Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1564854 times)

A9A10A11A12A13

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 192
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5025 am: 09.10.2023 14:01 »
... Ich habe dann nach einigen Jahren ein Schreiben hinterhergeschickt, dass ich meinen Widerspruch für die vorherigen Jahre auf die verfassungswidrig zu niedrig bemessene Alimentation insgesamt erweitern möchte. Als Rückmeldung habe ich bekommen, dass nicht feststeht, ob das rückwirkend möglich ist ...

Ich wollte der Behörde keine Steilvorlage schicken, weil es dann ja bedeutet, wenn der Widersprecher schon selbst nicht mehr dem Inhalt seiner Schreiben vertraut, dann können wir sie getrost seine Zweifel übernehmen und alles ablehnen - er/sie kann ja dann noch klagen.

Ohne es noch mal rauszusuchen, gab es hier auch die abgewiesenen Klagen, weil nicht vom Richter die Abänderung der Klage zugelassen wurde. Also mal so, oder mal anders, oder...

SwenTanortsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,064
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5026 am: 09.10.2023 14:46 »
Im obigen Klageverfahren war es möglich einen Klageantrag umzustellen, damit das sinngemäße Begehren aufrecht erhalten bleibt. Es geht um den Wegfall der Sonderzahlung, der an sich nicht Unrechtes sein wird und daher auch nicht mehr verlangt werden kann. Aber dort wurde das nach acht Jahren umgemünzt zu einem zu niedrig bemessenem Jahresnettoeinkommen.

Ist dies bei ruhenden Widersprüchen bis zur Befassung auch möglich?

Wenn also jemand wie die Klagende den gleichen Widerspruch formuliert hat und mit der Besoldungsstelle das Ergebnis des Verfahrens abwartet, kann die Besoldungsstelle diesen originären Widerspruch ablehnen, weil er nicht mehr zum Inhalt des Klageverfahrens passt? Muss dann nicht auch der Widerspruchsinhalt passend umgestellt sein?

Ich gehe davon aus, das Besoldungsstellen akribisch die Orthografie, Grammatik und Inhalt eines Widerspruchsschreibens prüft, um bei einem Hauch von absichtlichen Missverständnis den Widerspruch abweisen zu können.

Schön wäre es, wenn man den ruhenden Erstwiderspruch insoweit nachträglich umformulieren könnte, das es über alle Zeiten und Veränderungen hinweg die grundsätzliche Fehlalimentation des Widerspruchsjahres und ALLER Folgejahre rügt.

Wenn die Widerspruchsbehörde es versäumt einen Widerspruch zu bescheiden, muss es sich auch Gefallen lassen, dass beim Inhalt des offenen Widerspruchs nachgelegt oder verbessert werden kann, oder?

Leider habe ich davon nichts bei den jährlichen (Gewerkschafts-)Aufrufen zur Einlegung eines Widerspruchs nach ihren Mustern gehört. Das wäre ja ein Fauxpas Eingeständnis (offenbart aber erst durch die darauffolgenden BVerfG-Entscheidungen) , wenn man nahe legt, den unzureichenden Widerspruch aus der Vergangenheit mit der aktuellen Formulierung nach zu qualifizieren. Aber lieber heilen, als unzureichend liegen lassen.

Genau so bin ich vor einigen Jahren verfahren. Früher bezogen sich die Widersprüche nur auf die Streichung der Jahressonderzahlung. Ich habe dann nach einigen Jahren ein Schreiben hinterhergeschickt, dass ich meinen Widerspruch für die vorherigen Jahre auf die verfassungswidrig zu niedrig bemessene Alimentation insgesamt erweitern möchte. Als Rückmeldung habe ich bekommen, dass nicht feststeht, ob das rückwirkend möglich ist und zu gegebener Zeit darüber entschieden wird. Bin gespannt, wie das zu bewerten ist. Vielleicht hat hier ja jemand eine rechtlich fundierte Einschätzung dazu?! (S.T.?  ;) )

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind nachträgliche Veränderungen sachlich nicht möglich, DeGr, vgl. die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichst vom 19.02.2019 - 2 C 50.16 (https://www.bverwg.de/210219U2C50.16.0) -; es führt im dritten Leitsatz unmissverständlich aus: "Bei der Ermittlung des Rechtsschutzziels verlässt eine Auslegung den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, wenn sie Erklärungen einen Inhalt - sei er auch förderlich - beimisst, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers keinen Anhalt gibt."

