@ Unterbezahlt
Hab Dank für Deine Worte - obgleich: Ich wusste ja immer, dass ich mit meiner Besoldung am Ar... bin, nicht aber im Ar... und dann auch noch an einem so unwirtlichen Ort wie dem des jeweiligen Finanzministers... Hoffentlich erklärt mir jetzt keiner das Wort Regierungsgeschäfte, denn das wäre in meiner Lage unerquicklich...
Ernsthaft: Die Senatskanzlei meint - wenn ich es richtig verstehe -, dass der zukünftige Regierungschef in Berlin nicht Barschel heißt, und gibt also das feierliche Ehrenwort, dass in Berlin zukünftig niemand die Absicht habe, eine verfassungswidrige Besoldung zu errichten (es ist womöglich in der derzeigen Lage auch nicht unwahrscheinlich, dass sich die Sacharbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen):
"Mit dem derzeit von der Senatsverwaltung für Finanzen vorbereiteten Gesetzentwurf zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2021 und zur Änderung weiterer Vorschriften ist vorgesehen, die im gegenständlichen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Vorgaben zum Mindestabstand umzusetzen."
Damit kündigt sie im Kontext der zuvor getätigten Aussage, dass sie von ihrem "weiten Gestaltungsspielraum" Gebrauch zu machen gedenkt, höchstwahrscheinlich an, dass sie eine wie gehabt eigene Interpretation der Karlsruher Vorgaben anstrebt. Wäre ich Berliner Gewerkschaftsfunktionär, würde ich nun mal recht fix und wie gehabt recht freundlich und also mit den besten Grüßen in der Senatskanzlei vorstellig werden und entsprechend fragen, welche "Änderung weiterer Vorschriften" denn in diesem Zusammenhang derzeit angedacht werden: Denn wie gesagt, die Antwort ist meiner Meinung nach ein Testballon - und genau diese inhaltlich an sich nicht nötige Hinzufügung, dass im Zusammenhang mit der Besoldung die "Änderung weiterer Vorschriften" geplant sei, testet meiner Meinung nach, ob und wie die Gewerkschaften und Verbände nun reagieren. Wenn entsprechende Nachfragen nicht erfolgen, dürfte die Senatskanzlei daraus wohl schließen (dürfen), dass für sie die märchenhaften Zeiten noch weitergehen könnten, dass also auf der anderen Seite die Zeit des 100-jährigen Dornröschenschlafs weiterhin nicht endet.
Meine Lieblingspassage in der Antwort ist übrigens diese hier (eben weil sie ein weiteres Mal zeigt, dass die Senatskanzlei ein mindestens genauso großer Fan von Eduard Zimmermann ist wie ich; was waren das für schöne Zeiten seliger Kindheit, als uns der Ede am frühen Abend die Welt erklärte):
"Ein Verfassungsverstoß ist nur gegenüber denjenigen Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten rückwirkend zu beheben, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (BVerfG, a.a.O., Rn. 183). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann über die hierfür erforderlichen Mehraufwendungen keine Auskunft erteilt werden."
Die Rn. 183 im Beschluss 2 BvL 4/18 lautet hingegen:
"Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebt. Entscheidend ist, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird."
Wenn also die Senatskanzlei fünf Jahre nach Abschluss des Haushaltsjahres 2015 und in Anbetracht eines mehrjährigen Verfahrens sich noch immer im Unklaren darüber ist, wie eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik zu gestalten ist (denn hätte sie eine entsprechende Ahnung, sollte damit gerechnet werden können, dass sie die letzten Jahre genutzt hätte, entsprechende Daten zu eruieren), dann würde ich als politischer Mitkonkurrent diese Antwort der Senatskanzlei mit viel Freude wiederkehrend unter die Nase reiben. Aber da offensichtlich mit alledem nicht zu rechnen ist, kann die Senatskanzlei frohgemut solch erhellende Statements über die eigene Politikauffassung zum Besten geben.
Auch Sprüche können einen Staat kaputtkloppen, hat mal der heute wohl weitgehend vergessene Peter Wapnewski geschrieben. Genau auf diesem Niveau bewegt sich nach meinem Geschmack solch eine Antwort, weil sie eine Politikauffassung zeigt, die zunehmend mehr Menschen verliert. Und jetzt schalte ich die Moral wieder aus.
Und PS. Danke auch für Deine Worte, Peter - auch Du sprichst mir ein weiteres Mal aus der Seele, wie ich gerade lesen, als ich diese Zeilen absenden wollte. Zu nennen ist auch noch die Gewerkschaft der Polizei, die wie gehabt vielfach die Knochen für andere hinhält.