Ich glaube, das BVerfG hat einen strategischen Fehler begangen, indem es ausgehend von einer vierköpfigen Familie gerechnet hat. Das erzeugt im Nachgang etliche Probleme, Unsicherheiten, Tricks der Besoldungsgeber und Folgeklagen.
Vielmehr sollte das BVerfG zunächst ausschließlich die Grundbesoldung verfassungsrechtlich prüfen und Kriterien hierfür festlegen. Dann hätte man endlich ein klares Fixum als Basis, um das man nicht mehr herumeiern kann mit Partnereinkommensanrechnungen, absurden Kinderzuschlägen, Wohngelder u.v.m.
Darauf aufbauend hätte man dann leicht weitere Fragen (Zuschläge, Pensionen,...) klären können. Stattdessen müssen wir jetzt von hinten durch die Brust ins Auge arbeiten, bis irgendwann das wesentliche Element (eben diese Grundbesoldung) der Besoldung mal verfassungsfest wird. Bis wir uns auf diesem Wege mal zu Versorgungsleistungen vorgearbeitet haben, sind die Pensionäre von 2012 wohl größtenteils verstorben.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass das BVerfG hier noch zu einem Umdenken kommt.
Deiner Sicht auf die Dinge liegt hier ein Kategorienfehler zugrunde, NordWest, der von außen aber nicht so ohne Weiteres erkannt werden kann:
Die Besoldungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts - egal, ob nun die sich seit 2012 zunehmend neu darstellende oder die bis dahin vollzogene, auf der die neue weiterhin aufbaut - dient nicht dazu, dem Gesetzgeber aufzutragen, wie er zukünftig die Besoldungssystematik und Besoldungshöhe zu vollziehen habe. Stattdessen erfüllt der Zweite Senat mit seiner Rechtsprechung die ihm von der Verfassung zugewiesene Aufgabe der gerichtlichen
Kontrolle. Entsprechend kontrolliert der Zweite Senat mit seiner Rechtsprechung in den konkreten Normenkontrollverfahren, ob eine jeweilige gesetzliche Regelung mit der Verfassung in Einklang steht oder nicht; diese Kontrolle erstreckt sich aber zuvörderst auf
die Rechtsprechung des den Fall vorlegenden Verwaltungserichts. Denn es legt mit seiner Vorlage dem Bundesverfassungsgericht den Fall zur Entscheidung vor, von dem es ausgeht, dass er eine verfassungswidrige Regelung beinhaltet und für den es diese Sicht auf die Dinge sachlich begründet. Das Bundesverfassungsgericht prüft nun also zuvörderst diese Vorlage auf sachliche Korrektheit und tritt damit in einen unmittelbaren Dialog mit dem vorliegenden Gericht und weitgehend nur in einen mittelbaren mit dem jeweils davon betroffenen Gesetzgeber ein, dem so als Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, sich erneut zur Vorlage zu äußern.
Auf dieser Grundlage betrachtet nun das Bundesverfassungsgericht den Vorlagebeschluss, zu dem sich das vorlegende Gericht mit Abschluss seines Verfahrens nicht mehr äußern kann. Das Bundesverfassungsgericht prüft nun also, ob der Vorlagebeschluss formell korrekt gehandelt hat und ob seine begründeten Betrachtungen der materiell-rechtlichen Bestimmungen verfassungsrechtlich sachgerecht sind. Hat das vorlegende Gericht nicht formell korrekt gehandelt, nimmt das Bundesverfassungsgericht die Vorlage gar nicht erst zur Entscheidung an, betrachtet sie also als nicht zulässig. Ist sie hingegen zulässig, prüft das Bundesverfassungsgericht nun, ob die Vorlage begründet oder unbegründet ist, prüft also weiterhin diese Vorlage und kommt damit seiner Aufgabe der Normenkontrolle nach.
So betrachtet hat das Bundesverfassungsgericht seit den 1950er Jahren in unmittelbarer Auseinandersetzung mit Vorlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach und nach eine Dogmatik entwickelt - also ein Arsenal an feststehenden Rechtssätzen oder Rechtsauffassungen zu einem Rechtsgebiet (in unserem Fall: zum Rechtsgebiet des Besoldungsrechts), von denen die Gerichte ausgehen können, dass sie Bestand haben -, an die sich die Gerichte gebunden sehen. Denn insbesondere die Leitsätze der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung binden die Gerichte unmittelbar.