§ 133 BGB führt aus: "Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften."

Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Sicht auf die Dinge, die bis auf Weiteres als maßgeblich zu betrachten ist, ab der Rn. 14 ff. aus. Die Zusamenfassung der Argumentation findet sich in der Rn. 27.

Es kommt also im Widerspruchsschreiben mindestens darauf an, ob der Wille erkennbar ist, die Alimentation als Ganze, deren Nettohöhe o.ä. in Zweifel zu ziehen. Dabei ist jedes Widerspruchsschreiben vollständig in den Blick zu nehmen, um den in ihm enthaltenen Willen zu erforschen.

Opa

  • Gast
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5027 am: 09.10.2023 18:11 »
(…)um den in ihm enthaltenen Willen zu erforschen.

Am einfachsten könnte meine Personalstelle den in meinem Widerspruch enthaltenen Willen erforschen, indem sie den solar plexus des Besoldungsgesetzgebers in komfortabler Relation zu meiner rechten Faust platziert.

VierBundeslaender

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 122
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5028 am: 09.10.2023 21:24 »
Kritisch ist in meinen Augen diese Stelle in der Urteilsbegründung:
Zitat
"Die Beanstandung einer Vorschrift, die zu einer Kürzung der Dienstbezüge führt, mit dem Ziel, die Fortzahlung der Dienstbezüge nach den bisherigen Vorschriften zu erreichen, enthält nicht zugleich das Begehren festzustellen, dass die Alimentation verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei. Damit würde ein anderer Streitgegenstand zur Nachprüfung gestellt...
Der Streitgegenstand eines auf - unvermindert - höhere Zahlung gerichteten Leistungsbegehrens und die damit begehrte Feststellung, die Kürzung der Zahlung aufgrund eines speziellen Gesetzes sei verfassungswidrig, ist ein anderer als die Rechtsbehauptung, das allgemeine Alimentationsniveau sei zu niedrig. Letztere erfordert eine umfassende Prüfung und Aufklärung, die nicht nur das unmittelbare, die Kürzung regelnde Besoldungsgesetz in den Blick nimmt, sondern auch sonstige Gesetze (etwa das Einkommensteuergesetz) und dienstrechtliche Nebengesetze (wie Beihilfegewährung in Krankheitsfällen, Zulagen, Vergütungen usw.), die Einfluss auf das allgemeine Alimentationsniveau haben."
Er hatte gegen die Abschaffung der Sonderzahlung geklagt. Daraus hat dann das BVerwG nicht geschlossen, dass er die Verfassungsmäßigkeit insgesamt beklagt. Ich bilde mir ein, so was schon mal gesehen zu haben, weiß aber nicht mehr wo (da hatte mE jemand gegen eine Kürzung der Beihilfe geklagt und das nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Nettobesoldung ausgeweitet).

Opa

  • Gast
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5029 am: 10.10.2023 14:59 »
Das bildet doch den Rahmen, innerhalb dessen das Begehren des Widerspruchsführers auszulegen ist, sehr sachgerecht und wirklichkeitsnah ab. Einerseits kann nicht von jedem Beamten erwartet werden, dass er seinen Widerspruch so fundiert ausarbeitet, wie eine Urteilsbegründung. Andererseits darf jedoch erwartet werden, dass der Beschwerdegegenstand hinreichend konkret ersichtlich ist, um angemessen über den Widerspruch entscheiden zu können.

