Im obigen Klageverfahren war es möglich einen Klageantrag umzustellen, damit das sinngemäße Begehren aufrecht erhalten bleibt. Es geht um den Wegfall der Sonderzahlung, der an sich nicht Unrechtes sein wird und daher auch nicht mehr verlangt werden kann. Aber dort wurde das nach acht Jahren umgemünzt zu einem zu niedrig bemessenem Jahresnettoeinkommen.
Ist dies bei ruhenden Widersprüchen bis zur Befassung auch möglich?
Wenn also jemand wie die Klagende den gleichen Widerspruch formuliert hat und mit der Besoldungsstelle das Ergebnis des Verfahrens abwartet, kann die Besoldungsstelle diesen originären Widerspruch ablehnen, weil er nicht mehr zum Inhalt des Klageverfahrens passt? Muss dann nicht auch der Widerspruchsinhalt passend umgestellt sein?
Ich gehe davon aus, das Besoldungsstellen akribisch die Orthografie, Grammatik und Inhalt eines Widerspruchsschreibens prüft, um bei einem Hauch von absichtlichen Missverständnis den Widerspruch abweisen zu können.
Schön wäre es, wenn man den ruhenden Erstwiderspruch insoweit nachträglich umformulieren könnte, das es über alle Zeiten und Veränderungen hinweg die grundsätzliche Fehlalimentation des Widerspruchsjahres und ALLER Folgejahre rügt.
Wenn die Widerspruchsbehörde es versäumt einen Widerspruch zu bescheiden, muss es sich auch Gefallen lassen, dass beim Inhalt des offenen Widerspruchs nachgelegt oder verbessert werden kann, oder?
Leider habe ich davon nichts bei den jährlichen (Gewerkschafts-)Aufrufen zur Einlegung eines Widerspruchs nach ihren Mustern gehört. Das wäre ja ein Fauxpas Eingeständnis (offenbart aber erst durch die darauffolgenden BVerfG-Entscheidungen) , wenn man nahe legt, den unzureichenden Widerspruch aus der Vergangenheit mit der aktuellen Formulierung nach zu qualifizieren. Aber lieber heilen, als unzureichend liegen lassen.
Genau so bin ich vor einigen Jahren verfahren. Früher bezogen sich die Widersprüche nur auf die Streichung der Jahressonderzahlung. Ich habe dann nach einigen Jahren ein Schreiben hinterhergeschickt, dass ich meinen Widerspruch für die vorherigen Jahre auf die verfassungswidrig zu niedrig bemessene Alimentation insgesamt erweitern möchte. Als Rückmeldung habe ich bekommen, dass nicht feststeht, ob das rückwirkend möglich ist und zu gegebener Zeit darüber entschieden wird. Bin gespannt, wie das zu bewerten ist. Vielleicht hat hier ja jemand eine rechtlich fundierte Einschätzung dazu?! (S.T.? )
Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind nachträgliche Veränderungen sachlich nicht möglich, DeGr, vgl. die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichst vom 19.02.2019 - 2 C 50.16 (
https://www.bverwg.de/210219U2C50.16.0) -; es führt im dritten Leitsatz unmissverständlich aus: "Bei der Ermittlung des Rechtsschutzziels verlässt eine Auslegung den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, wenn sie Erklärungen einen Inhalt - sei er auch förderlich - beimisst, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers keinen Anhalt gibt."
§ 133 BGB führt aus: "Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften."
Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Sicht auf die Dinge, die bis auf Weiteres als maßgeblich zu betrachten ist, ab der Rn. 14 ff. aus. Die Zusamenfassung der Argumentation findet sich in der Rn. 27.
Es kommt also im Widerspruchsschreiben mindestens darauf an, ob der Wille erkennbar ist, die Alimentation als Ganze, deren Nettohöhe o.ä. in Zweifel zu ziehen. Dabei ist jedes Widerspruchsschreiben vollständig in den Blick zu nehmen, um den in ihm enthaltenen Willen zu erforschen.