Habe mir gerade den Aufsatz "Hat die Einverdienstehe ausgedient?" (Rodemond DÖV 2023, 801) zu Gemüte geführt. Eigentlich ist es ja journalisitische Tradition, dass die Antwort auf Fragen in der Überschrift von Artikeln immer "Nein!" heißt. Herr Rodemon als wiss. Mitarbeiter von Prof. Färber bricht mit dieser Tradition:
Es wurden 3.400 Beamt:innen in den Besoldugnsgruppen bis A8 befragt. Die Ergebnisse sind folgende:
- Die meisten Beamt:innen leben in intakten [= innerhalb eines Haushalts] Familienkonstellationen
- Es reduzieren mit steigender Kinderzahl hauptsächlich die Partnerinnen männlicher Beamter sowie Beamtinnen ihren Arbeitszeitumfang, während die Arbeitszeit von Beamten und Partnern von Beamtinnen mit zunehmender Kinderzahl sogar steigt.
- Dass weiterhin ein großer Teil der Beamtinnen und Partnerinnen männlicher Beamter zumindest in Teilziet arbeitet, könnte an dem Wandel gesellschaftlicher Rollenbilder und der Verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf ODER der ansonsten mangelhaften Einkommenssituation liegen, welche sonst ein Absinknen in die Nähe des Bürgergeldes bewirken würde
- 28% der Befragten gehen einer vergüteten Nebentätigkeit nach
- Die "Unterstellung"(sic!), dass die Besoldung eines Beamten zum Unterhalt einer Familie genügen muss trifft nicht mehr zu, da viele Partner:innen verdienen und die Familien diese Gehälter nicht "zur Deckung elementarer Bedürfnisse benötigen, das Familieneinkommen also deutlich über dem sozialrechtlichen Existenzminimums liegt". [Falls mir das jemand erklären kann wäre ich da sehr dankbar!]
- Die Maßstabsfunktion der Einverdienstehe sollte lt. dem Autor verworfen werden, und es sollten "weitere/anderen Familien- und Erwerbskonstellationen zugrunde gelegt werden um "die Bedarfssituation [sic!] von Beamtenhaushalten zielführend ab[zu]bilden".
- Es sollten Härtefallregelungen eingeführt werden, welche ergänzende Besoldungsleistungen "unter festgelegten Umständen und auf Antrag" vorsehen
- Der Autor stellt die These auf, dass der hohe Umfang der Nebentätigkeiten eventuell auf eine Verletzung des Mindestabstandsgeboten hindeutet, was auf eine insgesamt unzureichende Alimentation schließen lassen würde.
Wir fassen also zusammen, dass der Autor offenkundig die Abkehr von einer amtsangemessenen und hin zu einer bedarfsgerechten Alimentation propagiert. An mehreren Stellen blitzt es kurz auf, dass die Berufstätigkeit der Partner:innen und die Nebentätigkeiten eventuell einfach einer zu geringen Alimentation geschuldet seien.
Ich stelle mich hier gerne für eine Kontrollgruppe zur Verfügung, welche im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes eine dauerhaft (!) amtsangemessene Alimentation (ohne irgendwelche sonstigen Reformen) gewährt bekommt. Herr Rodermond untersucht dann in fünf Jahren, wie sich die Nebentätigkeiten der korrekt alimentierten Beamt:innen und die die Berufstätigkeiten bzw. deren Umfänge der Partner:innen entwickelt haben. Ohne Kontrollgruppe ist mMn die gesamte "empirische Untersuchung" des Herrn Rodemond sinnlos. Sie stellt lediglich den Status Quo bei einer massiven Unteralimentation dar. Sämtliche Schlussfolgerungen verbieten sich aus diesen jedoch, da nicht abgefragt wurde, warum die Beamt:innen Nebentätigkeiten haben und die Partner:innen in welchem Umfang berufstätig sind. Wenn die Besoldung der in Vollzeit tätigen Beamt:innen jeden Monat 1.000,00 EUR höher läge, sähen die Zahlen sicherlich ganz anders aus.
Insbesondere kann man bei den Nebentätigkeiten wohl (ohne Tätigkeiten oder Berufsgruppen im geringsten abwerten zu wollen) davon ausgehen, dass dies bei Inhaber:innen von Ämtern der Besoldungsgruppen bis A8 nicht gut dotierte Dozenten- und Vortragstätigkeiten oder Aufwandsentschädigungen für Mandatsträger sind, sondern es eher um Arbeitslohn als Bürohilfe, als Handwerker oder Mitarbeiter:in einer Tankstelle geht. Das machen wohl wenige, weil sie sich davon jenseits des Lohnes irgendetwas versprechen.