Wenn ich Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen eines Verkehrsverstoßes einlege, kann ich schließlich nicht erwarten, dass dieser auch gegen die Höhe der KFZ-Steuer wirksam wird, nur weil beides irgendwie mit meinem Auto und den damit verbundenen Kosten zu tun hat.

Jimbo

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 61
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5030 am: 11.10.2023 10:14 »
Schnell, bald kommt der tolle Abschluss, jetzt hat man schon mal alles parat um noch niedriger anzusetzen, denn die Inflationsrate sinkt, ist doch gut für unseren Dienstherren oder nicht?

https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/verbraucher-niedrigste-inflationsrate-seit-beginn-des-ukraine-krieges/ar-AA1i1CrI?ocid=msedgntp&cvid=80e6a9f0b4c54f958cb6e0e760b0be95&ei=8

Komisch wie passend das genau jetzt kommt und wir uns das dann anhören dürfen...

Gilt es auch für uns Landesbeamte dass man bald angepasst am Wohnort und der Mietstufe irgendwelche Zulagen bekommt?
Drüben im anderen Forum für die Bundesbeamten ist das ja schon recht spruchreif.

HansGeorg

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 194
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5031 am: 11.10.2023 10:38 »
Wenn ich Gewerkschafter wäre und am Verhandlungstisch sitzen würde und es würde jemand auf die Idee kommen zu sagen, naja die Inflation ist ja nun vorbei also gibt es nicht mehr als 3%. Ich würde sofort kommentarlos aufstehen und gehen.

Schnarchnase81

  • Gast
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5032 am: 11.10.2023 11:05 »
Schnell, bald kommt der tolle Abschluss, jetzt hat man schon mal alles parat um noch niedriger anzusetzen, denn die Inflationsrate sinkt, ist doch gut für unseren Dienstherren oder nicht?

https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/verbraucher-niedrigste-inflationsrate-seit-beginn-des-ukraine-krieges/ar-AA1i1CrI?ocid=msedgntp&cvid=80e6a9f0b4c54f958cb6e0e760b0be95&ei=8

Komisch wie passend das genau jetzt kommt und wir uns das dann anhören dürfen...

Gilt es auch für uns Landesbeamte dass man bald angepasst am Wohnort und der Mietstufe irgendwelche Zulagen bekommt?
Drüben im anderen Forum für die Bundesbeamten ist das ja schon recht spruchreif.

Ich sage mal so: Jein. In NRW gibt es eine Regelung die sich am Wohnort orientiert, in vielen anderen Bundesländern nicht. Wie es in deinem Bundesland ist, musst du selbst recherchieren. Von der Regelung des Bundes bist du natürlich nur Betroffen wenn du Bundesbeamter bist, als Landesbeamter bist du natürlich nicht betroffen. Das solltest du aber eigentlich wissen.

Ich habe so ein wenig das Gefühl, dass es doch einige hier gibt, die die elementarsten Dinge des Beamtentums und der föderalistischen Regelungen nicht verstehen….jedes Bundesland kocht, wie auch der Bund sein eigenes Süppchen! Das sollte man wissen….

Nordlicht97

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 77
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5033 am: 11.10.2023 11:06 »
Wenn ich Gewerkschafter wäre und am Verhandlungstisch sitzen würde und es würde jemand auf die Idee kommen zu sagen, naja die Inflation ist ja nun vorbei also gibt es nicht mehr als 3%. Ich würde sofort kommentarlos aufstehen und gehen.

Nur werden die lieben Verhandlungsführer mal wieder einknicken.

Wir können ja mal ne Wettrunde starten, was für ein Beschi… Beschluss dabei rauskommen wird.

Ich tippe auf 3000€ Sonderzahlung, verteilt über mehrere Monate, ab März 2024.
Dazu dann insgesamt 4,5% Erhöhung in zwei Schritten mit einer Laufzeit von 27 Monaten.

ccb

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 10
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5034 am: 11.10.2023 11:38 »
Wenn ich Gewerkschafter wäre und am Verhandlungstisch sitzen würde und es würde jemand auf die Idee kommen zu sagen, naja die Inflation ist ja nun vorbei also gibt es nicht mehr als 3%. Ich würde sofort kommentarlos aufstehen und gehen.