Da nun aber die Gesetzgeber damit rechnen dürfen, dass die von ihnen verabschiedeten Gesetze aus der Bevölkerung beklagt werden, und da sie darüber hinaus um die gerade genannte Bindung der Gerichte an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht wissen, ist es für sie sinnvoll, sich ebenfalls an die Direktiven des Bundesverfassungsgerichts zu halten, denen sie aber
nicht unmittelbar unterworfen sind. Denn einer mit Gesetzeskraft erlassenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sieht sich konkret nur der jeweilige Gesetzgeber hinsichtlich der konkreten gesetzlichen Regelung gegenüber, die als verfassungswidrig betrachtet worden ist. Wegen dessen Nichtigkeit sieht sich nur dieser Gesetzgeber nun
unmittelbar gezwungen, eine wieder verfassungsrechtlich statthafte Gesetzeslage herzustellen. Die anderen Gesetzgeber sehen sich von der betreffenden Entscheidung des Bundesverfassungsgericht
nicht unmittelbar betroffen, da die von ihnen verabschiedete Gesetzeslage nicht unmittelbar vom Bundesverfassungsgericht behandelt worden ist. Sie dürfen aber ob der nach und nach entstandenen Dogmatik, die mit jeder weiteren Entscheidung des Bundesverfassunsgericht fortgeführt wird, davon ausgehen, dass sie mit dem selben Ergebnis zunächst von den (Verwaltungs-)Gerichten und im Anschluss vom Bundesverfassungsgericht betrachtet werden, wenn sie grundlegende Direktiven missachten, die sich aber weiterhin unmittelbar nur an das vorlegende Gericht und mit den Leitsätzen an alle Gerichte wenden.
So verstanden hat das Bundesverfassungsgericht keine Veranlassung, seine auf die vierköpfige Beamtenfamilie ausgelegte Dogmatik zu verändern, da sie es weiterhin sachlich ermöglicht, dass zunächst die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sofern sie angerufen wird, im Rahmen eines Feststellungsverfahrens kontrolliert, ob die gesetzliche Regelung verfassungskonform ist. Sofern diese Kontrolle der jeweiligen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu dem begründeten Ergebnis kommt, dass die gesetzliche Regelung nicht mit der Verfassung in Einklang steht, legt das betreffende Gericht nun seine Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vor, da nur es zu einer rechtskräftigen Normenkontrolle berechtigt ist.
In diesem Sinne hat - da mit Ausnahme des konkreten Gesetzgebers mit seiner konkreten gesetzlichen Regelung der unmittelbare Dialogpartner des Bundesverfassungsgerichts die jeweiligen vorlegenden Gerichte sind - das Bundesverfassungsgericht keine Veranlassung, von seiner für die Kontrolle bewährte und also dogmatisch umfassend ausgeführte Betrachtung der vierköpfigen Beamtenfamilie abzuweichen.
Was neu sein wird, ist, dass das Bundesverfassungsgericht, nachdem nun weitere Besoldungsgesetzgeber von der gesetzlichen Regelung des Familienmodells eines Einverdieners abweichen (Brandenburg und Rheinland-Pfalz sind davon in den 2010er Jahren als erstes abgewichen, ohne das allerdings mit Einsparungszielen zu verbinden, sodass es hier nicht zu Klagen gekommen ist, weshalb die Gerichte keine Veranlassung hatten, sich mit diesen Regelungen zu beschäftigen), nun diese gesetzliche Regelungen kontrollieren wird - und zwar i.d.R., sofern über entsprechende Vorlagen zu entscheiden sein werden, die begründet darlegen, dass sie davon ausgehen, dass die jeweilige konkrete gesetzliche Doppelverdienerregelung nicht mit der Verfassung im Einklang steht. Damit wird dann nach und nach eine Erweiterung der bestehenden Dogmatik für Doppelverdienermodelle entstehen, da davon auszugehen sein wird, dass diese dort, wo sie einmal als solche gesetzlich eingeführt worden sind, bestehen bleiben werden, sodass zu klären ist, in welchem Rahmen sie gesetzlich geregelt werden dürfen und in welchem nicht.
Da die seit 2021/22 eingeführten Doppelverdienermodelle in ihren maßgeblichen Regelungen sachwidrig und also sachlich unbegründet eingeführt worden sind, was jeder weiß, der sich auch nur ein wenig in der Materie auskennt: denn nicht umsonst ist bislang kein Wissenschaftlicher Dienst der Landtage, der einen entsprechenden Prüfauftrag erhalten hat, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelungen problemlos seien, vielmehr haben alle bislang eingeschalteten festgestellt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit an maßgeblichen Stellen nicht mit der Verfassung im Einklang stehen, wird am Ende das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage der bei ihm eingehenden Vorlagen entscheiden müssen, welche diesbezügliche Regelungen nicht mit der Verfassung in Einklang stehen, womit es dann hier nach und nach eine dogmatische Erweiterung seiner bisherigen Rechtsprechung erstellen wird, also das vielfach zum Regelfall gewordene Doppelverdienermodell in seiner verfassungsrechtlichen Relevanz ausleuchtet - und zwar ebenfalls in unmittelbarer Auseinandersetzung mit den Begründungen des jeweils vorlegenden Verwaltungsgerichts.