn, da ein funktionierende Verwaltung und Rechtsprechung vorrangig zu gewährleisten ist und der Gesetzgeber jederzeit über die Möglichkeit verfügt, seine Kosten zu senken, indem er gleichheitsgerecht ein Programm zur Haushaltskonsolidierung in Angriff nimmt. Diese Möglichkeit lässt ihm zu seinem Glück die Schuldenbremse, wenn so ein Programm bislang auch noch nie in Angriff genommen worden ist - aber das ist nicht das Problem der Richter, Staatsanwälte und Beamte: Der Gesetzgeber verfügt über alle Möglichkeiten, um die notwendigen Mittel zum Generieren der notwendigen Personal- und Versorgungskosten vorzufinden. Er muss entsprechend nur politisch handeln, was ganz einfach für den ist, der staatspolitisch die Verantwortung für sein Handeln übernimmt und sich also der Gefahr aussetzt, dass es seine Chancen bei einer nächsten Wahl nicht unbedingt deutlich erhöhen wird.