Nur werden die lieben Verhandlungsführer mal wieder einknicken.

Wir können ja mal ne Wettrunde starten, was für ein Beschi… Beschluss dabei rauskommen wird.

Ich tippe auf 3000€ Sonderzahlung, verteilt über mehrere Monate, ab März 2024.
Dazu dann insgesamt 4,5% Erhöhung in zwei Schritten mit einer Laufzeit von 27 Monaten.

Das dürfte dem Endergebnis sehr nahe kommen. Leider.

Jimbo

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 61
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5035 am: 11.10.2023 11:43 »
Schnell, bald kommt der tolle Abschluss, jetzt hat man schon mal alles parat um noch niedriger anzusetzen, denn die Inflationsrate sinkt, ist doch gut für unseren Dienstherren oder nicht?

https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/verbraucher-niedrigste-inflationsrate-seit-beginn-des-ukraine-krieges/ar-AA1i1CrI?ocid=msedgntp&cvid=80e6a9f0b4c54f958cb6e0e760b0be95&ei=8

Komisch wie passend das genau jetzt kommt und wir uns das dann anhören dürfen...

Gilt es auch für uns Landesbeamte dass man bald angepasst am Wohnort und der Mietstufe irgendwelche Zulagen bekommt?
Drüben im anderen Forum für die Bundesbeamten ist das ja schon recht spruchreif.

Ich sage mal so: Jein. In NRW gibt es eine Regelung die sich am Wohnort orientiert, in vielen anderen Bundesländern nicht. Wie es in deinem Bundesland ist, musst du selbst recherchieren. Von der Regelung des Bundes bist du natürlich nur Betroffen wenn du Bundesbeamter bist, als Landesbeamter bist du natürlich nicht betroffen. Das solltest du aber eigentlich wissen.

Ich habe so ein wenig das Gefühl, dass es doch einige hier gibt, die die elementarsten Dinge des Beamtentums und der föderalistischen Regelungen nicht verstehen….jedes Bundesland kocht, wie auch der Bund sein eigenes Süppchen! Das sollte man wissen….

Ich würde nicht so fragen wenn ich mir eigentlich sicher wäre dass es so ist. Mir ist als Landesbeamter der Unterschied bewusst, bin mir aber nicht über sämtliche Sche**e die die Länder gerade verzapfen, in meinem Fall Niedersachsen, im Bilde. Sorry dass ich daher nachgefragt habe.

Knucki

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 37
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5036 am: 11.10.2023 13:08 »
Widerspruch Amtsangemessene Alimentation NRW

hat schon eine Gewerkschaft ein Muster für NRW für 2023 herausgegeben? ich habe noch nichts gefunden....

smiteme

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 195
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5037 am: 11.10.2023 13:17 »
Nimm den vom letzten Jahr und ändere das Jahr auf 2023 😉

Opa

  • Gast
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5038 am: 11.10.2023 14:59 »
Das könnte nach hinten losgehen. Der dbb-Musterwiderspruch für das Jahr 2022 trifft meiner Erinnerung nach keine Aussage zum Thema Wohnortkomponente. Es sollte aber m.E. jeder prüfen, ob er das Thema explizit aufnimmt.

Konkret geht es um die Frage, wieso es erst ab dem dritten Kind einen mietstufenabhängen Zuschlag gibt, obwohl auch Beamte ohne bzw. mit weniger als 2 Kindern von den höheren Wohnkosten in Hochpreisregionen (Mietstufen IV-VII) betroffen sind.

Da dieses Argument auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz basiert, werte ich es als zusätzlichen Widerspruchsgrund, der die bisherigen Argumente rechtlich erweitert.

smiteme

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 195
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5039 am: 11.10.2023 17:26 »
Ich hab den Wiederspruch vom Richterbund genommen, der hatte eine recht umfangreiche Darstellung.